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Kundin packt für 1323 Franken ein und scannt für 40 Franken.

Mit einem solchen Gerät erfasste die Kundin den 40-Franken-Einkauf für ihre Schwiegermutter, nicht aber die eigene Ware im Wert von fast 1300 Franken. Foto: Urs Jaudas

Selfscanning im Migros Glatt

Kundin packt für 1323 Franken ein und scannt für 40 Franken

Eine Frau kaufte für ihre Schwiegermutter ein. Nach Abschluss des Selfscanning kam die Kontrolle. Die eigene Ware war noch nicht bezahlt. Mit Absicht, hält das Gericht nun fest.

Mit einem solchen Gerät erfasste die Kundin den 40-Franken-Einkauf für ihre Schwiegermutter, nicht aber die eigene Ware im Wert von fast 1300 Franken. Foto: Urs Jaudas

Veröffentlicht am: 03.05.2023 – 10.30 Uhr

Sie werde nie mehr ein Selfscanning-Gerät in die Finger nehmen, sagte die Frau dem Richter. Der Umgang mit einem solchen Handscanner hatte ihr eine Anklage wegen versuchten Diebstahls eingetragen. Zu Unrecht, wie die Schweizerin mehrfach und tränenreich beteuerte. Die 31-Jährige war am Dienstag ohne anwaltschaftliche Unterstützung am Bezirksgericht Bülach erschienen. 

Den folgenreichen Einkauf tätigte die zweifache Mutter Anfang Juli 2022 in der Migros Glatt. Ihr Wagen war voll, als sie ihn zur Kasse schob: Lebensmittel, Elektronikartikel, Spielwaren und vor allem viel Fleisch – Biofleisch. So hatte die zweifache Mutter unter anderem Entrecôtes im Wert von 198 Franken, Rindsplätzli im Wert von 130 Franken und Hobelfleisch für 252 Franken darin liegen. Mit ihrem Selfscanning-Gerät hatte sie lediglich neun Artikel erfasst. 

Bei der Rückgabe des Geräts an der Station schloss sie den Einkaufsvorgang ab. Das System wählte sie für eine Stichprobenkontrolle aus. Sie solle sich ans Personal wenden, so die Anweisung auf dem Display. Wie sich später herausstellte, war die Frau zuvor ins Visier eines Ladendetektivs geraten. Er wird später angeben, sie habe sich zwischen zwei Regale begeben und die Waren im Wagen so umgeschichtet, dass das teure Fleisch von aussen nicht zu sehen gewesen sei.

Wer hat wen angesprochen?Die Videokamera hält fest, wie die Frau – statt sich ans Personal zu wenden – zur Selbstbedienungskasse wechseln wollte, um erneut Artikel zu scannen. Doch so weit kam es nicht. Die Kundin wurde von einer Angestellten angesprochen. 

Self-Check-out und Langfinger

Ziehen Self-Check-out-Kassen und Selfscanning Langfinger an? Nein, heisst es auf Anfrage bei der Migros. «Wir verzeichnen keine signifikante Veränderung seit Einführung der Subito-Services, weder bei Self-Check-out noch bei Selfscanning oder Subito», sagt Annabel Ott, Mediensprecherin Migros Zürich.
Klaut eine Person Waren im Wert von über 300 Franken, wird dies von Amtes wegen verfolgt. Wenn der Wert des Diebesguts weniger als 300 Franken beträgt, muss der oder die Geschädigte innerhalb von drei Monaten Strafantrag stellen, damit es zum Strafverfahren kommt. «Bei einem Diebstahl müssen gewisse Kriterien wie Deliktsbetrag oder Verhalten der Täterschaft erfüllt sein, damit wir einen Strafantrag einreichen oder ein Hausverbot ausstellen», sagt Ott.

Die Videoaufnahme sei nicht vollständig, machte die Beschuldigte geltend. Sonst würde man erkennen, dass sie selbst das Personal sofort angesprochen und gefragt habe, was sie nun tun solle. Doch dieses habe nicht auf sie gehört. Stattdessen seien erst der Ladendetektiv, dann der Chef des Glattzentrums und schliesslich auch die Polizei gekommen. Stundenlang sei sie verhört worden: «Ich war völlig fertig und gestresst.»

Die neun gescannten Artikel im Wert von 40 Franken seien für ihre Schwiegermutter bestimmt gewesen. Den Rest habe sie an der bedienten Kasse zahlen wollen. Weshalb sie denn überhaupt so viel eingekauft habe, wollte der Richter wissen. Das habe sie bis zu diesem Vorfall regelmässig getan. Zudem habe sie an diesem Tag Geburtstagsgeschenke für ihren Sohn besorgt.

Auf die Frage, was sie dazu sage, dass sie vom Ladendetektiv beim Umschichten des Wagens beobachtet worden sei, sagte die Schweizerin: «Das ist doch absurd.» Das Fleisch sei zuunterst gelegen, weil sie zuerst in der Lebensmittelabteilung gewesen sei. Es sei möglich, dass sie die Waren für ihre Schwiegermutter nach oben gelegt oder nach dem Portemonnaie gesucht habe. Sie habe zu diesem Zeitpunkt 6000 Franken auf dem Konto gehabt, sagt die in einem 95-Prozent-Pensum in einem technischen Beruf tätige, nicht verschuldete Frau: «Wieso hätte ich da stehlen sollen?»

Hoffen auf ein weiteres Video

Der Einzelrichter nahm der Frau ihre Version aus mehreren Gründen nicht ab. Es sei nicht nachvollziehbar, dass man einen Teil des Einkaufs mit dem Subito-Gerät abwickle und dann an eine andere Kasse wechsle. Vor allem sehe man auf den Aufnahmen der Überwachungskamera nicht, dass die Beschuldigte sich wegen der Stichprobe – wie verlangt – direkt ans Personal gewendet habe: «Sie haben alles unternommen, was für einen Diebstahl erforderlich ist.»  

Das Gericht verurteilte die nicht vorbestrafte Frau wegen versuchten Diebstahls zu einer bedingten Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 70 Franken, also total 3150 Franken, bei einer Probezeit von zwei Jahren. Auf die vom Staatsanwalt beantragte Busse von 700 Franken verzichtete es. «Wir gehen davon aus, dass das Zahlen der Verfahrenskosten von 3700 Franken Strafe genug ist.» 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Frau kündigte noch im Gerichtssaal Berufung an. «Ich werde einen Anwalt kontaktieren.» Vielleicht gebe es ja eine Videoaufzeichnung, die beweise, wie es wirklich gewesen sei. Dort, wo sie lebenslang eingekauft hat, bleibt ihr der Zutritt momentan verwehrt. Die Migros hat ein Hausverbot ausgesprochen.

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