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Porträt von Ramona Urwyler, Schulthess Klinik in Zürich.

Ramona Urwyler aus Fällanden gehört zu den treibenden Kräften bei «Women for the Board». Im Herbst kandidiert sie für die Grünliberalen des Kantons Zürich für den Nationalrat. Foto: Raisa Durandi

Führung ist weiblich

Fällanderin bietet qualifizierten Frauen eine Plattform

Noch immer sind Frauen in Verwaltungsräten untervertreten. Ramona Urwyler aus Fällanden und ihre Mitstreiterinnen wollen das ändern.

Ramona Urwyler aus Fällanden gehört zu den treibenden Kräften bei «Women for the Board». Im Herbst kandidiert sie für die Grünliberalen des Kantons Zürich für den Nationalrat. Foto: Raisa Durandi

Veröffentlicht am: 07.08.2023 – 15.34 Uhr

«Am Anfang wurden wir belächelt», sagt Ramona Urwyler zehn Monate nach der Gründung der Initiative «Women for the Board». «Wir», das sind neben der 39-Jährigen, die in der erweiterten Geschäftsleitung der Schulthess Klinik in Zürich sitzt, fünf Mitinitiantinnen. Kennen- und schätzen gelernt haben sie sich in einem Mentoring-Programm der Ostschweizer Fachhochschule (OST). Ramona Urwyler stiess nach der Weiterbildung zum Executive MBA an der Hochschule Luzern dazu.

«Wir alle hatten unsere Weiterbildungen abgeschlossen und fragten uns, wie es jetzt weitergehen soll», erinnert sich die Fällanderin. Denn nach wie vor sind die Chefpositionen in Schweizer Unternehmen fest in Männerhand – sei es im Verwaltungsrat oder auch auf Stufe Geschäftsleitung.

Gute Noten für die 20 SMI-Unternehmen

Der Diversity Report Schweiz 2022 stellt zwar insbesondere den grossen, börsenkotierten Schweizer Unternehmen gute Noten aus. Bei den 20 grössten Schweizer Unternehmen, die im Swiss Market Index (SMI) zusammengefasst sind, liegt der Frauenanteil in den Verwaltungsräten bei 27 Prozent und in den Geschäftsleitungen bei immerhin 18 Prozent.

Weiter unten trübt sich das Bild. Von den 8026 untersuchten Aktiengesellschaften begnügten sich 5066 oder 63 Prozent mit einem rein männlichen Verwaltungsrat. Die negative Nachricht: 2020 waren es noch 67 Prozent. Die positive Nachricht: Die Entwicklung geht in die richtige Richtung, aber viel zu langsam.

Denn Studien belegen, dass ein höherer Anteil Frauen in Führungspositionen einen positiven Effekt auf den Unternehmenserfolg hat. Und es gibt noch einen weiteren wichtigen Punkt: In der aktuellen Phase des Fachkräftemangels sind Frauen die grösste ungenügend genutzte Talentreserve im Land.

In einer Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aus dem Jahr 2019 gaben knapp 57 Prozent der befragten Unternehmen an, eine Verbesserung bei der Akquise und Unternehmensbindung von Fachkräften zu verzeichnen.

Wir haben beschlossen, uns mit dieser Plattform zu vernetzen und auf uns aufmerksam zu machen.

Ramona Urwyler

Wie also mehr Frauen in die Verwaltungsräte und in die Geschäftsleitungen bringen? «Man hört ja oft, dass es diese Frauen gar nicht gibt», sagt Ramona Urwyler. «Unsere Plattform will dieses Vorurteil entkräften.»

Und das tut sie in der Tat. Im Sommer 2022 ging www.womenfortheboard.com online, damals mit den sechs Profilen der Gründerinnen. Von den professionellen Headhuntern seien sie nicht ernst genommen worden, sagt Ramona Urwyler: «Aber wir sind überzeugt, dass Visibilität den Frauen hilft. Deshalb beschlossen wir, uns mit dieser Plattform zu vernetzen und auf uns aufmerksam zu machen.»

Wer heute auf die Website geht, der findet rund 300 Profile von Frauen, die ihr Know-how, ihre Berufserfahrung, ihre Leadership-Qualitäten und – besonders relevant – auch ihre Soft Skills wie Empathie in die Verwaltungsräte der Schweiz tragen möchten.

Gruppenbild mit sechs Frauen, die auf einer Treppe sitzen oder stehen.
Die sechs Gründungsmitglieder von «Women for the Board» (von links): Ramona Urwyler, Alexia Hungerbühler, Julia Boysen (vorne), Evelyn Mauch (hinten), Désirée Harmuth und Gudrun Haager. Foto: Anja Wurm

Es sind so viele qualifizierte Frauen, dass die Website mittlerweile an Grenzen stösst. So enthält sie beispielsweise keine Filter- und nur eine sehr einfache Suchfunktion und listet die Profile streng alphabetisch auf. Ramona Urwyler: «Ursprünglich war die Site für 50 Profile konzipiert. Wir sind daran, sie neu zu gestalten.» Neben der Website nutzen die Frauen von «Women for the Board» auch das Business-Netzwerk LinkedIn.

Es geht uns nicht nur um Frauen, sondern um Diversität im Allgemeinen.

Ramona Urwyler

«Es geht uns nicht nur um Frauen», sagt Ramona Urwyler, «sondern um Diversität im Allgemeinen.» Es gehe auch nicht darum, Frauen gegen Männer auszuspielen: «Wir stehen im engen Austausch mit Männern, die uns unterstützen und weiterempfehlen.»

Erste Erfolgsmeldungen

Sein Profil auf die Seite zu stellen, kostet gerade mal 50 Franken. Damit kann der Verein die Kosten der Site decken. Damit diese nicht zu einem Jekami wird, durchleuchtet ein Onboarding-Team jede potenzielle Kandidatin.

Und bereits kann «Women for the Board» erst Erfolge vermelden. «Rund 15 Frauen, die ihr Profil bei uns haben, wurden in den letzten Monaten in Verwaltungs- oder Beiräte gewählt», sagt Ramona Urwyler. «Entweder wurden sie via unsere Site kontaktiert. Oder wir hatten auch schon Fälle, in denen Unternehmen direkt auf uns zukamen, weil sie nach einem bestimmten Anforderungsprofil suchten.»

Netzwerke bilden

Neben der Vermittlung der Kandidatinnen bietet der Verein auch die Möglichkeit, deren Netzwerk auszubauen. Ramona Urwyler: «Wir stellen immer wieder fest, dass Männer besser vernetzt sind. Sei es durch Klubs wie Rotary oder Lions oder auch klassisch durch das Militär. Vielen Frauen fehlen solche Seilschaften.»

Via Slack kommunizieren die Mitglieder miteinander: nach Regionen oder auch nach persönlichen Vorlieben. «Wir haben mittlerweile bereits einen Bike-Slack und einen Golf-Slack. Es gibt auch eine kollegiale Fallberatung, in der man sich Unterstützung holen kann, wenn man bei einem Problem nicht weiterkommt.»

Und wann ist «Women for the Board» am Ziel? «Wahrscheinlich nie», meint Ramona Urwyler: «Ich denke, es braucht positive Erfahrungen von Männern. Wenn diese feststellen, dass diverse Führungsteams bessere Diskussionen führen und bessere Entscheidungen treffen, dann werden automatisch mehr Frauen mit Führungsaufgaben betraut. Und wenn mehr Frauen an entscheidenden Positionen sitzen, werden sie auch mehr Frauen nachziehen.»

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