Im Süden des Kantons hat man Mitte Januar nochmals einen verzweifelten Versuch unternommen. «Wehren Sie sich mit uns!», forderte der Verein Flugschneise Süd – Nein (VFSN) am 16. Januar auf seiner Website. Mit einem dringlichen Aufruf bat die Gruppierung, die sich seit 2002 gegen Überflüge in der südlichen Region stemmt, ein Signal an das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) zu senden. Sie hatte dazu eine vorgefertigte Stellungnahme zum Download bereitgestellt.
Stein des Anstosses (Achtung, Zungenbrecher): der neue Entwurf des Objektblatts Sachplan Infrastruktur der Luftfahrt (SIL) für den Flughafen Zürich. Es ist ein vom Bund festgelegtes Dokument, welches wesentliche Rahmenbedingungen des Betriebs in Kloten regelt.
Geradeaus über Dübendorf und Witikon
Was nun geplant ist, schmeckt vielen im Süden gar nicht. «Mit dieser Änderung will man die Starts über die Stadt Zürich einführen», ärgert sich ein VFSN-Mitglied, welches heute in Witikon wohnt und seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Der Südstart ab Piste 16 würde geradeaus über Opfikon, Dübendorf und Witikon erfolgen, bevor die Mehrheit dieser Flüge dann nach Osten in Richtung Uster abdrehen würde.
Anders beim Südstart nach rechts, dort würde nach dem Abheben in Richtung Westen nach Weiningen geflogen.

«Mit solchen Abflugrouten würde man das am dichtesten besiedelte Gebiet der Schweiz überfliegen. Ein unannehmbares Sicherheitsrisiko, das zudem für viele Menschen zu enorm mehr Lärmbelastung führen würde», kritisiert der Witiker.
Im SIL ist festgehalten, dass die Starts nur bei Bise und bei Nebel stattfinden sollen – also insgesamt nur an etwa zehn Prozent aller Tage. Doch das überzeugt den Kritiker nicht: «Wenn solche Flugrouten erst einmal genehmigt sind – auch wenn nur an wenigen Tagen –, ist es viel einfacher, das nachträglich auf andere Situationen auszuweiten.»
Kritik an fehlenden Verhandlungen mit Deutschland
Ähnlich sieht das Adolf Spörri. «Wehret den Anfängen!», mahnt das VFSN-Mitglied, welches zudem auch das Präsidium der Stiftung gegen Fluglärm innehat. «Wenn es tatsächlich darum ginge, die Kapazität an den Bisen- und Nebeltagen zu erhöhen, damit sich über den Tag keine Verspätungen kumulieren, gäbe es andere Möglichkeiten», ist er überzeugt. Man könnte etwa den Flugplan ausdünnen und die Slots zeitlich neu regeln.
Noch wichtiger fände er aber, wenn die Schweiz sich wieder mit Deutschland an den Verhandlungstisch setzen würde. Spörri spricht damit ein leidiges Kapitel im Fluglärmstreit mit dem nördlichen Nachbarn an.
2003 hatte Deutschland einseitig die sogenannte Durchführungsverordnung beschlossen. Diese beschränkt Anflüge über deutsches Gebiet im Zeitraum zwischen 6 und 7 Uhr und ab 21 Uhr am Abend. «Das ist besonders stossend, weil in den durch Deutschland verhängten Sperrzeiten mehrheitlich Flugzeuge des deutschen Lufthansa-Konzerns, wozu auch die Swiss gehört, landen und starten.» Spörri ortet daher ein Versagen auf Bundesebene. «Es kann nicht sein, dass man keine neuen Verhandlungen aufnimmt, stattdessen aber neue Starts über dicht besiedeltes Gebiet plant.»

Der VFSN befürchtet, dass die Betriebszeit durch die Hintertür fest verankert wird und die halbe Stunde bis 23.30 Uhr nicht mehr als Verspätungsabbau dient, sondern als reguläre Betriebszeit. Ebenfalls gefordert wird die Sistierung des SIL-Verfahrens, bis die neuen Lärmgrenzwerte vorliegen. Diese Forderungen haben auch zahlreiche Gemeinden übernommen.
Bazl sieht viele Vorteile
Das Bundesamt für Zivilluftfahrt interpretiert die Situation anders. Das Amt streicht heraus, dass im neuen Bisenkonzept mehr Flugbewegungen pro Stunde möglichen wären. Dadurch soll vermieden werden, dass an solchen Tagen Verspätungen im Flugplan entstehen, die nicht mehr abgebaut werden können. Das neue Konzept soll dadurch Fluglärm am Abend vermindern.
Weiter betont das Bazl, dass das heutige Bisenkonzept das am wenigsten sicherste ist. Es umfasst neun Kreuzungspunkte. Mit dem neuen Konzept könnten diese beseitigt werden.
Aber: Der Lärm würde sich an diesen Tagen anders verteilen. «Durch den Wegfall der Starts auf den Pisten 10 und 16 werden Kloten, Dietlikon und Bassersdorf bei Bise entlastet. Neu überflogen werden dagegen die Nordquartiere der Stadt Zürich, Gockhausen, Zumikon und Uster.»
Ähnlich argumentiert das Bazl auch bei den Starts nach Süden wegen Nebel. Hier würde allerdings primär auch das Furttal von weniger Lärm bei Nebel profitieren.
Neu ist die Idee der Südstarts übrigens nicht. Der Flughafen Zürich hat sie schon als Teil des Betriebsreglements 2017 beantragt. Das Verfahren zur Genehmigung wurde jedoch aufgrund eines Bundesverwaltungsgerichtsurteils 2021 sistiert.
Entscheid kann nicht angefochten werden
Die Frist zur Einreichung einer Stellungnahme endete für die Bevölkerung am 30. Januar. Den Gemeinden und Planungsregionen bleibt noch bis zum 14. Februar Zeit, dem Kanton bis Mitte März. Die Rückmeldungen und Einwendungen werden anschliessend vom Bazl geprüft und als Entscheidungsgrundlage zuhanden des Bundesrats eingearbeitet.
Das SIL-Objektblatt als Entscheid des Bundesrats kann grundsätzlich nicht angefochten werden. Allerdings: Wenn das Bazl oder das Bundesamt für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) später einen Entscheid auf Basis des SIL-Objektblatts fällen, kann dagegen Beschwerde erhoben werden.
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