Herr Benz, Sie sind in Dübendorf bekannt wie ein bunter Hund. Wie lange brauchen Sie für Ihren täglichen Spaziergang «ins Dorf», wie Sie es nennen?
Werner Benz: Eigentlich dauert der Weg ins Zentrum und wieder zurück eine halbe Stunde. Aber ich kenne eben Krethi und Plethi, und da kann es auch schon mal bis zu vier Stunden dauern, bis ich wieder zurück bin. Man braucht einfach Bewegung, und ich will sehen, was im Dorf passiert. Vielleicht schaue ich mir eine Baustelle für eine neue Siedlung an, dann kann ich mitreden, wenn am Stammtisch jemand darüber schimpft.
Stört es Sie nicht, dass sich Dübendorf so rasant verändert?
Das ist halt der Lauf der Zeit, auch wenn ich es bedaure, dass der Fust weg ist und dass es keine Buchhandlung und keine Papeterie mehr gibt. Einzelne Gebäude wie der Kehlhof oder die Obere Mühle müssen um jeden Preis erhalten bleiben, aber Dübendorf hat im Gegensatz zu Grüningen oder Regensberg kein erhaltenswertes Stadtbild. Zwar schaue ich mir gerne alte Fotos an und schwelge in Erinnerungen. Ich finde aber, dass heute tendenziell zu viel unter Schutz gestellt wird. Dank diesem Wachstum geht es uns ja auch gut.
Allerdings können sich viele die Mieten in den neuen Überbauungen nicht mehr leisten.
Das ist tatsächlich eine Herausforderung. Ich möchte nicht als Politiker für bezahlbaren Wohnraum verantwortlich sein, zumal der Einfluss auf kommunaler Ebene stark begrenzt ist.
Sie sassen für die Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) respektive die SVP im Gemeinderat und waren während vier Jahren Hochbauvorstand. Aus beruflichen Gründen sind Sie dann nicht mehr angetreten – haben Sie nie daran gedacht, wieder in der Politik mitzumischen? Sie wären ja im besten Politikeralter.
Es waren nicht die schlechtesten vier Jahre. In der Exekutive geht es um die Sache, nicht um Parteipolitik. Man kann zusammen etwas erreichen, und es gehört dazu, dass man auch mal eine Niederlage einsteckt. Zurück in die Politik wollte ich eigentlich nie. Da gehören Leute hin, die zwar Lebenserfahrung haben, aber noch nicht zu alt sind.
Alte weisse Männer wie Sie werden derzeit ja für sämtliche Probleme auf der Welt verantwortlich gemacht. Zurecht?
Wir Älteren haben die heutige Welt mit aufgebaut und uns mit späteren Generationen über das Wachstum gefreut. Und plötzlich soll das dann alles nicht mehr so gut sein? Sicher gab es Versäumnisse. Dasselbe gilt aber auch für die heutigen Jungen, über die man dann in 20 Jahren wieder schimpft.
Und dennoch: Die Welt hat sich rasant verändert – die Digitalisierung, ein gesellschaftlicher Wandel mit neuen Feindbildern und Arbeitsmodellen, und plötzlich sind alle Veganer … Fühlt man sich da als Senior nicht etwas fremd?
Wenn ich mit meinem Nachbarn rede, dann sind wir manchmal wie die zwei reklamierenden Alten in der Muppet Show (lacht). Aber früher war bestimmt nicht alles besser, und für die älteren Leute ist es eine wichtige Aufgabe, Veränderungen zu akzeptieren. Was nicht heisst, dass man nicht auch mal den Warnfinger heben soll, wenn man denkt, dass etwas in die falsche Richtung läuft.
Sie sind in Uster aufgewachsen und dann in den frühen 70ern nach Dübendorf gezogen, weil Sie hier mit Ihrer späteren Frau eine Wohnung gefunden haben. Was dann passiert ist, kann man als beispielhafte Integration bezeichnen.
Nach vier Wochen war ich im Löschzug 1 der Dübendorfer Feuerwehr. Bald trat ich der BGB bei und machte im Vorstand des EHC Dübendorf mit. Man hört immer wieder, Dübendorf sei eine Schlafstadt. Aber man muss sich halt beteiligen am Dorfleben. Es gibt viel zu viele Leute, die wirklich nur hier schlafen – gerade im Neubaugebiet im Hochbord-Quartier. Diese Neuzuzüger im Dorf zu integrieren, ist keine einfach Aufgabe.
Sie haben sich ausserdem in der Schule engagiert, waren Stiftungsrat der Weiterbildungskurse Dübendorf, leiteten die Ortsvertretung der Pro Senectute, sind der Erfinder der Dübi-Mäss und haben zweimal die Tour de Suisse nach Dübendorf geholt. Eigentlich war es doch allerhöchste Zeit, dass Sie im Januar zum Dübendorfer des Jahres gewählt wurden.
Erwartet habe ich das nicht. Aber stolz macht es mich auf jeden Fall. Es ist eine Wertschätzung; man hat gesehen, dass ich mich – zumeist ehrenamtlich – für die Stadt engagiert habe. Die Tour de Suisse war 1988 mit Start der ersten Etappe auf der Leepüntstrasse ein riesiger Erfolg. Wobei ich bei der Organisation nicht ganz von Anfang an dabei war. Vier Jahre später war die Tour dann erneut hier. Heute wäre das allerdings nicht mehr möglich, der Start kostet mehr als 200’000 Franken, das ist nicht finanzierbar.
In den letzten Jahren haben Sie diverse Ämter wieder abgegeben, zuletzt das Präsidium des Gewerbe-, Handels- und Industrievereins, das Sie 25 Jahre innehatten. Was ist das Geheimnis eines würdevollen, rechtzeitigen Rücktritts?
Beim GHI war es einfach an der Zeit, dass jemand den Verein führt, der noch aktiv als Unternehmer tätig ist, und nicht der Senior im Schaukelstuhl. Wenn man den richtigen Nachfolger gefunden hat, muss man dem die Chance geben, das Ganze zu übernehmen. Und ja, es schwingt natürlich auch immer etwas die Angst mit, als Sesselkleber zu gelten. Man will freiwillig gehen, bevor sie einen abwählen (lacht).
Jetzt sind Sie noch Präsident der Reformierten Kirchgemeinde Dübendorf-Schwerzenbach. Werden Sie 2026 nochmals vier Jahre anhängen?
Dann wäre ich ja grad 80 Jahre alt. Da muss man sich schon fragen, ob die Alten wirklich immer noch irgendwo vorne hinstehen müssen …? Ich werde es auf mich zukommen lassen.
Aber wäre es Ihnen denn nicht langweilig, so ganz ohne eine grosse Aufgabe?
Vielleicht müsste ich mich etwas daran gewöhnen. Aber das Schöne am Rentnerleben ist doch, dass man nicht mehr so fremdbestimmt ist. Heute kann ich sagen, vor 10 Uhr mache ich nichts. Und wenn mir doch langweilig würde, dann lese ich eben ein Buch oder putze mal wieder das Gartenhaus unserer Siedlung. Und wenn mich dann jemand fragen würde, ob ich im Vorstand seines Vereins mitmachen möchte, könnte ich ja immer noch zusagen.
Höchster Gewerbler, Kirchenpfleger, Dübendorfer des Jahres
Werner Benz wird am 10. Dezember 78 Jahre alt, er ist verwitwet. Benz absolvierte eine Verkaufslehre bei Samen Mauser in Zürich und machte später das Handelsdiplom und das eidgenössische Verkaufsleiterdiplom. 1991 bis 1998 war er Direktor der Hallenstadion AG. Später arbeitete er im Verkauf bei Otto Rupf in Dübendorf.
Lang ist die Liste seiner ehrenamtlichen Engagements: Benz war zehn Jahre lang Mitglied der Dübendorfer Feuerwehr. Er war OK-Präsident der Dübi-Mäss, präsidierte das OK für den Start der Tour de Suisse in Dübendorf und war im Vorstand des Bezirksgewerbeverbands. Weiter sass er im Gemeinderat und war vier Jahre als Stadtrat für das Ressort Hochbau zuständig.
Sieben Jahre lang leitete Benz die Ortsvertretung der Pro Senectute, er half Sekschülern als Koordinator des Lift-Projekts beim Berufseinstieg und war als Vertreter der Wirtschaft im Stiftungsrat der Weiterbildungskurse Dübendorf (WBK). Seit 2018 ist er Präsident der Reformierten Kirchgemeinde Dübendorf-Schwerzenbach. Anfang 2024 wurde Werner Benz zum Dübendorfer des Jahres gewählt.