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Ein Mann in blauem Jackett und weissem Hemd steht hinter einem offenen Rettungswagen.

Weiss, wovon er spricht: Firmeninhaber Raphael Londero ist selbst diplomierter Rettungssanitäter HF. Foto: Sandro Compagno

E-Mobilität «Made in Volketswil»

Vom Diesel zum Stromer – auch bei Rettungsfahrzeugen

Fahrzeuge von Rettungsdienst, Polizei und Feuerwehr tanken heute noch Diesel. Die Firma Londero in Volketswil will das ändern.

Weiss, wovon er spricht: Firmeninhaber Raphael Londero ist selbst diplomierter Rettungssanitäter HF. Foto: Sandro Compagno

Veröffentlicht am: 10.10.2023 – 15.45 Uhr

Kommen wir gleich zum Punkt: Ein Rettungsfahrzeug, das beispielsweise ein Unfallopfer in die Notfallstation fährt oder eine Patientin in ein anderes Spital verlegt, wiegt zwischen 4,1 und 5,5 Tonnen.

Nun schreibt das Strassenverkehrsgesetz in den allermeisten Ländern Europas vor, dass Fahrzeuge über 3,5 Tonnen maximal 80 Kilometer pro Stunde fahren dürfen. In der Schweiz bestimmt Artikel 5 Absatz 1 Litera a der Verkehrsregelnverordnung (VRV) diese Höchstgeschwindigkeit für schwere Motorwagen, Anhängerzüge und Sattelmotorfahrzeuge.

Das hat zur Folge, dass die Hersteller wie Mercedes oder VW diese Fahrzeugkategorie – Motorleistung, Getriebe, Bremsen und Federungen – auf 80 km/h auslegen.

Nur müssen Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei zwingend schneller fahren können. Gerade bei Ambulanzen zählt jede Sekunde. Und hier kommt die Firma Londero GmbH in Volketswil ins Spiel.

Kunden in der ganzen Schweiz

Das Unternehmen von Inhaber Raphael Londero hat sich in den letzten zehn Jahren auf den Umbau von leichten Lkws in Fahrzeuge für Rettung, Feuerwehr und Polizei spezialisiert.

Zu seinen Kunden zählen das Kantonsspital Winterthur, der Spitalverbund Appenzell, das Kantonsspital Baden, Tre Valli Soccorso Biasca oder auch das Kantonsspital Chur.

Der Grossteil der Originalfahrzeuge stammt von Mercedes-Benz. Der zweite europäische Anbieter Volkswagen hatte in letzter Zeit etwas Pech mit seinen Standorten.

Das Werk eines Zulieferers in Slowenien wurde vom Hochwasser Anfang August schwer getroffen, deshalb fehlen wichtige Teile, die in den Nutzfahrzeugen von VW verbaut werden.

Firmenchef Raphael Londero ist ursprünglich Operationsassistent und bildete sich anschliessend zum diplomierten Rettungssanitäter HF weiter.

Er weiss also aus eigener Erfahrung, was ein innovativer Rettungswagen können muss, und erkannte bald, dass die heutigen Rettungsfahrzeuge viel Potenzial für Verbesserungen haben. Sein neustes Projekt ist ein vollelektrisches Rettungsfahrzeug: «Wir wollen nachhaltig Leben retten ermöglichen. Das ist unsere Vision.»

Ein Mann in blauem Jackett und weissem Hemd steht hinter einer grossen silbernen Kiste, die eine Autobatterie enthält.
«Wir sind die Ersten, die ein solches Fahrzeugkonzept auf den Markt bringen werden»: Raphael Londero mit der Batterie des vollelektrischen Rettungsfahrzeugs, das in Volketswil entsteht. Foto: Sandro Compagno

Interessenten aus der ganzen Welt

Die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen sei auch in dieser Kategorie gross, weil staatliche Institutionen überall auf der Welt weg vom Verbrenner wollten oder gar müssten, sagt Raphael Londero und zählt Interessenten von Europa bis Singapur auf.

Das Konzept des E-Rettungswagens steht, Batterie und Antrieb sind definiert und vorhanden. Die Batterie stammt von der deutschen Firma Akasol in Darmstadt, die heute zum US-Konzern Borg Warner gehört, einem der grossen Zulieferer im Automobilbau.

Er habe sich bewusst gegen ein kostengünstigeres Produkt aus China entschieden, sagt Londero: Die geografische Nähe zu Deutschland und die Möglichkeit, einzelne Zellen der Lithium-Ionen-Batterie zu ersetzen, hätten den Ausschlag für die europäische Lösung gegeben.

Den Antriebsstrang, also Motor, Energierückgewinnung und Kühlung, liefert eine US-Firma. Londero: «Die ganze Steuerung und die Software entstehen hier in Volketswil.» Das sei wichtig, weil am Elektromotor nicht nur der Antrieb, sondern die gesamte Stromversorgung aller Apparate im Fahrzeug hänge.

Bis Ende Jahr 2023 will Londero zwei Prototypen bauen. Die Leistungsdaten sind eindrücklich.

Die Ladeleistung beträgt bis 800 Volt – zum Vergleich: Ein Tesla ladet aktuell am Supercharger mit 480 Volt.

Die Reichweite beträgt 450 Kilometer bei Rettungswagenbetrieb – inklusive aller elektrischer Verbraucher wie auch Heizung und Kühlung.

Der Antrieb bringt sagenhafte 4600 Newtonmeter auf die Hinterachse. Zum Vergleich: Ein 15,6-Liter-Dieselmotor des Mercedes-Lkws Actros schafft maximal 3000 Newtonmeter.

Wieso dieses wahnwitzige Drehmoment für eine Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h? «Weil wir es können», sagt Raphael Londero mit einem Lachen, «und weil Autos über Emotionen und Sicherheit verkauft werden.

Auch Rettungsfahrzeuge.» Schliesslich würden in den Chefetagen der Rettungsdienste oft Manager sitzen, die früher selbst am Steuer solcher Fahrzeuge gesessen seien oder es immer noch täten. «Wir bauen mit Leistungsreserven, womit ein sicheres und am Patientenkomfort orientiertes Fahrverhalten entsteht.»

Von der One-Man-Show auf 15 Mitarbeitende

2013 hatte der heute 44-Jährige eine kleine Firma übernommen, die mit Ambulanzfahrzeugen handelte. Mittlerweile sind im Industriegebiet in Volketswil 15 Mitarbeitende für seine Londero GmbH tätig.

Ihre Spezialitäten sind ein ausgeklügeltes Schliesssystem für sämtliche Türen am Kofferaufbau sowie eine extrem robuste und langlebige Komfortluftfederung.

Diese Federung ist entscheidend bei einem Fahrzeug, das ab Werk ein Leergewicht von rund 2500 Kilogramm hat – nach dem Umbau zum Rettungsfahrzeug aber bis zu 6000 Kilogramm wiegen kann.

20 bis 25 Fahrzeuge baut die Londero GmbH jedes Jahr um. Total rund 3500 dieser schweren Rettungsfahrzeuge seien in der Schweiz in Betrieb, weiss Raphael Londero.

«Jedes Jahr werden durchschnittlich 90 Fahrzeuge neu aufgebaut. Es ist ein Nischengeschäft, und in diesem Nischengeschäft will die Londero sich etablieren.»

Wachstum braucht Kapital

In dieser Nische will das Volketswiler KMU mit seiner Elektrolösung europaweit wachsen. Und dazu braucht es Geld.

Derzeit steht die Umwandlung der GmbH in eine Aktiengesellschaft an, was die Aufnahme von Kapital erleichtert. «Der Investitionsbedarf beträgt aktuell zwischen einer und zwei Millionen Franken», rechnet Londero vor.

Aktuell beginnt der Bau von zwei Prototypen auf der Basis des Mercedes Sprinter 907. Danach folgen eine Präsentation in Volketswil, die Einladung der zahlreichen Interessenten aus Europa und Asien sowie eine Roadshow bei Rettungsdiensten und Spitälern.

«Wir sind die Ersten, die ein solches Fahrzeugkonzept in dieser Qualität und mit diesen Leistungsdaten auf den Markt bringen werden.»

Das Ziel des innovativen Teams ist ambitioniert: In Volketswil sollen ab 2025 jährlich rund 50 Ambulanzfahrzeuge gebaut werden. Das ist eine Verdoppelung der heutigen Produktion.

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