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Dübi Nico Kammermann gegen FF Torwart Daniel Styger

Mit Tordrang: Nico Kammermann ist einer der wenigen verbliebenen EHCD-Spieler aus der letzten Saison. Archivfoto: Christian Merz

Nach dem Abstieg in die 1. Liga

Dübendorf will mit Demut aus der Asche

Nach dem Abstieg aus der MHL hat der EHC Dübendorf einen Neuaufbau hinter sich. Vom Aufstieg redet man im Glattal nicht – noch nicht.

Mit Tordrang: Nico Kammermann ist einer der wenigen verbliebenen EHCD-Spieler aus der letzten Saison. Archivfoto: Christian Merz

Veröffentlicht am: 19.09.2023 – 11.09 Uhr

Es war wie ein Erdbeben. Am 14. März stieg der EHC Dübendorf aus der höchsten Amateurliga MHL ab – und danach schien alles in Schutt und Asche. Die Konkurrenz rieb sich verwundert die Augen mit einem Gefühl zwischen Schadenfreude und Schock. Und im EHCD stand man vor einem Scherbenhaufen. 14 Abgänge teilte der Klub mit – anders gesagt: Er hatte eigentlich keine Mannschaft mehr.

Unterdessen haben sich die Staubwolken verzogen, die Aufräumarbeiten sind durch, der Neuaufbau hat begonnen.

Am Samstag starten die Dübendorfer mit einem Heimspiel gegen die Argovia Stars in die Erstliga-Saison. Wo stehen sie? Wie sind sie aufgestellt? Und was erwarten sie von sich selber? Eine Bestandesaufnahme.

Das Team

Manche Social-Media-Kommentatoren sahen im Frühling rabenschwarz: Die Dübendorfer würden nur noch mit Junioren antreten. Sie müssten Desperados und Wandervögel ohne Erfahrung in höheren Ligen engagieren. Und nach dieser Saison wolle ja ohnehin kein arrivierter Spieler nach Dübendorf wechseln.

Eingetroffen ist: nichts von alledem. 22 Feldspieler und 3 Torhüter figurieren auf der offiziellen Kaderliste. Dazu haben vier Spieler der Lions U20-Elit in Dübendorf ihre A-Lizenz. Genug Breite ist vorhanden – und um die Qualität ist es auf dem Papier nicht schlecht bestellt.

In der Verteidigung bringen nicht nur die bisherigen Sergio Piai und Fabian Hurter MHL-Erfahrung mit, sondern auch Rückkehrer Mike Breiter, der Bülacher Ari Birchler sowie die von Frauenfeld gekommenen Lucas Jörg und Lars Spillmann. Und in der Offensive sind mit Spielern wie dem neuen Captain Dominik Hardmeier, Jari Allevi, Alessio Pozzorini oder Damon Puntus potenzielle Leader in Dübendorf geblieben.

Und auch hier haben MHL-erfahrene Neuzugänge den Weg in den «Chreis» gefunden. Jann Bettinaglio aus Seewen etwa, oder die beiden Frauenfelder Lukas Schläppi und Timo Brauchli, aber auch Oliver Steiner, der letzte Saison mit Wil Erstliga-Meister wurde. Das Durchschnittsalter liegt bei etwas über 24 Jahren – Routine fehlt einzig auf der Torhüterposition nach dem Rücktritt von Remo Trüb. Raphael De Boni (21) und Noah Paixao (20) dürften sich ein Duell um die Nummer 1 liefern.

Zentral war bei allen Spielergesprächen vor allem die Einstellung: «Feuer», «Hunger» und «Charakter» sind Worte, die EHCD-Sportchef Urs Wüst immer wieder erwähnt. Der Neuaufbau im EHCD soll auch mit einem Mentalitätswandel einhergehen.

Der Staff

Die Trainerfrage wurde im Umfeld zwar heiss diskutiert – aber der Klub hatte Reto Stirnimann bereits mehrere Wochen vor dem Abstieg den Rücken gestärkt und den Vertrag ligaunabhängig verlängert – auch, weil der Ex-Stürmer nicht nur das Fanionteam betreut, sondern im Nachwuchs und in der Administration aktiv ist.

Auf Verständnis stiess das nicht überall, Stirnimanns ruhige Art wurde ihm gerade im Abstiegskampf negativ ausgelegt. Ob aber ein Vulkan statt eines Ruhepols an der Bande geholfen hätte?

Tatsache ist: Eine Auffrischung gab es im Trainerstab nun doch auch. Der langjährige Assistent Christian Krähenbühl hat aufgehört – anstelle des Berners steht nun mit Paul Berri ein weiterer Davoser an der Bande.

Einer, den man auch als Kontrapunkt zu Stirnimann bezeichnen könnte: Laut, deutlich, direkt. Das Bild von Zuckerbrot und Peitsche liegt nah – ein Faktor, der zuletzt womöglich fehlte. Und mit Andreas Laager figuriert neuerdings ein Goalietrainer im Staff, der die jungen EHCD-Keeper bereits kennt.

Die Vorbereitung

Schon vor dem Abstieg war den EHCD-Verantwortlichen etwas klar geworden: Mehr Trainings müssen her. Vor, aber auch während der Saison. Das haben sie in die Tat umgesetzt.

Während der Saison sind die Dübendorfer inklusive der Spiele fünfmal pro Woche auf dem Eis. Und laut Sportchef Wüst war die Pace schon den Sommer über ziemlich hoch. «Die Jungs machen super mit. Wir haben klar kommuniziert, dass wir das umsetzen wollen, und jeder hat, ohne mit der Wimper zu zucken, zugesagt.»

Testen wollte der Klub ursprünglich gegen MHL-Equipen, rückte aber nach dem Abstieg rasch davon ab. Nun waren hauptsächlich Erstligisten die Gegner – um die Konkurrenz bereits kennenzulernen. Und die Resultate sehen dabei bisher durchaus verheissungsvoll aus: Der EHCD siegte der Reihe nach gegen Herisau (7:0), Wil (3:1), Wetzikon (5:2), die Argovia Stars (4:0) und Burgdorf (4:1). Überbewerten möchte Wüst die Resultate nicht, doch er sagt: «Das sind Schritte auf dem Weg, Fuss zu fassen in der Liga.»

Die Ambitionen

Fuss fassen in der Liga, erst einmal ankommen, sich zurechtfinden – beim EHC Dübendorf tönt es wie bei wohl jedem andern Absteiger. Demut ist angesagt – auch an die Adresse des Teams. Denn mit Hochmut dürfte auch in der 1. Liga kein Blumentopf zu gewinnen sein.

Fragt man Sportchef Wüst nach den Saisonzielen, sagt er aber doch vorsichtig optimistisch, dass man sich wohl «ein Stück weit nach vorne» orientieren möchte. Einen Platz in der vorderen Hälfte nach der Qualifikation nennt er als Ziel – wichtig ist aber vor allem die Entwicklung: Das neu formierte Team hat sich bereits gefunden – es soll aber noch mehr zum Team werden und einen Steigerungslauf hinlegen, sodass «wir in der Schlussphase das Bestmögliche herausholen können». Das kann eine Phrase sein – man kann es aber auch als versteckte Kampfansage deuten.

Liegen die Ziele intern womöglich doch höher, als nur in der Liga anzukommen? Mittelfristig sicher – es ist nicht so, dass der EHCD seine Ambition, zu den besten Amateurklubs des Landes zu gehören, beerdigt hat. Wüst jedenfalls hat Gefallen gefunden am Neuaufbau, der nicht nur für ihn mit einer Achterbahn der Gefühle verbunden war. Nun sagt er: «Ich bin tiefenentspannt.» Die Konkurrenz hört das womöglich nicht gern.

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