Kaviar ist seit je der Inbegriff von Luxus. Das dachte zumindest Unternehmer Romain Hintermann früher – heute weiss er mehr: Im Iran, wo der Kaviar seit Jahrhunderten als eine Art Kulturgut gilt, hatten die begehrten Fischeier einen anderen Status. «Damals tauchten Männer tagsüber ins Kaspische Meer und fingen wilde Störe; später gab es dann für die Familie Kaviar zum Abendbrot.»
Einer dieser Männer war der Grossvater von Hintermanns Geschäftspartnerin Lina Karam, die seit 16 Jahren in der Schweiz lebt. Ihre Familie betreibt heute im Norden des Irans eine kleine Störzucht, die der Auslöser war für ihre Geschäftsidee: Karam und Hintermann gründeten Ende 2018 das Unternehmen «Imperium Caviar & Swisspica» und importieren nebst Kaviar mittlerweile weitere persische Delikatessen wie Safran, Oliven, Datteln oder Pistazien. Im August haben sie ihren Firmensitz von Zürich nach Dübendorf verlegt.
Komplizierter Import
Die Verbundenheit mit iranischen Produkten ist bei der Swisspica-Mitgründerin Lina Karam mit ihrer Familiengeschichte leicht erklärt. Aber woher rührt die Begeisterung für die persischen Delikatessen bei Romain Hintermann?
Die Region im Nahen Osten mit ihren Sprachen und ihrer Kultur habe ihn schon immer fasziniert. Aus diesem Grund studierte er Islamwissenschaft an der Uni Zürich. Dort lernte er in einem Persischkurs Karam kennen, mit der ihn seither eine gute Freundschaft verbindet.
Der Entschluss zur Firmengründung fällten sie an einem trüben Novembertag 2018 in einem Café. «Es hat mich schon immer gereizt, etwas Eigenes aufzuziehen», sagt der heute 31-Jährige.
Mittelsmann vor Ort ist Karams Vater, der in direktem Kontakt mit den Bauern steht und darauf achtet, dass nur Produkte von bester Qualität auf die Reise in die Schweiz geschickt werden. Swisspica setzt fast ausschliesslich auf Bio-Lebensmittel, was den Import noch etwas komplexer gestaltet. Als Land ausserhalb der Europäischen Union benötigen die Bauern nicht nur ein iranisches Bio-Zertifikat, sondern auch dasjenige der EU.
Swisspica selbst muss sich wiederum in der Schweiz als Firma Bio-zertifizieren lassen. Diese mehrfachen Gebühren verringern die Marge. Die Bauern würden sich deshalb den Export in die Schweiz zweimal überlegen – zumal sie ohnehin schon unter den internationalen Sanktionen zu leiden hätten. Die würden nämlich meist die Falschen treffen, sagt Hintermann.
Umstieg auf Zucht verpasst
Sämtlicher iranischer Kaviar, der heute in der Schweiz verspeist wird, wurde von der Dübendorfer Firma importiert. Swisspica beliefert hierzulande nicht nur Feinkostläden, Luxushotels und Spitzengastronomen, sondern auch Retailer, die den Kaviar unter anderem Namen weiterverkaufen. Zudem exportiert das Dübendorfer Unternehmen direkt nach Monaco, Hongkong und in die Vereinigten Arabischen Emirate weiter.
«Iran war unter Kaviargeniessern stets das populärste Herkunftsland», erklärt Hintermann. Während der unruhigen Zeit des Ersten Golfkriegs in den 1980er Jahren hätten die Produzenten allerdings den Umstieg vom selten werdenden und schliesslich illegalen Wildfang auf die Zuchtfarmen verpasst.
Und diesen Rückstand hole man nicht so schnell auf: Bis die Störe, die für die Kaviarproduktion getötet werden, das richtige Alter für die Eier erreicht hätten, dauere es bis zu 20 Jahre. «China war schneller, was dazu führte, dass iranische Produzenten mit ihrem Know-how dorthin auswanderten.» Auch Swisspica bietet zusätzlich zum Baeri- und Beluga-Kaviar aus dem Iran einen Osietra-Kaviar aus China an, produziert von iranischen Emigranten.
Kaviar von früher
So mancher Koch und gut situierter Feinschmecker – 125 Gramm des «schwarzen Golds» kosten im Onlineshop von Swisspica je nach Sorte 269 bis 1625 Franken – würden sich noch an den iranischen Kaviar von früher erinnern. «Deshalb ist die Nachfrage so gross», sagt Hintermann.
Die Unternehmer achten auch darauf, dass die Arbeitsplätze im Herkunftsland bleiben. In Dübendorf arbeiten die beiden hauptsächlich zu zweit und liefern auch mal Bestellungen selber an Restaurants und Hotels aus. Nach zwei Jahren Suche hätten sie nun endlich die idealen Räumlichkeiten gefunden, die sogar Platz bieten für einen Showroom.
Mittlerweile haben Hintermann und Karam noch den gemeinnützigen Verein Lineh gegründet. Mit ihm organisieren sie schweizweit Anlässe in den unterschiedlichsten Bereichen der Kultur. Damit soll die kulturelle Vielfalt wie auch der internationale Austausch gefördert werden.
Der Eintritt ist jeweils gratis; mit dem Erlös aus den Kollekten leistet der Verein im Iran humanitäre Hilfe für Kinder und alleinerziehende Mütter. «Auf diese Weise wollen wir einen Teil unseres wirtschaftlichen Erfolgs an die iranische Gemeinschaft zurückgeben», sagt Hintermann.