Die zwei Rettungssanitäter haben es knapp geschafft, sich fertig umzuziehen. Die leuchtend gelb-rote Jacke werfen sie sich über die Schulter und schlüpfen dann rasch in die klobigen schwarzen Schuhe. Es geht los. Knapp fünf Minuten nach Schichtbeginn um 6.30 Uhr werden Nicole Murmann und Martin Dubs zum ersten Einsatz gerufen.
Heute bilden sie das Team, welches für Dübendorf und Umgebung zuständig ist. Murmann und Dubs schwingen sich in den gelben Rettungswagen (RTW). Sie fährt. Er übernimmt später den Lead.
Basis in Dübendorf
Der Rettungsdienst des Spitals Uster muss innert 15 Minuten ab Alarmierung am Einsatzort ankommen. Aus der Basis in Uster ist das aber nicht immer möglich, denn der Rettungsdienst ist auch für das Glattal und umliegende Gemeinden zuständig.
Seit 2014 hat der Rettungsdienst des Spitals Uster deshalb eine weitere Basis im Dübendorfer Zentrum. Jeweils ein Team aus zwei Rettungssanitätern rückt von dort aus.
Knapp 15 Minuten nach Abfahrt im Spital Uster kommen die Rettungssanitäter dort an, wo sie gebraucht werden: In einem Wohnquartier in Dübendorf leidet ein älterer Mann seit einer knappen Stunde an Nasenbluten.
Zum vierten Mal
Mit dem grossen Sanitätsrucksack auf dem Rücken betritt Dubs als Erster die Wohnung. «Guten Morgen. Rettungsdienst Spital Uster, mein Name ist Dubs. Wie kann ich Ihnen helfen?»
Nachdem er Blutdruck und Puls des Mannes kontrolliert hat, versucht Dubs die Blutung zu stoppen, indem er dem Mann eine Art Ballon in die Nase schiebt.
Gemeinsam führen Murmann und Dubs den alten Mann in den RTW, bevor sie ihn ins Zürcher Universitätsspital fahren, wo die Blutung endgültig gestoppt werden soll. Auf dem Weg lässt der Patient durchblicken, dass es in diesem Jahr bereits das vierte Mal ist, dass er von einem RTW abgeholt werden musste.
Im Spital angekommen, übergibt Dubs seinen Patienten den Ärzten vor Ort. Er erzählt, was er bereits in Erfahrung gebracht hat und wie er den Mann bisher behandelt hat. In der Zwischenzeit bringt Murmann den RTW wieder auf Vordermann: Müll entsorgen, Blutflecken wegwischen und neue Decken auf die Transportliege legen.
Ohne Pause
Dann geht es weiter – nicht zum nächsten Einsatz, sondern zum Stützpunkt in Dübendorf: eine kleine Einzimmerwohnung mit grosser Garage für den Rettungswagen. «Endlich etwas essen», sagt Murmann, während sie die Nutella-Dose aus dem Schrank nimmt und den Tisch fürs Frühstück deckt. Fast gleichzeitig piepst ihr Pager: Verkehrsunfall.
Ganz in Neongelb – so ist es bei Verkehrsunfällen Vorschrift – machen sich die beiden wieder bereit. Die robusten schwarzen Stiefel werden erneut angezogen, der Gurt mit allerlei Gerät und Schlüsseln wieder umgeschnallt.
Mit Blaulicht und Sirene braust die Ambulanz aus dem Aussenstützpunkt Dübendorf. Diesmal fährt Dubs den Wagen. Schnell beschleunigt er auf 70 Kilometer pro Stunde und bremst vor Rotlichtern scharf ab. Die Kurven nimmt er mit Schwung.
«Non ti capisco»
Trotz einer Autofahrt wie im Actionfilm unterhalten sich Murmann und Dubs ruhig über den bevorstehenden Einsatz. Nach wenigen Minuten kommen sie an: ein Auffahrunfall.
Der Patient, für den die Rettungssanitäter gekommen sind, spricht nur gebrochen Deutsch. Unter seinem Auge sind leichte Blutspuren zu sehen. Jetzt hat Murmann den Lead. Auf ihre Frage, wo es denn wehtue, kann der Mann nur mit «Non ti capisco», «Ich verstehe Sie nicht», antworten.
Mit Händen und Füssen versucht Murmann mit dem Mann zu kommunizieren. «Wollen Sie ein … äh … Freddo-Dings?», fragt sie und tut so, als hätte sie ein Coldpack auf dem Auge. Dubs steht währenddessen stumm daneben, erlöst Murmann erst nach einigen Minuten, indem er beginnt, fliessend Italienisch zu sprechen.
Innert 30 Minuten bringen die zwei den Patienten ins nächstgelegene Spital. Wieder: Übergabe, Auto putzen, zurückfahren.
Doch noch Pause
Später sitzen Murmann und Dubs wieder in der Dübendorfer Basis. Nachdem sie beim ersten Versuch kurz vor dem Frühstück unterbrochen worden waren, wird jetzt gebruncht: Zopf, Kaffee, Fleisch, Käse und Müesli. «Schliesslich weiss man nie, wann man wieder losmuss», meint Dubs.
Für rund zweieinhalb Stunden passiert nichts mehr. Murmann geht administrativen Aufgaben nach. Dubs lernt für seine Zwischenprüfung.
Erst nach 13 Uhr meldet sich der Pager mit einem neuen Auftrag: Ein 96-jähriger Mann leidet an Atemproblemen. Wieder lassen die beiden Rettungssanitäter alles stehen und liegen und schwingen sich ins gelbe Fahrzeug. Sirene.
In kritischem Zustand
Am Ziel übernimmt wieder Dubs die Führung. Der kranke Mann muss noch in seiner Wohnung mit Sauerstoff versorgt werden. Da er kaum gehen kann, transportieren ihn die Sanitäter mit einem speziellen Stuhl aus dem fünften Stock in den RTW, wo er weiter über Atemnot klagt.
Dubs und Murmann flitzen im engen RTW geübt vom einem piepsenden Gerät zum anderen. Auf Dubs Stirn bilden sich Schweisstropfen, die er schnell mit dem Ärmel abwischt. Die Situation ist stressig, trotzdem handeln Dubs und Murmann seelenruhig und routiniert. Er kümmert sich um den Blutdruck und die Sauerstoffsättigung, sie legt ihm eine Infusion.
Eine Stunde später ist auch der dritte Einsatz an diesem Tag beendet. Der Feierabend ist in Sichtweite. «Normalerweise haben wir mehr zu tun», meint Dubs. Durchschnittlich müssten sie am Tag siebenmal ausrücken.
Trotzdem bringen Murmann und Dubs den Rettungswagen nach Schichtende um 18.30 Uhr erschöpft nach Uster zurück. Wieder wird er geputzt, aufgeräumt – und alles für die Rettungssanitäter der nächsten Schicht vorbereitet.