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ZSC-Trainer Marco Bayer

Marco Bayer in der Swiss-Life-Arena: «Ich bin nicht der Polterer, ich will die Spieler an der Hand nehmen.». Foto: Sabina Bobst

Der neue Trainer der ZSC Lions – Marco Bayer aus Dübendorf

Mit 52 bekommt er die Chance seines Lebens

Der Rücktritt Marc Crawfords war für ihn ein Schock, doch nun will Marco Bayer zeigen, dass auch er den Meister zum Erfolg führen kann. Dazu holt er Rat beim Kanadier.

Marco Bayer in der Swiss-Life-Arena: «Ich bin nicht der Polterer, ich will die Spieler an der Hand nehmen.». Foto: Sabina Bobst

Veröffentlicht am: 10.01.2025 – 09.00 Uhr

Das Restaurant Zett in der Swiss-Life-Arena ist an diesem Donnerstagmittag recht gut besetzt. Die Pizza Prosciutto scheint der Renner zu sein. Doch Marco Bayer hat schon gegessen und bestellt fürs Gespräch eine Apfelschorle. Als der Kellner das Getränk bringt, sagt er zum neuen Coach der ZSC Lions: «Gratuliere.» Dieser bedankt sich schmunzelnd.

Das Leben des 52-jährigen Dübendorfers wurde nach Weihnachten auf den Kopf gestellt. Er war nach dem Training mit den GCK Lions auf der Rückfahrt von Küsnacht zu seiner Wohnung bei Zürich, als ihn ZSC-Sportchef Sven Leuenberger anrief. «Er sagte, dass Crawford aus gesundheitlichen Gründen zurücktrete und er mich als Headcoach wolle. Im ersten Moment war ich geschockt, wegen Crawford. Ich hatte einen recht nahen Kontakt mit ihm gepflegt und keine Anzeichen wahrgenommen, dass es ihm nicht gut geht.»

Bayer: «Ich bin überzeugt, ich kann das»

Bayer bat Leuenberger, kurz seine Gedanken sortieren zu dürfen. Er fuhr nach Hause, ass etwas und tauschte sich mit seiner Frau aus. Dann rief er Leuenberger zurück und nahm den Job an. «Ich fühlte mich geehrt, dass sie an mich dachten und mir diese Chance bieten», sagt er. «Ich habe in meiner Trainerkarriere viele Erfahrungen gesammelt. Das ist der nächste Schritt. Und ich bin überzeugt, ich kann das.»

Von einem Tag auf den anderen war er mittendrin. Als die ZSC Lions am Montag, den 30. Dezember, ihr Training wieder aufnahmen, wurde er dem Team als der neue Headcoach vorgestellt.

«Die Spieler wussten von nichts, und Crawford wurde per Video zugeschaltet, um sich zu verabschieden. Mir war klar, dass jetzt für mich nicht der Zeitpunkt für grosse Reden war. Die Stimmung war bedrückt. Ich stellte mich kurz vor und sagte den Spielern, was von mir zu erwarten sei. Das war mein Einstieg.»

ZSC-Trainer Marco Bayer
Vom ersten Tag an mittendrin: Marco Bayer ist durch seinen neuen Job zur öffentlichen Figur geworden. Foto: Sabina Bobst

Viel Zeit, sich zu beschnuppern, bekamen das Team und sein neuer Coach nicht. Vom 3. Januar bis zum 3. Februar stehen 15 Partien an – fast jeden zweiten Tag wird gespielt. Darunter der Champions-League-Halbfinal gegen Servette. Der Start ist missglückt. Die ersten drei Spiele unter Bayer verloren die Zürcher: 2:4 bei Spengler-Cup-Sieger Fribourg, 1:2 im intensiven Spitzenkampf gegen Lausanne und 4:5 nach Penaltys in Kloten.

Nach dem aufwühlenden Derby gab Bayer den Spielern den Mittwoch frei. Heute geht es weiter in Langnau, morgen gastiert der EV Zug in der Swiss-Life-Arena.

Bayer muss damit leben, dass die Niederlagen mit seiner Person verknüpft werden und in Foren und Kommentaren zu ZSC-Artikeln diskutiert wird, ob er der Richtige sei. Ein Leser fragte nach dem Derby: «Hat Hans Kossmann keine Zeit?» Der Kanada-Schweizer führte die Zürcher 2018 als Nothelfer zum Titel.

Bayer ist auf einen Schlag eine öffentliche Person geworden. Als er nach dem Lausanne-Spiel leise Kritik an Denis Malgin übte, titelte der «Blick»: «Bayer begibt sich verbal aufs Glatteis.» Und «Watson» schrieb: «Die entscheidende Frage ist: Kann Bayer toben?»

Bayer liest nicht, was Journalisten schreiben

Aus seiner Zeit als Sportchef bei den SCL Tigers sei er es gewohnt, in der Öffentlichkeit zu stehen, sagt Bayer. «Aber natürlich ist das hier eine ganz andere Dimension. Zürich ist schweizweit die Nummer 1, die grösste Organisation mit viel Medieninteresse.»

Er selbst könne gut damit umgehen und lese ohnehin nicht, was geschrieben werde. «Aber für das Umfeld kann das belastend sein. Für meine Frau und meine Kinder. Die muss ich mit einbeziehen.»

Die drei Niederlagen zeigen, wie wenig es braucht, damit selbst ein Topteam wie die ZSC Lions aus dem Tritt gerät. Es traf die Spieler, dass Crawford plötzlich weg war. In seine Fussstapfen zu treten, ist keine einfache Aufgabe. Weniger, was das Taktische betrifft, sondern punkto Persönlichkeit und Ausstrahlung.

«Ich versuche nicht, jemanden zu kopieren», sagt Bayer. «Ich bin ich selber und überzeugt, dass ich mit meiner Art Erfolg haben kann. Ich bin für eine offene Kommunikation. Manchmal muss man die Dinge klar ansprechen, aber ich bin nicht der, der permanent verbal dreinschlägt. Zuckerbrot und Peitsche.»

Er bespricht die Spiele mit Crawford

Bayer pflegt sich nach den Spielen bis auf weiteres mit Crawford auszutauschen. Der Kanadier schaut sich die Partien zu Hause in Vancouver per Video an. «Es sind sehr sachliche Gespräche», sagt Bayer. «Mir ist dieser Austausch wichtig, denn Crawford kennt die Mannschaft in- und auswendig. Er hat unglaublich viel Erfahrung, und ich hole in gewissen Situationen seine Meinung ab. Mir fällt da kein Zacken aus der Krone. Er gibt mir sein Feedback, und ich kann daraus ziehen, was ich will.»

Als Spieler prägten den Dübendorfer die Coachs Arno Del Curto und Alpo Suhonen am meisten. Der Engadiner holte ihn 1992 zum ZSC, mit Suhonen wurde Bayer in Kloten 1995 und 1996 Meister. «Arno war seiner Zeit voraus mit dem Eishockey, das er spielen wollte. Mit viel Puckbesitz, schnellem Umschalten, Speed und Intensität. Und auch die Art, wie er mir gegenüber auftrat, beeindruckte mich», schwärmt Bayer.

«Alpo stelle ich auf die gleiche Stufe. Er ist auch auf den Menschen eingegangen. Seine Tür war immer offen, und das ist meine auch. Ich bin nicht der Polterer, ich will die Spieler an der Hand nehmen.»

ZSC-Trainer Marco Bayer
Er will eine offene Kommunikation pflegen: Marco Bayer, hier mit Captain Patrick Geering. Foto: Sabina Bobst

15 Jahre nachdem er als Assistent von Christian Weber bei den SCL Tigers seine Coaching-Karriere lanciert hat, kann Bayer nun seinen Stil als Chefcoach auf höchstem Niveau anwenden. Er führte die Schweizer U-20 an drei Junioren-Weltmeisterschaften, war zweimal Assistent im A-Nationalteam (2021, 2022), wurde 2016 mit dem SC Bern als Assistent von Lars Leuenberger Meister und führte zuletzt die GCK Lions in den Final der Swiss League.

Als er 2023 zu den GCK Lions kam, nahm er in Kauf, die meiste Zeit von seiner Frau getrennt zu sein. Sie blieb in ihrem gemeinsamen Haus im Kanton Bern wohnen und arbeitet in Langnau. Die drei Kinder im Alter von 22, 27 und 30 sind bereits ausgezogen. Normalerweise fährt er während der Saison einmal pro Woche nach Hause, um seine Frau zu sehen. Selbst dazu wird es aktuell wohl nicht reichen.

Mit 52 hat er die Chance seines Lebens bekommen. Und er tut alles, um sie zu nutzen.

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