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Ein schönes Bild von gelben Pilzen.

Im Herbst ihres Lebens: Zitronenseitlinge im Fruchtraum der Pilzchef GmbH. Foto: Christian Merz

Das Einmaleins der Zucht

So gedeiht der Pilz im Effretiker Keller

Tag für Tag erntet der Pilzchef Lorenzo Falcone die Früchte seiner Arbeit. Doch worin besteht diese eigentlich? Ein Blick hinter die Kulissen.

Im Herbst ihres Lebens: Zitronenseitlinge im Fruchtraum der Pilzchef GmbH. Foto: Christian Merz

Veröffentlicht am: 11.01.2024 – 15.57 Uhr

Die Zucht von Speisepilzen, das offenbart sich beim Rundgang durch das Reich der Pilzchef GmbH ziemlich schnell, ist ein raffiniertes und anspruchsvolles Verfahren. Kein Wunder eigentlich, schliesslich handelt es sich dabei um die Reproduktion eines Lebewesens – und in der Folge um die Simulierung eines Lebenszyklus.



«Einfach ungeniert nachfragen», sagt der Geschäftsführer Lorenzo Falcone und lächelt verständnisvoll, als er im Laborraum einen Schrank öffnet und eine Petrischale herausnimmt.

Lorenzo Falcone zeigt eine Petrischale, die von einem Pilz durchwachsen ist.
Foto: Christian Merz

In dieses runde, flache und zugedeckte Gefäss hat er vor einigen Tagen ein kleines Fruchtstück eines Pilzes auf einen Nährboden gelegt, das nun zweidimensional wächst. Es ist der Prozess des Klonens, bei dem bei Bedarf mit verschiedenen Pilzen auch Kreuzungen geschaffen werden können. Insgesamt 22 Sorten lagern derzeit im Schrank.

Ist die Petrischale dereinst verwachsen, wird ein Stück herausgeschnitten und in ein mit Nährflüssigkeit gefülltes Glas gegeben. Darin vermehrt sich das Myzel – der eigentliche Körper des Pilzes – dreidimensional.

Ein Glas mit einer braunen Flüssigkeit, in dem das Myzel schwimmt.
Foto: Christian Merz

In einem nächsten Schritt wird ein Teil davon mit einer Spritze in mehrere vier Kilogramm schwere Säcke mit Körnern injiziert – im Fachjargon spricht man von einer Beimpfung. Hier, in der sogenannten Körnerbrut, ernährt es sich von fester Nahrung und wächst dabei exponentiell.

Der Sommer im Holzstamm …

Sobald der Sack durchwachsen ist, werden mit dem inzwischen üppig vorhandenen Pilzmyzel 15 bis 20 Holzsubstratsäcke beimpft.

Die Mischung dieser ebenfalls rund vier Kilogramm schweren Säcke ist eine Kunst für sich. Falcone hat sich dafür eine grosse und nach seinen Wünschen konzipierte Maschine angeschafft, in der er unter anderem Soja und Eichenpellets zusammenführt. Die genaue Formel ist ein Geschäftsgeheimnis.

Lorenzo Falcone zeigt das selbst gemischte Holzsubstrat.
Foto: Christian Merz

Die Substratsäcke kommen schliesslich in einen lichtfreien Raum, bei Zimmertemperatur. «Es ist Sommer, das Stadium der Durchwachsung, in dem sich der Pilz im Baumstamm verbreitet», erklärt Falcone. «Deshalb ist es dunkel und verhältnismässig warm», erklärt Falcone.

Lorenzo Falcone schiebt Regale in einen Raum mit einem Vorhang.
Foto: Christian Merz
Eine Nahaufnahme eines Substratsacks, der von weissen Pilzen durchwachsen ist.
Foto: Christian Merz

Bis zu diesem Punkt bewegt sich alles unter hochsterilen Verhältnissen – auch um die Qualität und Sicherheit zu garantieren. Kontaminierungen durch Keime in der Luft können zu Schimmel führen, was wiederum die ganze Arbeit auf einen Schlag zunichtemachen kann.

Erst beim letzten Schritt bekommt der Pilz Aussenluft. Nachdem er sich zur Genüge ausgebreitet hat, werden die Substratsäcke mit einem Messer aufgeschnitten und in den Fruchtraum gebracht.

In dieser Phase entsteht mit schwachem Licht, einer etwas kühleren Temperatur von etwa 16 Grad und einer hohen Luftfeuchtigkeit bis zu 95 Prozent das, was wir unter dem Pilz verstehen: seine Frucht.

… der Herbst an der Luft

Dementsprechend spektakulär ist der Moment, als Lorenzo Falcone die Tür zum Reich der Pilze öffnet. «Jetzt sind wir im Herbst», sagt er und lacht. Mit jedem Schritt zeichnen sich zwischen dem dichten Dunst die Konturen mit den Regalen genauer ab.

Lorenzo Falcone steht zwischen seinen Pilzen im Fruchtraum.
Foto: Christian Merz

Aus den darin platzierten Säcken spriessen die Pilze in ihrer ganzen Farbenpracht heraus – es ist eine atemberaubende Szenerie. Beim genaueren Hinschauen zeigen sich auf den Oberflächen eigentliche Landschaften aus kleinen und grossen Exemplaren mit unterschiedlichen Stielen und verschiedenen Hüten. Beim Igelstachelbart, einem blumenkohlförmigen Pilz, lassen sich gar feine Haare erkennen.

Die Ernte ist letztlich der einfachste Teil. Falcone nimmt einen Sack mit einem Königblauen Austernseitling in den Vorraum, knackst ihn mit den Händen ab und schneidet danach säuberlich die einzelnen Pilze ab. Den Rest bringt er zurück ins Regal. Die ersten Früchte mögen weg sein. Doch das Leben und damit das Wachsen des Pilzes gehen weiter.

Lorenzo Falcone knackt die ausgewachsenen Pilze mit seinen Händen vom Substratsack ab.
Foto: Christian Merz
Falcone schneidet die einzelnen Pilze mit einem Messer ab.
Foto: Christian Merz

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