Frage an Sie beide: Wie viel darf denn eine durchschnittliche Wohnung, etwa eine 3½-Zimmer-Wohnung mit 100 Quadratmetern, in Dübendorf kosten?
Leandra Columberg: 1600 bis 2000 Franken. Leider gibt es das in Dübendorf fast nicht mehr.
Rafa Tajouri: 2500 Franken kostet eine solche Wohnung bestimmt. Das kann sich ein Pärchen ohne Kinder leisten, wenn es sich die Miete teilt.
Und wie viel bezahlen Sie selber fürs Wohnen?
Columberg: Ich wohne in einer 4½-Zimmer-WG. Zu dritt bezahlen wir 2260 Franken, wobei der Mietzins erst kürzlich um 160 Franken erhöht wurde.
Tajouri: Meine Frau und ich wohnen mit unseren zwei Kindern in einer 4½-Zimmer-Wohnung, die 3400 Franken kostet.
Frau Columberg, an der Parlamentssitzung vom letzten Juni haben Sie gesagt, «Normalsterbliche können sich die neu gebauten Wohnungen in Dübendorf kaum leisten». Wie soll die Initiative dies ändern?
Columberg: Was wir fordern, ist eine aktivere Bodenpolitik der Stadt Dübendorf. Das Feld soll nicht renditeorientierten Investorinnen und Investoren überlassen werden. Die Stadt soll geeignete Liegenschaften aufkaufen und im Baurecht an gemeinnützige Bauträger abgeben. Denn diese sorgen letztlich für Mieten, die tiefer sind als anderswo.
Und weshalb sollten die Forderungen der Linken nicht funktionieren, Herr Tajouri?
Tajouri: Es funktioniert einfach nicht. Diese Vorlage kann das Problem nicht lösen. Das sieht man in den Städten Zürich, Genf oder Basel, wo solche Schritte probiert wurden und gescheitert sind. Sachen, die nicht funktionieren, soll man nicht importieren.
Columberg: Wieso gescheitert? Die gemeinnützigen Wohnungen sind um ein Drittel bis zur Hälfte günstiger zu mieten. Auch in Wien, wo 80 Prozent der Wohnungen gemeinnützig sind, sind die Mietpreise tief, und die Lebensqualität ist hoch.
Tajouri: Das ist eine Rechnung, die die SP nicht machen will oder kann. Wenn den Genossenschaften gratis Kapital zur Verfügung gestellt wird, spricht man von einer Subvention, weil ein Kapital eigentlich verzinst werden müsste. Und wenn Land im Baurecht zu einem reduzierten Zins abgegeben wird, sind das ebenfalls Subventionen, die letztlich durch den Steuerzahler gedeckt werden müssen.
Columberg: Also, die Initiative verlangt nicht, dass die Stadt das Land zwingend zu vergünstigten Konditionen an gemeinnützige Bauträger abgeben muss. Klar kann die Stadt das so machen, wenn es im Interesse von Dübendorf ist, damit etwa die Bewohner nicht wegen zu hoher Mietzinse verdrängt werden. Und wenn wir schon von Subventionen sprechen, wären da auch diejenigen an die Investoren zu nennen. Denn schliesslich profitieren diese von einem Mehrwert, wenn ihr Land auf- oder umgezont wird.
Tajouri: Diese Wertsteigerung wird auch sehr hoch besteuert (mit 40 Prozent, Anmerkung der Redaktion).
Was ist denn für Sie ein geeigneter Ansatz, die Mietpreise zu senken, Herr Tajouri?
Tajouri: Bauen ist nun mal sehr viel teurer bei uns mit all den Ansprüchen und Vorschriften, die wir in der Schweiz haben. Was ja grundsätzlich gut ist. Ein hier gebautes Haus ist standhafter als irgendein Billighaus in den USA. Doch wir geben auch viel zu viel Geld aus, bis nur schon mal ein Baugesuch bewilligt wird. In diesem Bereich haben wir sehr grosses Potenzial, um die Baueingaben zu verschlanken und zu vereinfachen. Von diesem Geflecht von Regeln und Gesetzen, das kein Mensch mehr durchschaut, profitieren nur irgendwelche Baujuristen. Die werden von uns reich beschenkt. Interessant, dass die SP keine Anstalten macht, dass in dieser Hinsicht etwas verbessert wird. Denn diese Verteuerung bezahlt am Ende der Mieter.
Columberg: Und mich überrascht, dass die FDP immer fordert, dass Gesetze eingehalten werden müssen. Aber dass es beim Mietrecht anders ist, davon spricht niemand. Dabei haben Mieterinnen und Mieter im letzten Jahr schweizweit gesehen 10,5 Milliarden Franken zu viel für ihre Wohnung bezahlt. Bei den Mieten im renditeorientierten Sektor wird die Rechtsprechung nicht eingehalten. Wenn sich der Vermieter nicht an das geltende Recht hält, wird die Beweislast einfach auf den Mieter umgedreht, und er bekommt nur 30 Tage Zeit, um Entscheide anzufechten. Der grosse Unterschied zu anderen Ländern ist, dass wir hier weder einen Mietzinsdeckel haben noch einen Renditedeckel. Es fehlt an Mietkontrollen. Diese illegal hohen Renditen will die FDP nicht kontrollieren lassen.
Einverstanden, Herr Tajouri?
Tajouri: Mieterschutz und Mieterrecht finde ich eigentlich unsinnig. Den besten Mieterschutz gibt es bei einem grossen Angebot an Wohnungen. Denn dann werden Vermieter, die einen überhöhten Mietzins verlangen oder ihre Liegenschaften vergammeln lassen, ihre Wohnungen nicht mehr vermieten können. Der Marktmechanismus kann das regeln. In Dübendorf wird viel gebaut, und der Markt funktioniert deutlich besser als in Zürich. Wir haben hier eine Leerstandsquote von einem Prozent im Gegensatz zu Zürich, wo lediglich 0,1 Prozent der Wohnungen leer stehen. Zudem haben wir in Dübendorf 20 bis 30 Prozent tiefere Mietpreise als in unserer Nachbarstadt.
Herr Tajouri, wo bleibt in diesem Markt die Familie, die aus ihrer Wohnung geworfen wird und in Dübendorf keine neue Bleibe findet?
Tajouri: Wie gross dieses Problem ist, kann ich nicht sagen. Es gibt sicherlich Einzelfälle. Grundsätzlich haben wir aber genug Familienwohnungen in Dübendorf: Rund 44 Prozent der Wohnungen haben 4 Zimmer oder mehr.
Wir sind ja überhaupt nicht grundsätzlich gegen kostengünstigen Mietraum. Dübendorf hat heute eine gute Durchmischung. Wir haben weder ein Goldküstenphänomen mit Millionärsghetto noch eine Ansammlung von Armen wie beispielsweise in Biel.
Es gibt genügend Kapital, beispielsweise von Pensionskassen, die gerne in Projekte investieren würden, weil aber das Angebot staatlich verknappt wird, wirkt das preistreibend. An der staatlichen Begrenzung der Bautätigkeit, die dafür sorgt, dass teuer gebaut wird, muss gearbeitet werden …
Columberg: … oder an der Einhaltung des Mietrechts.
Tajouri: Deswegen wird nicht mehr gebaut.
Columberg: Aber die Mieten würden sinken. Wie kann die Law-and-Order-Partei FDP die illegalen Renditen und die Missachtung des Mietrechts unterstützen? Wenn die Stadt das Land im Baurecht für einen gemeinnützigen Zweck abgibt, bleibt es immer noch im Besitz der Allgemeinheit. Dübendorf soll letztlich den Leuten gehören, die hier leben, und nicht irgendwelchem anonymen Grosskapital.
Tajouri: Das ist jetzt wieder ein Begriff aus der kommunistischen Giftküche: das anonyme Grosskapital als Bösewicht. Dabei ist das eigentliche Übel die Überregulierung im Bausektor. Die führt am Ende dazu, dass für kleine Bauherren ein Projekt nicht mehr realisierbar ist, wegen der komplizierten Vorschriften und Verfahren. Wenn kleinere private Bauherren aus dem Markt gedrängt werden, führt dies letztlich zu ungesunden oligopolistischen Strukturen im Immobilienmarkt. Denn gerade private Vermieter bieten oft günstigere Wohnungen an.
Frau Columberg, bei Projekten im Gumpisbüel und im Leepünt sind Genossenschaften an der Entwicklung von Wohnraum beteiligt. Ist das nicht ein gutes Zeichen?
Columberg: Es ist längst überfällig. Preisgünstigen Wohnraum zu fördern, ist ja seit Jahren in der Dübendorfer Gemeindeordnung verankert. Doch der Mangel an bezahlbaren Wohnungen ist so gross, dass man durchaus ein bisschen ehrgeizigere Ziele setzen müsste.
Tajouri: Da bin ich anderer Meinung. Mit Gumpisbüel und Leepünt haben wir zwei Projekte auf dem Tisch, die zusammen 230 Wohnungen im Kostenmiete-Prinzip bereitstellen. Das bringt eine deutliche Verbesserung für den gesamten Wohnungsmarkt. Ich habe Angst, dass wir diese zwei Überbauungen mit überrissenen Forderungen und Konzepten eindecken, die im Fall einer Annahme Inhalt einer Umsetzungsvorlage sein könnten.
Wie wollen Sie sicherstellen, dass nur Personen in eine günstige Wohnung einziehen, die wenig Geld zur Verfügung haben, Frau Columberg?
Columberg: Ob es die Richtigen oder die Falschen gibt, finde ich ein schwieriges Narrativ. Man sollte die Leute nicht gegeneinander aufhetzen. Auch der Mittelstand soll keine überrissenen Mieten bezahlen und exzessive Renditen finanzieren, darum geht es bei der Kostenmiete. Wir sprechen hier ja nicht von subventionierten Wohnungen, die tatsächlich nur an Personen mit sehr niedrigem Einkommen gehen sollen. Wenn man gesamthaft den Bestand gemeinnütziger Wohnungen erhöht, sinken die durchschnittlichen Mieten, und es hat mehr bezahlbaren Wohnraum in Dübendorf. Das ist auch im Sinn der Bundesverfassung, die vorsieht, dass jeder Mensch eine für ihn angemessene Wohnung zu einem bezahlbaren Preis finden soll.
Tajouri: Es ist kein Narrativ. Es sind einfach unsere Forderungen, dass diese Wohnungen wirklich nur denjenigen zur Verfügung stehen, die sie nötig haben. Und wenn sich die Lebenssituation dieser Mieter verbessert, sollten sie den Platz wieder freigeben müssen. Wenn wir das nicht machen, ist es für mich eine reine Alibiübung. In Zürich ist zu oft zu sehen, dass Leute in solchen Wohnungen sitzen, die sie gar nicht nötig haben.
Wenn wie in Dübendorf nur wenig Bauland zur Verfügung steht, ist Verdichtung ein probates Mittel für mehr Wohnungen, oder, Herr Tajouri?
Tajouri: An der Zürich- und der Usterstrasse kann man sicher höher bauen oder auch an der Wangenstrasse. Sicherlich sollte man mutig sein und um zwei oder drei Stockwerke an geeigneter Stelle erhöhen können.
Columberg: Gezieltes Verdichten an geeigneten Stellen ist sicherlich sinnvoll. Es soll aber ein lebenswertes Dübendorf bleiben. Zusammen mit den günstigeren Wohnungen soll dafür gesorgt werden, dass die Menschen hier nicht verdrängt werden. Das passiert mit teuren Luxussanierungen.
Gemeinnützige Wohnungen hingegen brauchen weniger Fläche, was sicher sinnvoller ist als grosse Penthouses. Heute ist es doch so, dass ältere Menschen teils noch in grösseren Wohnungen leben, weil sie sich eine kleinere auf dem Markt nicht leisten können. Also bleiben sie. Das ist einfach eine Realität in Dübendorf. Eine Wahl, wo und wie sie wohnen wollen, haben Menschen heute nicht mehr.
Weil die Initiative keinen Rahmenkredit für den Kauf von Liegenschaften enthält, hat die vorberatende Kommission im Parlament den Begriff «tote Buchstaben» gebraucht. Ein Fehler der Initianten?
Columberg: Wir wollten vermeiden, dass eine zu detaillierte Ausarbeitung keinen Spielraum für die Umsetzung übrig lässt. Ein Rahmenkredit kann auch nach Annahme der Initiative noch beschlossen werden. Mit dem Veräusserungsverbot stellt die Initiative zudem sicher, dass kein städtisches Land wie in den 1990er Jahren verscherbelt wird. Dass dies heute wenig Sinn macht, hat wohl mittlerweile auch Finanzvorsteher Martin Bäumle eingesehen. Auch die kantonale Wohninitiative, die ein Vorkaufsrecht der Gemeinden für Boden fordert, hat gemäss ersten Umfragen gute Chancen und würde die Umsetzung einer aktiven Bodenpolitik zusätzlich unterstützen.
Das verlangt die Initiative
Über die Volksinitiative «Dübendorf für alle; Wohnbauförderung durch aktive Liegenschaftspolitik» wird am 24. November an der Urne abgestimmt. Das Begehren aus der Feder der SP will, dass Dübendorf Liegenschaften erwirbt. Städtischer Besitz soll nur im Baurecht zur Wohn- oder Gewerbenutzung abgegeben werden. Bedingungen dafür sind eine sozial- und umweltverträgliche Nutzung und das Prinzip der Kostenmiete. Ausnahmen sind möglich, wenn ein erhöhtes öffentliches Interesse geltend gemacht werden kann.