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Lorenzo Falcone steht in seinem Fruchtraum und nimmt einen Pilz aus dem Regal.

Entrepreneur voller Leidenschaft: der Volketswiler Lorenzo Falcone. Foto: Christian Merz

Effretiker Start-up Pilzchef

Wo die Pilze aus den Säcken spriessen

Seit zwei Jahren züchtet der Jungunternehmer Lorenzo Falcone, 27, in Illnau-Effretikon edle Speisepilze. Jetzt verdoppelt er seine Kapazitäten.

Entrepreneur voller Leidenschaft: der Volketswiler Lorenzo Falcone. Foto: Christian Merz

Veröffentlicht am: 11.01.2024 – 15.58 Uhr

Sie tragen wohlklingende Namen wie Austernseitling und Igelstachelbart, haben faszinierende Formen, sind rosa, gelb, bläulich oder pink. Keine Frage, die Pilze, die Lorenzo Falcone auf seiner Website bewirbt, stimulieren die Phantasie.

Der erste Eindruck beim Eintreten in die Produktionsstätte ist hingegen: unprätentiös grau. 2022, mitten in den Anfängen der Corona-Pandemie, hat sich der 27-Jährige im geräumigen Kellergeschoss eines Industriegebäudes im Effretiker Vogelsang-Quartier eingemietet, um seine Geschäftsidee zu entwickeln.

Gemeinsam mit seinem Mitarbeiter, dem Lebensmittelwissenschaftler Luc Huguenin, züchtet er hier edle und seltene Pilze, die er kundenspezifisch produziert und innert maximal 24 Stunden nach der Ernte ausliefert.

Um derlei Punktlandungen in zeitlicher, quantitativer und qualitativer Dimension richtig hinzukriegen, müssen die Bedingungen kontrolliert werden. Exakte Temperatur-, Licht- und Luftfeuchtigkeitsverhältnisse: Dafür braucht es keine schöne, sondern eine praktische Umgebung.

Lorenzo Falcone betrachtet im Durchwachsungsraum Substratsäcke, in denen sich der Pilz ausbreitet.
Der Fortschritt der Pilzbildung wird regelmässig kontrolliert. Foto: Christian Merz

So kann die Pilzzucht mittels Klonen quasi in einem Kreislauf betrieben und der Ertrag einfach skaliert und kalkuliert werden. «Unsere Räumlichkeiten sind die Basis dafür, dass wir uns so gut und schnell entwickeln konnten», sagt denn auch der Inhaber und Geschäftsführer Falcone.



Nicht nur die Pilze wachsen

Was er damit meint, lässt sich aus den Zahlen herauslesen. 10 Kilogramm produzierte der Betrieb pro Woche, als das Start-up Pilzchef vor zwei Jahren an den Markt ging. Inzwischen ist die Menge auf das 10- bis 15-Fache angestiegen – auf durchschnittlich etwas mehr als 400 Kilogramm im Monat.

Es ist ein Wachstum, das erst durch den sukzessiven Ausbau der Infrastruktur möglich wurde. Und das künftig durch einen weiteren Ausbau auf den noch frei liegenden Flächen weitergetrieben werden soll.

So wird Ende Januar ein zweiter Fruchtraum – der klimatisierte Bereich, in dem die Pilze wachsen – fertiggestellt. Und die Kapazität auf einen Schlag verdoppelt. «Wir haben hier Platz für sechs bis acht solcher Räume», erklärt Falcone. Die Mathematik sei an dieser Stelle dem Lesenden überlassen.

Tatsächlich ist das Potenzial gross. Saisonalität, Regionalität und Nachhaltigkeit stehen in der Gesellschaft aktuell hoch im Trend. Gleichzeitig bietet der Pilz eine ideale Basis für Fleischersatzprodukte, da er den fleischigen Umami-Geschmack trägt. Im Kanton Zürich ist Pilzchef überdies neben der Horgener Firma Regio-Pilz der einzige Produzent in diesem Segment.

Wie sehr die Ware gefragt ist, zeigt sich auch während des Gesprächs. Immer wieder leuchtet Falcones Mobiltelefon vor ihm auf. «Nachrichten von Kunden», entschuldigt er sich irgendwann. Rund 30 Abnehmer hat er aktuell, zu grossen Teilen sind es Restaurants aus der Stadt Zürich.

Seit letztem September beliefert er ausserdem die Bio-Laden-Gruppe Bachser Märt, kürzlich sind im Gastronomiebereich auch noch Wiederverkäufer in der Innerschweiz und den Kantonen Wallis und Graubünden hinzugekommen.

Den vorgespurten Weg verlassen

Welch grosse Chance das Metier bietet, mag Lorenzo Falcone zwar geahnt haben. Wirklich bewusst war es ihm wohl nicht. Seine Initiative entsprang letztlich einer Leidenschaft, die ihm tief innewohnte.

Bereits als Kind war er mit seinem Vater in den Wäldern unterwegs, um Pilze zu sammeln. Später lernte der gebürtige Volketswiler bei der Stadt Illnau-Effretikon Forstwart.

Inhaber Lorenzo Falcone begutachtet die Pilze in seinen Regalen.
Der gelernte Forstwart Lorenzo Falcone hat sich das nötige Wissen autodidaktisch angeeignet. Foto: Christian Merz

Eigentlich wäre vorgesehen gewesen, dass er mit seinem Bruder dereinst das Bauchemie-Unternehmen seines Vaters übernimmt, zu dem er nach der Lehre wechselte. Doch eben – die Leidenschaft. «Bei einem Ferienaufenthalt habe ich vor einigen Jahren im Engadin eine Lorchel gefunden. Als ich herausfand, dass sie giftig ist, war die Enttäuschung gross», erinnert sich Falcone an sein Schlüsselerlebnis.

Sodann stürzte er sich ins Internet, um sich in die Materie zu vertiefen. Er fand Informationen über die Spezies, aber auch über das Geschäft, das in jener Zeit vor allem in den USA abhob. Zu Hause begann er zu proben – und verfiel nach und nach dem Metier. Das ging so weit, dass er sich eine vollautomatische Anlage anschaffte, um seine Zucht aufzubauen.

Die Rückmeldungen, die er von lokalen Gastronomen erhielt, ermunterten ihn, die Sache zu professionalisieren. «Ein befreundeter Koch aus Zürich war derart begeistert, dass er gleich drei Kilogramm des Igelstachelbarts kaufen wollte; eine Menge, die ich unmöglich produzieren konnte. Da wusste ich, dass da etwas drin lag.»

Vor drei Jahren entschied er sich schliesslich umzusatteln. Er weihte den Vater in seine Pläne ein, erhielt einen Erbvorbezug für die Investitionen und machte sich auf die Suche nach Räumlichkeiten. Fündig wurde er schliesslich im Kellergeschoss in Effretikon, wo er sich einrichtete. «Damals benutzte ich noch Zelte wie bei einer Hanfplantage», erzählt er lächelnd.

Lorenzo Falcone von hinten fotografiert in seinem Fruchtraum.
Die Pilzzucht hat Falcones Leben fest im Griff. Foto: Christian Merz

Nebenbei arbeitete er weiter mit einem reduzierten Pensum beim Vater. Stemmen konnte er den Aufwand nur dank der Hilfe seines heutigen Schwagers in spe, der vor seinem Studium ein zusätzliches Zwischenjahr einlegte.

Als seine Produkte letztlich Marktqualität erreichten, gründete er im Januar 2022 sein Unternehmen und verliess definitiv dasjenige des Vaters. Es ist ein Entscheid, den er bis heute nicht bereuen sollte.

Die Qualität, immer wieder aufzustehen

Heute hat die Firma sein Leben fest im Griff. Die Personaldecke ist dünn, neben Mitarbeiter Huguenin und einem Warenchauffeur arbeiten auch seine Verlobte als Buchhalterin und die Mutter als Erntehelferin mit.

Jung-Entrepreneur Falcone ist derweil an allen Fronten gefordert: Klinken putzen, Kontakte knüpfen und Kongresse besuchen gehören genauso zu seinem Aufgabenheft wie die Geschäftsführung, die Entwicklung und die Produktion.

Doch diesen Aufwand nimmt der junge Vater mit einem bemerkenswerten Selbstvertrauen auf sich. Er sagt: «Ich habe mir alles selbst beigebracht, bin dabei immer wieder auf die Schnauze gefallen und jedes Mal wieder aufgestanden. Diese Qualität braucht es, um so etwas aufzubauen. Und die habe ich einfach.»

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