Mitbestimmen bei Temporeduktionen – schon wieder? Das Déjà-vu mit Blick auf Plakate, Flyer und die Auseinandersetzung in den Leserbriefspalten kommt nicht von ungefähr. Erst im Juni 2023 hatten die Dübendorfer über eine gleichnamige SVP-Initiative abgestimmt; nach einem emotionalen Abstimmungskampf legten 54,2 Prozent der Stimmberechtigten ein Ja in die Urne.
Dass die Dübendorfer nun am 18. Mai erneut über das Thema befinden, liegt daran, dass die Initiative in Form einer allgemeinen Anregung abgefasst war. Heisst: Nachdem das Volk der Forderung der Initiative an der Urne grundsätzlich zugestimmt hatte, musste der Stadtrat eine Umsetzungsvorlage ausarbeiten, die der Stossrichtung der Initiative entspricht.
Und die sieht vor, dass der Stadtrat sämtliche Temporeduktionen auf Gemeindestrassen als referendumsfähigen Beschluss dem Parlament vorlegen muss. Auch bei einem Ja des Gemeinderats könnte demnach ein Drittel der Ratsmitglieder eine unliebsame Tempo-30-Zone an die Urne bringen. Auch dem Volk wäre es möglich, mittels 150 Unterschriften das Referendum zu ergreifen. Für diese Änderung ist eine Anpassung der Gemeindeordnung nötig.
Schulterklopfen für den Stadtrat
Doch wie sieht nun die Umsetzungsvorlage des Stadtrats aus? Eine deutliche Mehrheit der Geschäfts- und Rechnungsprüfungskommission (GRPK) und der Fraktionen war an der Gemeinderatssitzung vom letzten November der Meinung, dass der Vorschlag der Stadtregierung dem Inhalt der Initiative entspricht. Und von der SVP gab es sogar ein «sehr gut». Also alles nur eine Formsache?

Mitnichten. Denn die meisten Parteien unterstützten die Vorlage lediglich aus demokratie- und staatspolitischen Überlegungen, also um den im Juni 2023 geäusserten Volkswillen beziehungsweise das Ja zur Initiative zu respektieren. Zum Inhalt hingegen gab es an der November-Sitzung ein klares Nein. Und schon war man wieder mitten in der Diskussion mit bekannten Argumenten.
«Eine Geldverjubelung»
Während die Mitte/EVP lediglich auf ihre unverändert ablehnende Haltung hinwies, geisselten FDP und GEU/GLP die Kompetenzverschiebung vom Stadtrat hin zum Parlament – und den damit verbundenen «massiv steigenden administrativen Aufwand». Mittlerweile haben die Dübendorfer Liberalen allerdings Stimmfreigabe beschlossen.
Weder inhaltliche noch formelle Unterstützung erhielt die Umsetzungsvorlage von linker Seite – man vertrete die 46 Prozent der Stimmberechtigten, die im Juni 2023 die Initiative abgelehnt hätten, war zu hören. Julian Croci (Grüne) sagte, die Umsetzungsvorlage sei zu restriktiv, «zu sehr Bürokratiemonster».
Er wie auch Christian Gross (SP) verwiesen auf eine rund 20 Meter lange Tempo-30-Strecke auf dem Zwicky-Areal, die bereits nach den neuen Regeln umgesetzt wurde. Das sei eine «Verschwendung von Ressourcen» gewesen, eine «Geldverjubelung». Gross sagte, es grenze an Willkür, wenn die «bewährte Art von Zusammenarbeit» zwischen Regierung, Parlament und Volk über den Haufen geworfen werde.
Für einmal entspannt zeigte sich an jenem Abend die SVP – im Wissen, dass das Parlament in Erklärungsnot geriete, wenn es die Umsetzungsvorlage ablehnen und damit den Volksauftrag ignorieren würde. So beliess es Gemeinderat Patrick Walder als Vertreter des Initiativkomitees im Wesentlichen dabei, die Chance hervorzuheben, künftig vertieft über Temporeduktionen zu diskutieren. «Das wäre gerade hinsichtlich der Einführung von Tempo 30 im Zentrum nötig gewesen.»