Reden wir nicht lange um den heissen Brei herum. Hätte ich einen echten Helikopter vom Typ Airbus 125 geflogen, wäre ich nicht in der Lage, diesen Erfahrungsbericht zu schreiben. Und ich meine damit nicht, dass ich JETZT nicht in der Lage wäre. Sondern nie. Nie mehr. Ende. Aus. Finito.
Statt einer PC-Tastatur hätte ich – im Idealfall – eine Harfe in den Händen. Über den Wolken zwar, aber das eilt jetzt wirklich nicht.
Der HR125 Écureuil (französisch für Eichhörnchen) ist ein leichter Mehrzweckhelikopter mit einem Triebwerk. Er wird in der Schweiz und in Österreich als Rettungshelikopter eingesetzt, weil er gerade in grossen Höhen sehr wendig ist. Im Simulator von Loft Dynamics aus Dübendorf können Basismanöver wie Lagefliegen und Schweben wie auch Notverfahren realistisch und kostengünstig geübt werden. Und ich darf als absolutes Greenhorn meinen ersten Flug absolvieren.
Luzi Knöll hilft mir beim Aufsetzen der VR-Brille und des Kopfhörers. Er ist Instruktor bei Loft Dynamics und bildet die Fluglehrer der Kunden in der Handhabung der Simulatoren aus. Heute betreut er mich auf meinem Jungfernflug als Simulator Operator: «Ich setze dich nun auf die Piste 32 in Bern», höre ich Luzi in meinem Kopfhörer, und den Bruchteil einer Sekunde später sehe ich in der VR-Brille die Startbahn des Flughafens Bern-Belp vor mir. Sonnenschein, kein Lüftchen regt sich. Captain Compagno ist ready for take-off.
Take-off und erste Flugversuche
Vorerst bin ich nur Passagier. Luzi bringt mich an seiner Instruktor-Station in einen Schwebeflug. Ich spüre, wie der Helikopter abhebt und in einen ansteigenden Vorwärtsflug übergeht: «Take-off!»
Rasch erreiche ich eine Flughöhe von einigen 100 Metern, unter mir Belp, vor mir der Gurten. «Ich übergebe dir nun die linke Hand, den Collective», höre ich Luzis Stimme, «drei, zwei, eins, you have control.»
Mit dem «Collective», einer Handbremse nicht unähnlich, in meiner Linken reguliere ich das Steigen und Sinken des Helikopters und die Leistung des Motors. Ich ziehe den Hebel leicht an – nicht zu stark, Helikopterfliegen bedarf des Fingerspitzengefühls – und sehe den Gurten unter mir.
Was ich durch die VR-Brille auch sehe, sind meine Hände. Der Simulator von Loft Dynamics ist mit verschiedenen Kameras ausgestattet, die den Körper des Piloten aus zahlreichen Winkeln aufnehmen. Aus dieser Datenmenge errechnet der Computer die Position meiner Hände und zeigt sie mir in Echtzeit an. So kann ich die Knöpfe und Schalter im Cockpit bedienen.
«Wie fühlst du dich?», fragt mein Instruktor. Nachdem ich wenig überzeugend mit «gut» geantwortet habe, höre ich seine Stimme wieder: «Ich übergebe dir nun den Steuerknüppel in deine rechte Hand. Drei, zwei, eins, you have control. Und dann fliegst du eine Linkskurve.»
Gesagt, getan. Ich drücke den Knüppel ganz leicht nach links und erkenne vor mir den Brienzersee und die Berner Alpen. Das Wetter ist immer noch wunderbar, die Sicht könnte besser nicht sein.
Aus Tag wird Nacht, dann Nebel
Doch auch das ändert sich im Simulator bedeutend schneller als in der Realität. In Sekundenschnelle lässt Luzi die Sonne untergehen. Die Lichter der Siedlungen unter mir müssen jetzt als Orientierungshilfe dienen – ich tippe mal auf Münsingen und Wichtrach.
Egal. So schnell, wie die Sonne untergegangen ist, steht sie wieder ganz oben am Himmel. Nur, wo sind die Dörfer und Strassen? Luzi hat ein hübsches, aber der Orientierung wenig zuträgliches Nebelmeer generiert. Um mich wenige Sekunden später mit einer ganzen Nebelwand zu konfrontieren. Hilfe!
Wenig später ist der virtuelle Nebel wieder dem Sonnenschein gewichen, und der Rückflug nach Bern-Belp steht an. Nase runter – das Tempo steigt. Eine leichte Linkskurve – da ist ja schon die Landebahn.
Jetzt nur noch eine saubere Landung. Mein Ehrgeiz meldet sich. Das kriegst du hin, du alter Haudegen. Wäre ja gelacht. Noch wenige 100 Meter.
Was passiert jetzt? Wieso wackelt das Ding so doll? Ich versuche, die Maschine zu stabilisieren. Gopf! Wieso geht das nicht? «Luzi, was mach ich falsch?»
Dann sehe ich schwarz. Und zwar im Wortsinn. In meiner VR-Brille herrscht Dunkelheit.
Ich bin zwar nicht gelandet, aber erlöst. Luzi hat das Programm gestoppt. Ich entledige mich der VR-Brille und des Kopfhörers und bin zurück auf dem Boden der Realität: Ich war so langsam unterwegs, dass ich in die Turbulenzen meines eigenen Helikopters geraten bin. Die dramatische Folge: Ich wäre wie ein Stein vom Himmel gefallen.
«Es ist nicht üblich, Flugschüler abstürzen zu lassen», erklärt mein Instruktor. «Doch das Trainingsgerät hat gerade den grossen Vorteil, Grenzsituationen aufzeigen zu können und diese zu üben. Da kann auch mal etwas schiefgehen, um daraus wertvolle Lehren zu ziehen.»
Für mich eine spielerische, enorm lehrreiche Erfahrung in einer dank Virtual Reality atemberaubend realistischen Umgebung. Im richtigen Leben wäre mein erster Flug auch mein letzter gewesen. Immerhin weiss ich jetzt: Das mit dem Tunnel und dem weissen Licht ist vermutlich Blödsinn. Es wird dunkel.