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Empa-Forscher Christian Bach am Sitz der Empa in Dübendorf. Ein rund 50-jähriger Mann mit Drei-Tage-Bart in hellem Polo-Shirt.

Forschen für die Energiewende: Christian Bach, Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme bei der Empa, mit der Zapfpistole der Wasserstofftankstelle auf dem Gelände der Forschungsanstalt. Foto: Sandro Compagno

Empa-Forscher im Interview

«Die Schweiz ist sehr privilegiert»

Klimawende funktioniert nur durch Energiewende. Empa-Forscher Christian Bach zur Zusammenarbeit der Schweizer Forschung mit dem Oman.

Forschen für die Energiewende: Christian Bach, Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme bei der Empa, mit der Zapfpistole der Wasserstofftankstelle auf dem Gelände der Forschungsanstalt. Foto: Sandro Compagno

Veröffentlicht am: 08.06.2023 – 11.37 Uhr

Herr Bach, Sie trafen sich am 12. Mai am Flughafen Kloten mit Salim al-Aufi, Omans Minister für Energie und Mineralien. Was war der Inhalt des Gesprächs?

Christian Bach, Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme bei der Empa: Ich durfte dem Minister ein Projekt vorstellen, das wir mit zehn Hochschulen und Forschungsinstitutionen zurzeit anbahnen. Unter anderem geht es dabei um synthetisches Methan, das in einer Grossanlage in Oman hergestellt werden könnte, um in der Schweiz fossiles Erdgas zu ersetzten. Wir haben aber auch über neue technologische Ansätze zur Produktion von erneuerbaren Energieträgern gesprochen.

Können Sie mir dazu ein konkretes Beispiel nennen?

Wir haben die sogenannte Co-Elektrolyse besprochen, an der Forschungsgruppen bei uns an der Empa gemeinsam mit dem Paul Scherrer Institut und der ETH in Lausanne forschen. Das Ziel ist, die Elektrolyse zur Aufspaltung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff und das bisher anschliessende Syntheseverfahren mit CO2 zur Herstellung von Methan oder anderen Energieträgern in einem einzigen Prozessschritt zu vereinen. Damit kann der Gesamt-Wirkungsgrad erhöht werden. Diese Technologie befindet sich aber erst in einem frühen Forschungsstadium.

Oman will riesige Solar- und Windanlagen in der Wüste bauen. Was plant das Sultanat konkret?

Oman hat im letzten Jahr entschieden, 50'000 km2 Wüstenfläche für die Produktion von erneuerbarer Energie bereitzustellen. Wüstenflächen sind diesbezüglich sehr interessant, weil man pro Quadratmeter Photovoltaikfläche fast doppelt so viel Strom erzeugen kann wie bei uns in Mitteleuropa. Zudem hat Oman dann die höchste solare Stromproduktion, wenn wir Winter haben. Schliesslich haben Wüstenregionen in Meernähe oftmals auch noch hohe Windenergiepotenziale.

Sind diese gigantischen Pläne realistisch?

50'000 km2 sind eine riesige Fläche - grösser als die Schweiz! Zum Vergleich: um den Bedarf der Schweiz an nachhaltigen Treibstoffen gemäss Energieperspektiven 2050+ des Bundesamtes für Energie zu decken, wäre in Oman eine Photovoltaikfläche von rund 500 km2 erforderlich – beziehungsweise eine Bodenfläche von 1'000 bis 1'500 km2. Oman hat zweifelsohne grosse Ziele und Pläne, aber genau solche braucht es, damit die Welt die Klimaziele erreichen kann.

Ein Kunstprojekt in der Wüste von Oman: Ein riesiger Bub mit einer Glühbirne, gemalt in den Sand. Im Hintergrund eine riesige Anlage mit Solarpanels.
Ibri2 ist die derzeit grösste Solaranlage im Oman mit einer Fläche von11'250 Quadratmetern. Foto: Saype

Es gab ähnliche Pläne bereits in der Sahara. Auch dort sind Sonne, Wind und Platz reichlich vorhanden. Die Pläne scheiterten. Was gibt Ihnen die Zuversicht, dass dies auf der arabischen Halbinsel anders ist?

Das Desertec-Projekt in der Sahara ist nicht an der Energieproduktion gescheitert, sondern am Transport des produzierten Stroms. In Oman wird die erneuerbare Energie aber nicht in Form von Strom transportiert, sondern der Strom wird vor Ort in chemische Energieträger umgewandelt; in Form von synthetischen Energieträgern wie Methan oder Methanol. Diese können vergleichsweise einfach transportiert werden.

Wäre es nicht sinnvoller, grünen Wasserstoff hier mithilfe von Solar-, Windenergie und Wasserkraft zu produzieren?

Natürlich müssen wir so viel wie möglich einheimische Energie produzieren und nutzen. Es ist aber schon sehr herausfordernd, ausreichend saubere elektrische Energie im Inland bereitzustellen. Um auch den Bedarf an nachhaltigen Treibstoffen bereitzustellen, fehlt das notwendige einheimische Potenzial. Zudem haben wir in der Schweiz und Europa eine sehr hohe Regulierungsdichte, was die Realisierung von Grossanlagen sehr anspruchsvoll macht.

Bezüglich Nachhaltigkeit gelten im Oman die gleichen Anforderungen wie bei uns

Christian Bach

Das ist in einem von einem Sultan regierten Staat wie Oman anders.

Bezüglich Nachhaltigkeit gelten die gleichen Anforderungen wie bei uns; aber Wüsten sind kaum besiedelt und dementsprechend ist die Realisierung von Grossanlagen einfacher. Oman ist ein sehr fortschrittliches Land im Mittleren Osten. Natürlich darf man das Land nicht 1:1 an unseren westlichen Massstäben messen. Aber es gibt Parallelen zwischen unseren Ländern: Die Schweiz und Oman sind beide relativ klein, sie sind neutral und sie haben einen grossen Nachbarn im Norden.

Wie unterstützt die Empa die Omani bei Ihren Plänen?

Im Moment läuft ein gegenseitiger Austausch. Andere Stellen wie beispielsweise die ETH Zürich, der Verein zur Dekarbonisierung der Industrie in Zug oder Energieversorger führen ebenfalls Gespräche mit Oman.

Was haben die Empa und die Schweiz davon?

Ich hoffe einerseits, dass es schnell gelingen wird, industrielle Grossanlagen für synthetische Energieträger zu realisieren, damit die Schweiz die Klimaziele erreichen kann. Und natürlich hoffe ich auch, dass die 50'000 km2 in Oman dereinst mit Anlagen von Schweizer Firmen wie Casale, Climeworks, Synhelion, Sulzer usw. ausgerüstet sein werden. Als Empa profitieren wir, indem wir Kontakte mit Staaten im Sonnengürtel knüpfen können, die uns Zugang zu deren spezifischem Knowhow über Wüstenregionen, der Energieproduktion und dem Energietransport ermöglichen.

Eine Studie des Strategieberatungsunternehmens Roland Berger aus dem Jahr 2021 beziffert die Menge an Wasserstoff, die Europa im Jahr 2050 braucht, mit 45 Millionen Tonnen. Schaffen wir das mit Wasserstoff vom persischen Golf?

Diese Menge an Wasserstoff könnte Oman prinzipiell alleine produzieren. Oman ist ein vergleichsweise kleines Land und der Sonnengürtel erstreckt sich von Neuseeland, Australien über den Mittleren Osten, Afrika/Südeuropa bis Zentral und Südamerika. Das zeigt: Wir haben global keinen Engpass an erneuerbarer Energie, aber wir brauchen die Energie in einer transportablen Form.

70 Prozent der Autos fahren pro Tag weniger als 40 Kilometer und stehen mehr als 23 Stunden

Christian Bach

Sie forschen seit Jahrzehnten an Fahrzeugantriebssystemen. Mit welchen Energieträgern werden Autos 2050 betrieben?

Man muss diese Frage vor dem Hintergrund des sich stark verändernden Energiesystems und der Energieversorgungsinfrastruktur sehen. 70 Prozent der Personenwagen fahren pro Tag weniger als 40 Kilometer und stehen mehr als 23 Stunden. Diese Strecken werden in Zukunft elektrisch gefahren werden. Da mit dem Ausbau der Photovoltaik grosse Mengen an Überschusselektrizität anfallen, brauchen wir aber auch Wasserstoffanwendungen, die solche Überschüsse nutzen können – schlechter Wirkungsgrad hin oder her. So produzierter Wasserstoff könnte im nationalen Güterverkehr zum Standard werden. Zudem werden wir synthetische Energieträger als saisonale Stromspeicherung, für industrielle Hochtemperaturprozesse und für den Flug- und Langstreckengüterverkehr benötigen.

Und Wirkungsgrade lassen sich verbessern, wie Ihre Forschung zur Co-Elektrolyse zeigt.

Richtig; heute liegen die Wirkungsgrade für die Herstellung synthetischer Energieträger bei rund 50 Prozent. Mit zukünftigen Technologien könnten diese auf über 60 Prozent erhöht werden. Gute Wirkungsgrade sind aber nicht alles. Wichtig sind auch die Flexibilität, die bei den verschiedenen Energieträgern unterschiedlich ist, die Transportfähigkeit oder die Resilienz der Versorgungspfade.

Vereinfacht gesagt: PW werden in Zukunft elektrisch sein, LKW mit Wasserstoff fahren und der Rest mit synthetischen, aus erneuerbaren Energien hergestellten Treibstoffen?

Stark vereinfacht, ja. Aber es wird auch viele LKW mit batterieelektrischem Antrieb geben und PW, die mit synthetischen Treibstoffen fahren. Ich denke da beispielsweise an die Oldtimer.

Ab 2035 sollen in der EU keine neuen Verbrenner mehr auf die Strasse kommen. Für wie realistisch halten Sie das?

Ich habe meine Zweifel. In der Schweiz wird die Elektrifizierung rasch voranschreiten, in Teilen von Europa dauert das sicher länger. Nicht, weil die Elektroautos das nicht könnten, sondern weil die Strominfrastruktur nicht ausreichend ausgebaut sein wird. Die EU hat deshalb richtigerweise beschlossen, dass Verbrenner ab 2035 nur noch in Verbindung mit synthetischen Treibstoffen auf den Markt gebracht werden können. Weltweit wird es 2035 immer noch weit über 1 Milliarde Verbrenner-Fahrzeuge auf der Strasse haben.

Wieso geht die Elektrifizierung in Teilen Europas langsamer als bei uns?

Wir haben in der Schweiz bereits ein sehr gutes Stromnetz. Dieses muss für die E-Mobilität, die Photovoltaik und für Wärmepumpen trotzdem ausgebaut werden. Gemäss Bundesamt für Energie wird das etwa 75 Milliarden Franken kosten. 45 Milliarden davon sind Ersatzinvestitionen, aber 30 Milliarden werden zusätzlich erforderlich sein. Die Schweiz kann sich das leisten und es existieren Mechanismen, wie dies finanziert und umgewälzt werden kann. In vielen europäischen Ländern ist der Ausbaubedarf viel höher und der Ausbau ist zudem noch an politische Prozesse geknüpft. Dort wird sich beispielsweise die Frage stellen: Wird das Geld in den Ausbau der Stromnetze, in die Altersvorsorge, die Bildung, den ÖV oder das Gesundheitswesen investiert? Die Schweiz ist in vielen dieser Bereiche sehr privilegiert – in vielen Ländern wird man sich viel mehr nach der Decke strecken müssen.

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