Die Szenerie vor dem Speicher neben der Oberen Mühle hat etwas von einem Klassentreffen. Hier ein grosses Hallo und freudiges Wiedersehen, dort ein kumpelhafter Handshake oder – je nach Beziehungsstatus – auch nur ein reserviertes Zunicken. Dazwischen: Küsschen-Küsschen, Gläserklirren, Umarmungen, Kommentare über die Leibesfülle. Und immer wieder der verstohlene Blick auf das Namensschild. Wie heisst diese Person doch gleich wieder?
Es ist Samstagnachmittag, und das politische Dübendorf feiert das 50-jährige Bestehen seines Parlaments. Schon wieder. Bereits im März gabs an der Jubiläumssitzung des Gemeinderats einen grossen Apéro mit der Bevölkerung. Nun sind alle amtierenden und ehemaligen Gemeinde- und Stadträte eingeladen, dazu Vertreter der Schulen und der Verwaltung, Gemeinderatssekretäre sowie Delegationen aus Volketswil und Wangen-Brüttisellen.
Insgesamt 130 Personen haben sich schliesslich im Saal niedergelassen, als Gemeinderätin Cornelia Schwarz (SVP) vom OK die Ratsglocke läutet und die offizielle Feier eröffnet. Die Zürcher Regierungspräsidentin Natalie Rickli (SVP) übernimmt – und macht sich gleich beliebt bei den Anwesenden: «Ihre Stadt wird dermassen gut geführt und verwaltet, dass sie im Regierungsrat selten ein Thema ist.» Eis gebrochen.
Dass sich die Zeiten seit der Gründung des Dübendorfer Parlaments geändert haben, illustriert Rickli mit einem Auszug aus der Ratsberichterstattung der NZZ zum Dübendorfer Budget 1975. Damals, so der Artikel, wollte die Ratslinke eine massive Sparübung durchsetzen, scheiterte aber an der bürgerlichen Mehrheit im Parlament. An Finanzvorstand Martin Bäumle (GEU/GLP) gewandt, meinte Rickli: «Stell dir heute solche paradiesischen Zustände mit ausgabenfreudigen Freisinnigen und SVPlern vor.»
Weiter attestierte Rickli den Dübendorfern grosse Leistungen in Sachen Integration. Man habe nicht nur viele Neuzuzüger in der Stadt integriert, sondern auch die BDP in Die Mitte und die Autopartei in die SVP. Nur eines sei nicht gelungen: Patrick Jetzer in den Gemeinderat zu integrieren. Der umstrittene Aufrecht-Politiker trat vergangenen Juli nach nur einem Jahr wegen eines Umzugs als Parlamentarier zurück.
Die erste Ratspräsidentin
Mit alt Nationalrätin Rosmarie Zapfl tritt danach eine profunde Kennerin Dübendorfs ans Rednerpult. Zapfl wurde 1974 für die CVP in den Gemeinderat gewählt. Diesen präsidierte sie im Amtsjahr 1977/78 – als erste Frau im Kanton. 1978 wurde sie die erste Stadträtin Dübendorfs.
In Ihrem Blick zurück in die 70er Jahre zeichnet Zapfl ein eher düsteres Bild einer Stadt, deren Lebensqualität nicht mit dem rasanten Wachstum schritthalten konnte. Es fehlte an Schulraum, öffentlichen Treffpunkten, Kultur gab es nur in Zürich, und zum Schwimmen mussten die Schüler nach Fällanden. Dazu fuhr der gesamte Verkehr vom und ins Zürcher Oberland mitten durch die Stadt.
Frieren für die Demokratie
Und auch das Büro des Gemeinderats hatte es nicht sonderlich gemütlich, berichtet Zapfl mit einem Schmunzeln. Die Sitzungen wurden in einem Holzhäuschen hinter dem Stadthaus abgehalten, in dem es im Winter bitterkalt war. Und der Ratssekretär musste sich fürs Protokoll die halbautomatische Schreibmaschine der Stadtschreiber-Stellvertreterin ausleihen.
Als Zapfl über das Dübendorf der Gegenwart spricht, kommt sie dagegen richtig ins Schwärmen. «Die Stadt lebt», sagt sie. Der Bettlipark sei ein Juwel, und das kulturelle Angebot könne sich mit anderen Städten messen. Nur eines wünscht sie sich: dass das Geschlechterverhältnis bei den nächsten Gemeindewahlen ausgeglichener ist.
Alles gut – die Schweiz gewinnt
Stadtpräsident André Ingold (SVP) steigt anschliessend fulminant in seine Ansprache ein – indem er das Resultat der Partie Schweiz - Ungarn bekannt gibt. Als der Applaus verstummt, würdigt er die Verdienste des Parlaments für die Stadt und deren Einwohner.
Es sei beeindruckend, wie sich Dübendorf auch durch die Arbeit der Legislative entwickelt habe. Gleichzeitig macht er auf die grossen Herausforderungen durch die rasante Bautätigkeit in der Stadt aufmerksam, die man gemeinsam und mit gegenseitigem Respekt und Verständnis angehen müsse.
Gemeinderatspräsident Patrick Schärli (Die Mitte) bedankt sich schliesslich bei den amtierenden und ehemaligen Gemeinderäten für deren Engagement. Und er hält fest: «Ein gut funktionierendes Parlament ist wichtig für eine aktive Bürgerbeteiligung und eine gesunde Demokratie.»
Zuletzt übernimmt wieder Cornelia Schwarz und leitet in den gemütlichen respektive nahrhaften Teil der Feier über. Dabei gibt sie gleich Entwarnung: Die Portionen seien nicht deshalb so klein, weil das OK denke, die Gäste hätten keinen Hunger – sondern damit man mehrmals zugreifen könne. Na dann steht einer gelungenen Feier ja nichts mehr im Weg.