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FC Schwerzenbach Meistertitel 1999

Jubel, Trubel, Meisterparty: Die Schwerzenbacherinnen feiern ihren Titelgewinn 1999. Foto: PD

Oberländer Sportmomente (4)

Wie die Frauen des FC Schwerzenbach ihren grossen Coup landeten

Vor 25 Jahren gewannen die Schwerzenbacher Frauen ihren ersten und einzigen Meistertitel. Mit dem Titel der Amateurinnen schmückt sich heute ein Profiklub.

Jubel, Trubel, Meisterparty: Die Schwerzenbacherinnen feiern ihren Titelgewinn 1999. Foto: PD

Veröffentlicht am: 22.11.2024 – 06.18 Uhr

Man stelle sich das heutzutage einmal vor: Da gewinnt eine Fussballmannschaft einen nationalen Meistertitel – und im Internet ist kaum etwas darüber zu finden. 1999 war man noch nicht rund um die Uhr online, Internet-Newsportale gab es noch kaum, geschweige denn Smartphones oder Social-Media-Plattformen.

Wer herausfinden will, wie die Frauen des FC Schwerzenbach den ersten Schweizer-Meister-Titel ihrer Klubgeschichte vor 25 Jahren genau bewerkstelligten und vor allem auch feierten, der schaut im weltweiten Netz in die Röhre.

Doch auch in den nationalen Medien war der Titel damals höchstens eine Randnotiz. Die Agentur Sportinformation jedenfalls publizierte am 11. Juni 1999 eine Meldung von keinen tausend Zeichen Länge: «Das Frauenteam des FC Schwerzenbach hat im vorgezogenen letzten Meisterschaftsspiel auswärts Malters 4:1 (2:0) bezwungen und damit den nötigen Punkt errungen, um erstmals den Schweizer-Meister-Titel zu gewinnen. Die bisherigen Titel in der Frauen-Meisterschaft der 1990er Jahre gingen ausschliesslich an Bern (4) und den SV Seebach (5).»

Etwas ausführlicher berichtete damals natürlich der «Zürcher Oberländer» – aber in Form staubtrocken erfüllter Chronistenfplicht, und nicht etwa in Jubelstürme ausbrechend. «Schwerzenbach Schweizer Meister» steht über den rund 2000 Zeichen Text, in denen die FCS-Frauen als «das weibliche Gegenstück zu Servette – mit dem Unterschied freilich, dass die Schwerzenbacherinnen praktisch gratis spielen» – bezeichnet werden.

Ein Abend im Festzelt statt eine Meisterprämie

Tatsächlich: Der Frauenfussball von damals ist strukturell nicht mit jenem von heute zu vergleichen. Die Männer-Profiklubs engagierten sich noch nicht. Die NLA bestand neben Schwerzenbach und den langjährigen Spitzenteams Bern und Seebach unter anderem aus Klubs wie Sursee, Giubiasco, Malters, Bad Ragaz. Alle waren sie Amateurinnen – und blieben das im Moment des grössten Erfolgs auch. «Ein fröhlicher Abend im Festzelt war der Lohn. Und natürlich eine Medaille», erinnert sich Kathrin Lehmann.

Die heute 44-Jährige, die unter anderem als Fussballexpertin bei Radio SRF tätig ist, war damals 19 und bereits Stammkeeperin im Nationalteam. Und obwohl sie in ihrer zweigleisigen Karriere als Fussballtorhüterin und Eishockeystürmerin danach noch mehrere grosse Erfolge feierte, war der Meistertitel mit den Schwerzenbacherinnen für sie speziell. Es war zwar nicht ihr erster nationaler Titel – aber ein prägender. «Das war eine unfassbar lässige Mannschaft. Wir waren charakterlich unglaublich stark.»

FC Schwerzenbach Meistertitel 1999
Eine Equipe mit grossem Zusammenhalt: Teamfoto inklusive Meisterpokal. Foto: PD

Lehmann, die im selben Jahr Schweizer Fussballerin des Jahres wurde, war eine prägende Figur des Teams. Eine andere war Innenverteidigerin Katja Aeschlimann, damals Captain der Nationalmannschaft. Und vorne war auf die langjährige Topscorerin Maike Slater Verlass.

Trotzdem: Für die Saison 1998/1999 galt die Equipe höchstens als Geheimfavorit, nachdem die Schwerzenbacherinnen Vierte geworden waren und sich mit einigen Nationalspielerinnen von Absteiger St. Gallen verstärkt hatten. Das Team war sehr jung – das Durchschnittsalter lag bei knapp 21 Jahren –, aber durchaus schlagkräftig und mischte schnell an der Spitze mit.

Ein Dämpfer war die letzte Partie vor der Winterpause, in der Schwerzenbach gegen Rekordmeister Seebach 2:3 verlor und auf den dritten Tabellenrang abrutschte. Danach trennte sich der Klub von Trainer Frank Kolsek – aber nicht etwa wegen dieser Niederlage, sondern aufgrund von «Kommunikationsproblemen zwischen dem Verantwortlichen und den Spielerinnen», wie es damals hiess.

Der Kater und der Mathematiklehrer

Die Nachfolge übernahm Roger Stampfli. Das dürfte mit ein Grund dafür gewesen sein, weshalb der FCS in der Rückrunde unter anderem mit sieben Siegen in Serie doch noch an den favorisierten Teams Bern und Seebach vorbeizog.

Wer nun glaubt, Stampfli – der zuvor übrigens hauptsächlich Schiedsrichter war – hätte den Schwerzenbacherinnen mit gewieften taktischen Massnahmen zum Erfolg verholfen, ist auf dem Holzweg. Zumindest laut dem Erinnerungsvermögen von Lehmann: «Er sagte uns: ‹Was auf dem Platz passiert, dafür seid ihr verantwortlich. Ich mache den Rest. Aber wir halten zusammen.›» Stampfli habe das Team dermassen zusammengeschweisst, dass «wir nicht mehr anders konnten, als einfach alles zu geben».

Für Lehmann war es rückblickend eine der besten Saisons ihrer Karriere, die sie danach mit dem Wechsel in die Bundesliga so richtig lancierte. Und sie erinnert sich vor allem noch an die Festivitäten in den Tagen nach dem entscheidenden 4:1-Sieg gegen Malters. Feierlichkeiten waren ohnehin geplant, weil der Klub just an diesem Wochenende sein 25-Jahr-Jubiläum beging – und deswegen auch das Spiel in Malters vorverlegte.

Im Festzelt auf dem Schwerzenbacher Zimikerriet ging es danach hoch zu und her. Lehmann war damals Gymi-Schülerin, und am Samstagvormittag wäre bei ihr unter anderem eine Doppellektion Mathematik auf dem Stundenplan gestanden. Ihr Fokus lag aber auf den Feierlichkeiten, zu denen auch ein Spiel gegen Alt-Internationale am Sonntag gehörte. «Ich stand leicht verkatert im Tor – und als ich mich einmal umdrehte, steht da mein Mathematiklehrer, lacht mich an und sagt: ‹Herzlichen Glückwunsch, feiern Sie gut weiter, Sie machen das richtig.›»

Nun schmückt sich GC mit dem Schwerzenbacher Titel

Es sollte der einzige Meistertitel für den FC Schwerzenbach bleiben und der grösste Erfolg neben den beiden Cup-Siegen 1992 und 2003. Sogar das Double wäre im Sommer 1999 drin gelegen, doch die Schwerzenbacherinnen verloren den Cup-Final auf dem Effretiker Eselriet im Penaltyschiessen gegen Bern.

Unterdessen gibt es keinen Frauen-Spitzenfussball mehr im FC Schwerzenbach. 2006 spaltete sich die Frauenabteilung vom Stammverein ab, spielte in der Saison 2007/2008 als FFC United Schwerzenbach – und gewann gleich den Cup. Eine Integration der Frauenequipe des FC Pfäffikon war erst geplant, wurde später aber wieder verworfen.

Lange hatte der neue Vereinsname nicht Bestand. Eine Zusammenarbeit mit den Grasshoppers führte zum Namen GC/Schwerzenbach, den das Team nur in der Saison 2008/2009 trug. Danach wurde der Verein komplett in den Grasshopper Club Zürich integriert – und Schwerzenbach verschwand aus dem Frauen-Spitzenfussball. Nun ist der Meistertitel der Schwerzenbacherinnen von 1999 genauso wie die drei Cup-Siege im Palmarès der GC-Frauen – als einzige Titel des Vereins.

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