Die Zucht von Speisepilzen, das offenbart sich beim Rundgang durch das Reich der Pilzchef GmbH ziemlich schnell, ist ein raffiniertes und anspruchsvolles Verfahren. Kein Wunder eigentlich, schliesslich handelt es sich dabei um die Reproduktion eines Lebewesens – und in der Folge um die Simulierung eines Lebenszyklus.
«Einfach ungeniert nachfragen», sagt der Geschäftsführer Lorenzo Falcone und lächelt verständnisvoll, als er im Laborraum einen Schrank öffnet und eine Petrischale herausnimmt.
In dieses runde, flache und zugedeckte Gefäss hat er vor einigen Tagen ein kleines Fruchtstück eines Pilzes auf einen Nährboden gelegt, das nun zweidimensional wächst. Es ist der Prozess des Klonens, bei dem bei Bedarf mit verschiedenen Pilzen auch Kreuzungen geschaffen werden können. Insgesamt 22 Sorten lagern derzeit im Schrank.
Ist die Petrischale dereinst verwachsen, wird ein Stück herausgeschnitten und in ein mit Nährflüssigkeit gefülltes Glas gegeben. Darin vermehrt sich das Myzel – der eigentliche Körper des Pilzes – dreidimensional.
In einem nächsten Schritt wird ein Teil davon mit einer Spritze in mehrere vier Kilogramm schwere Säcke mit Körnern injiziert – im Fachjargon spricht man von einer Beimpfung. Hier, in der sogenannten Körnerbrut, ernährt es sich von fester Nahrung und wächst dabei exponentiell.
Der Sommer im Holzstamm …
Sobald der Sack durchwachsen ist, werden mit dem inzwischen üppig vorhandenen Pilzmyzel 15 bis 20 Holzsubstratsäcke beimpft.
Die Mischung dieser ebenfalls rund vier Kilogramm schweren Säcke ist eine Kunst für sich. Falcone hat sich dafür eine grosse und nach seinen Wünschen konzipierte Maschine angeschafft, in der er unter anderem Soja und Eichenpellets zusammenführt. Die genaue Formel ist ein Geschäftsgeheimnis.
Die Substratsäcke kommen schliesslich in einen lichtfreien Raum, bei Zimmertemperatur. «Es ist Sommer, das Stadium der Durchwachsung, in dem sich der Pilz im Baumstamm verbreitet», erklärt Falcone. «Deshalb ist es dunkel und verhältnismässig warm», erklärt Falcone.
Bis zu diesem Punkt bewegt sich alles unter hochsterilen Verhältnissen – auch um die Qualität und Sicherheit zu garantieren. Kontaminierungen durch Keime in der Luft können zu Schimmel führen, was wiederum die ganze Arbeit auf einen Schlag zunichtemachen kann.
Erst beim letzten Schritt bekommt der Pilz Aussenluft. Nachdem er sich zur Genüge ausgebreitet hat, werden die Substratsäcke mit einem Messer aufgeschnitten und in den Fruchtraum gebracht.
In dieser Phase entsteht mit schwachem Licht, einer etwas kühleren Temperatur von etwa 16 Grad und einer hohen Luftfeuchtigkeit bis zu 95 Prozent das, was wir unter dem Pilz verstehen: seine Frucht.
… der Herbst an der Luft
Dementsprechend spektakulär ist der Moment, als Lorenzo Falcone die Tür zum Reich der Pilze öffnet. «Jetzt sind wir im Herbst», sagt er und lacht. Mit jedem Schritt zeichnen sich zwischen dem dichten Dunst die Konturen mit den Regalen genauer ab.
Aus den darin platzierten Säcken spriessen die Pilze in ihrer ganzen Farbenpracht heraus – es ist eine atemberaubende Szenerie. Beim genaueren Hinschauen zeigen sich auf den Oberflächen eigentliche Landschaften aus kleinen und grossen Exemplaren mit unterschiedlichen Stielen und verschiedenen Hüten. Beim Igelstachelbart, einem blumenkohlförmigen Pilz, lassen sich gar feine Haare erkennen.
Die Ernte ist letztlich der einfachste Teil. Falcone nimmt einen Sack mit einem Königblauen Austernseitling in den Vorraum, knackst ihn mit den Händen ab und schneidet danach säuberlich die einzelnen Pilze ab. Den Rest bringt er zurück ins Regal. Die ersten Früchte mögen weg sein. Doch das Leben und damit das Wachsen des Pilzes gehen weiter.