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Gärtner Hanspeter Meyer hält eine Orchidee in der Hand. Im Vordergrund sind viele rosarot blühende Orchideen zu sehen.

Hanspeter Meyer begutachtet eine Orchidee. In seinen Gewächshäusern in Wangen wachsen jedes Jahr 300'000 dieser Tropenblumen. Foto: Sandro Compagno

Blütenreines Gewissen

In Wangen wächst die Orchidee klimaneutral

So schön Blumen anzusehen sind, ihr Anbau verschlingt viel Energie. Dass es auch klimaneutral geht, zeigt die Meyer Orchideen AG in Wangen.

Hanspeter Meyer begutachtet eine Orchidee. In seinen Gewächshäusern in Wangen wachsen jedes Jahr 300'000 dieser Tropenblumen. Foto: Sandro Compagno

Veröffentlicht am: 08.08.2023 – 17.04 Uhr

Knapp 900 Millionen Franken Umsatz werden im Schweizer Detailhandel jedes Jahr mit Blumen und Pflanzen gemacht. Einfache Rosen, wie man sie im Discounter oder in Supermärkten erhält, stammen oft aus Kenia, Zimbabwe oder Israel. Edlere Rosen finden den Weg aus Ecuador oder Kolumbien zu den hiesigen Floristen und Fachhändlern. Und die Tulpen kommen natürlich aus den Niederlanden.

Aus holländischen Gewächshäusern stammt auch der Grossteil der Orchideen, die insbesondere vor dem Valentinstag und vor Weihnachten en masse von den Grossverteilern angeboten werden. Zumeist handelt es sich dabei um die populäre Phalaenopsis.

Weltweit 30’000 Orchideenarten

«Die Phalaenopsis ist Fluch und Segen zugleich», sagt Hanspeter Meyer, Inhaber und Geschäftsführer der Meyer Orchideen AG in Wangen. Einerseits werde die Schmetterlingsorchidee, die in verschiedenen Farben blühe, von der Kundschaft sehr geschätzt und gut gekauft. Auf der anderen Seite präge sie das Bild der Tropenblume in der Öffentlichkeit und stehe heute quasi für den Gattungsbegriff der Orchidee.

Ein Mann hält seine Frau im Arm. Beide lächeln in die Kamera.
Hanspeter und Sabine Meyer. Die Ehefrau ist im Familienunternehmen für den Verkauf an Private zuständig. Die kleine, gelbe Orchidee im Hintergrund ist nach ihr benannt. Foto: Sandro Compagno

«Dabei gibt es weltweit rund 30'000 Orchideenarten», so Meyer, «in allen Formen und Farben und mit den verschiedensten Düften.» Seit 2002 führt der 57-Jährige den Betrieb mit gut 20 Mitarbeitenden in der dritten Generation. Seine Lieblingsblume ist eine kleine, aber umso hübschere Orchidee mit dem botanischen Namen Oncidium Sabine Meyer. Hanspeter Meyer entdeckte die Blume vor einigen Jahren bei einem Züchter in Taiwan und benannte sie nach dem Namen seiner Frau Sabine, die den Privatverkauf im Familienunternehmen leitet.

Save the Orchids

Am 24. Juli erlitt die Meyer Orchideen AG einen Hagelschaden. Rund 10’000 blühende Orchideen wurden in Mitleidenschaft gezogen. Während die Blüten in aller Regel noch schön sind, sind auf den Blättern der betroffenen Pflanzen kleine Schäden entstanden. Da Meyer die Pflanzen so nicht mehr in den Grosshandel geben kann, verkauft er die Orchideen ab sofort mit Rabatt an Private.

300'000 Orchideen wachsen in Meyers Gewächshäusern. Rund zwei Drittel verkauft er an Fachgeschäfte, Gartencenter oder an Blumenbörsen, ein Drittel an Private – in der Gärtnerei in Wangen und seit der Pandemie auch zunehmend via Webshop.

Als tropische Pflanze benötigt die Orchidee viel Energie. Bei 28 Grad und einer hohen Luftfeuchtigkeit von rund 80 Prozent wachsen die Setzlinge heran. Die Wärme in den Gewächshäusern koste ihn rund 5 bis 6 Rappen pro Kilowattstunde, rechnet Hanspeter Meyer vor und zieht einen Vergleich mit der holländischen Konkurrenz: «Bis zum Ukraine-Krieg kostete eine Kilowattstunde Gas dort gerade einmal 1,5 Rappen. Gas war extrem günstig und wurde zudem subventioniert.» In diesem Preiskampf könne er als regionaler Produzent nicht mithalten.

Ein «Riesenthema», so Meyer, sei auch der Strom. Im letzten Winter löschte er angesichts einer drohenden Strommangellage kurzerhand das Licht. «Überall wurde man zum Stromsparen aufgerufen. Da kann ich doch nicht in meinen Gewächshäusern die Pflanzenleuchten laufen lassen.» Der Stromersparnis von rund 70 Prozent stand eine um drei bis vier Monate längere Zeit gegenüber, bis die Orchideen blühten.

Rund 10 Prozent der Jahresrechnung der Meyer Orchideen AG entfallen auf die Energiekosten. Dass es nicht mehr sind, hat mit einer strategischen Entscheidung im Jahr 2008 zu tun.

Klimaneutral dank Wärmepumpe, Holzschnitzelheizung und Solaranlagen

In jenem Jahr stieg der Ölpreis zeitweise auf mehr als 140 Dollar pro Barrell (aktuell kostet ein Barrell rund 85 Dollar): «Wir hatten ein gutes Geschäftsjahr. Aber die Hälfte des Gewinns frass der hohe Ölpreis wieder weg.» Hanspeter Meyer hatte sich schon länger mit dem Gedanken beschäftigt, aus fossilen Energien auszusteigen. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen.

Anstelle der Ölheizung installierte er eine Grundwasser-Wärmepumpe. Diese pumpt Wasser mit einer Temperatur von 11 Grad aus dem Boden, entzieht ihm Wärme und führt es mit 7 Grad Celsius zurück in den Boden.

2011 kam zur Wärmepumpe eine Holzschnitzelheizung, zusätzlich liess Meyer auf dem Firmengelände drei Photovoltaikanlagen installieren. Auch bei der Bewässerung achtet er auf Nachhaltigkeit, indem er Regenwasser – wovon es in diesem Sommer weiss Gott genug gab – auffängt und in verschiedenen Reservoirs fasst. Insgesamt 2,8 Millionen Liter Wasser lagern auf dem Gelände. Das würde auch bei grosser Trockenheit für ein halbes Jahr reichen.

Ein Mann steht vor einer Halle, auf deren Dach Solarpanels installiert sind.
In Hanspeter Meyers Gärtnerei in Wangen wachsen die Orchideen klimaneutral. Möglich machen es unter anderem insgesamt drei Solaranlagen. Foto: Sandro Compagno

Meyers Orchideen und Grünpflanzen wachsen und gedeihen klimaneutral.

«Geduldsprobe und Qualitätsfrage»

Die Schweizer Löhne, die Energie und die Nachhaltigkeit haben ihren Preis. Für die Grossverteiler sind die Pflanzen aus Wangen kaum mehr ein Thema. «Bis vor 15 Jahren machten wir rund die Hälfte unseres Umsatzes mit den Grossverteilern», sagt Hanspeter Meyer. Heute seien einzig die Migros Zürich und Luzern als gute Kunden geblieben. Das habe neben der besagten Qualität auch historische Gründe: «Mein Grossvater, Firmengründer Hermann Meyer, war mit Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler befreundet und politisierte damals im Landesring der Unabhängigen (LdU).»

80 Prozent der in der Schweiz verkauften Orchideen stammen mittlerweile aus holländischen Gewächshäusern. «Zum Schnäppchenpreis» würden diese angeboten, sagt Hanspeter Meyer und schüttelt den Kopf.

Denn eine Orchidee braucht Zeit, bis sie in den Verkauf gelangt. Nach rund zwei Jahren blüht sie ein erstes Mal. «Aber es gibt auch Orchideen, die zehn Jahre brauchen. Es ist eine Geduldsprobe und für mich auch eine Qualitätsfrage.»

So bleiben Orchideen lange schön – Tipps von Profi Hanspeter Meyer

1. Bei Orchideen in transparenten Töpfen immer die Wurzeln anschauen, bevor man giesst.
- weisse Wurzeln = giessen
- grüne Wurzeln = noch einen oder zwei Tage warten, bis die Wurzeln weiss sind
- braune oder graue Wurzeln = die Wurzeln sind faul oder tot – man muss die Pflanze umtopfen

2. Orchideen sollen alle sieben bis zehn Tage grosszügig gegossen werden. Dabei Staunässe vermeiden, das heisst, das überschüssige Wasser abgiessen.

3. Düngen fördert die Blüten- und Blattbildung und das Wachstum der Orchideen; es gibt im Fachhandel speziellen Orchideendünger.

4. Düngen nicht mit dem Giessen verwechseln! Die Pflanzen separat düngen, so braucht man viel weniger Dünger und hilft der Pflanze.

5. Die Orchidee nach dem Blühen für zwei bis drei Monate an einen etwas wärmeren, schattigen Ort stellen. Kommt sie anschliessend wieder an einen kühleren (22 bis 23 Grad) und helleren Ort, fördert dies die Blütenbildung.

6. Die Orchidee alle zwei bis drei Jahre umtopfen. Dies soll man sich vom Profi zeigen lassen, wenn man es noch nie gemacht hat.

Die Meyer Orchideen AG organisiert regelmässig auch Workshops zur Pflege von Orchideen.

Mehr Informationen unter www.swissorchid.ch

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