Am Samstag startet der EHC Dübendorf in die Abstiegsrunde. Es ist eine Sensation im negativen Sinn: Letztmals verpassten die Dübendorfer nämlich in der Saison 1996/1997 die Erstliga-Playoffs. Den Klassenerhalt schafften sie, obwohl sie die Qualifikation als 11. auf einem der damals zwei Abstiegsplätze beendet hatten.
26 Jahre später ist die Ausgangslage für den EHCD ganz ähnlich: Wieder ist er Zweitletzter. Mit einem Vorsprung von zwei Punkten auf den EHC Frauenfeld nehmen die Dübendorfer die Abstiegsrunde in Angriff, in der es nur um etwas geht: Den Abstieg verhindern, indem man nicht Letzter wird.
Trainer Reto Stirnimann kennt den Abstiegskampf – mit Ambri-Piotta musste er sowohl als Spieler als auch als Assistenztrainer in die Ligaqualifikation. Was es in dieser Situation braucht, weiss er: «Sich nicht verrückt machen lassen, ruhig bleiben, zusammenstehen.» Das will er nun auch seinen Spielern vermitteln.
Sechs Niederlagen in Serie zum Ende der Qualifikation besiegelten den Gang in die Abstiegsrunde. Alarmierend ist vor allem: Sowohl punkto Torausbeute als auch punkto Gegentoren gehört der EHCD nicht zu den besten acht Teams der Liga. Die Gegentorquote war mit 3,09 kassierten Toren pro Spiel zum Ende der Qualifikation so hoch wie noch nie in dieser Saison – dabei war die Defensive über Jahre die grosse Stärke des EHCD.
Stirnimann sagt, das bereite ihm keine Bauchschmerzen. Überhaupt findet er, von 32 Qualifikationsspielen seien 29 «gut bis sehr gut» gewesen – man habe sich allerdings nicht belohnt. «Wir nutzten unsere Chancen nicht, wir verteilten Geschenke und wir bestraften die Fehler der Gegner nicht.»
Genau gleich tönte es bereits bei Hälfte des Pensums Ende Oktober, als Dübendorf noch knapp auf Playoff-Kurs lag. Im Dezember rutschte der EHCD dann unter den Strich – und überraschte alle, indem er den Vertrag mit Stirnimann verlängerte; ligaunabhängig notabene. «Die Spieler arbeiten nicht gegen den Trainer», sagte Sportchef Urs Wüst. Und gab gleichzeitig bekannt, dass nach der Saison ein grosser Umbruch bevorsteht: «Mehrere designierte Leader haben frühzeitig entschieden, dass dies ihre letzte Saison in der MHL sein soll und sind davon ausgegangen, dass der EHC Dübendorf die Playoffs sicher erreichen wird.»
Ein Mentaltrainer sollte helfen, die Blockade zu lösen. Das schien zu funktionieren, die Equipe legte eine Siegserie hin und bezwang unter anderem den damaligen Leader Chur. Zwei knappe und unglückliche Niederlagen in Arosa in Meisterschaft und Cup läuteten dann aber die nächste Negativserie ein. Stirnimann skizziert das Bild eines Teams, das alles probiert, sich verausgabt – und immer wieder Rückschläge kassiert. «Das frustriert», sagt der Trainer.
Der Klub ist Opfer seines eigenen Erfolges
Das Problem liegt nicht an fehlender Qualität im Team, sondern im Kopf. Der EHCD ist quasi Opfer seines eigenen Erfolges geworden – aus dem Spitzenteam wurde plötzlich ein Abstiegskandidat.
Um das zu verstehen, muss man einige Jahre zurückblättern: Seit dem Jahr 2000 hat der EHCD noch nie eine Qualifikation in der Erstliga-Ostgruppe ausserhalb der Top 4 beendet. Als es darum ging, eine überregionale Amateurliga zwischen Swiss League und 1. Liga einzuführen, war der EHCD eine treibende Kraft – und holte 2017 prompt den ersten Meistertitel.
Dieser zementierte den Ruf Dübendorfs als Amateur-Spitzenteam. Und er sorgte im Klub für die Gewissheit, dass man auch in der neuen Liga hohe Ambitionen verfolgen kann ohne riesigen Mehraufwand.
Unterdessen hat Dübendorf zwar den Ruf noch. Doch die Konkurrenz hat den Klub überholt. Und dabei geht es nicht einmal um das Budget. Diesbezüglich – offizielle Zahlen gibt es nicht – dürfte der EHCD zum Mittelfeld gehören. Doch während die Konkurrenz dreimal pro Woche trainiert und teils Einheiten über Mittag anbietet, hielt man in Dübendorf an zwei Trainings pro Woche fest und damit am selben Aufwand wie zu Erstliga-Zeiten. Bisher schien das ja auch zu reichen.
Die sportliche Krise führte zu einem Sinneswandel, im Dezember hiess es, künftig werde auch auf Wunsch der Spieler ein drittes Training eingeführt. Umgesetzt wurde das auf freiwilliger Basis, ab nächster Saison ist es verpflichtend.
Allerdings: Für den EHCD war der vergleichsweise geringere Aufwand ein Verkaufsargument – er lockte so Spieler an, die das Potenzial für höhere Ligen mitbringen, aber keinen hohen Aufwand betreiben wollen. Dieses Dilemma löst sich mit dem anstehenden Umbruch wohl bald selber.
Der Hauptgegner ist im Hoch
Die Ausgangslage für die Abstiegsrunde ist heikel. Bülach (44 Punkte) und Franches-Montagnes (40) stehen dem Ligaerhalt schon sehr nahe. Dübendorf (33) hingegen droht schon heute Samstag im Direktduell mit Frauenfeld (31) der Fall auf den Abstiegsplatz.
Die Thurgauer konnten sich als Aufsteiger eine Saison lang auf diese Situation vorbereiten. Für Dübendorf hingegen ist der Abstiegskampf ein Fremdwort. Und der Trend spricht gegen den EHCD: Frauenfeld gewann drei der letzten vier Spiele – darunter war ein 5:1-Sieg im «Chreis».
«Wir haben es in den eigenen Händen», sagt Stirnimann. Dieser Satz wird in jedem Fall auch nach dem Startspiel gegen Frauenfeld gelten. Der Coach wird bei einer Niederlage nicht panisch werden und bei einem Sieg nicht euphorisch – das ist sein Naturell.
Er versprüht Zuversicht, zeigt sich zufrieden mit den letzten Tagen, in der sich das Team auf die entscheidende Phase vorbereitete – notabene erneut mit dem Mentaltrainer. Nun müssen aber Resultate auf dem Eis her. Denn gute Spiele ohne Lohn helfen nicht weiter, wenn man abgestiegen ist.
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