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Ein Saal mit Fenstern.

Im Wechsel mit dem Leepünt-Saal fanden die Gemeindeversammlungen und später die Ratssitzungen im reformierten Kirchgemeindezentrum statt. Foto: Simon Grässle

50 Jahre ist es her

Vor dem Parlament noch eine letzte turbulente Gemeindeversammlung

Die letzte Dübendorfer Gemeindeversammlung hatte es in sich. Und auch im neuen Parlament gab es schon früh Uneinigkeiten zu überwinden, etwa bei der Suche nach einer gemeinsamen Sprache.

Im Wechsel mit dem Leepünt-Saal fanden die Gemeindeversammlungen und später die Ratssitzungen im reformierten Kirchgemeindezentrum statt. Foto: Simon Grässle

Veröffentlicht am: 22.02.2024 – 12.01 Uhr

Die letzte Gemeindeversammlung am 25. Februar 1974 war nicht nur eine Feier zur Verabschiedung eines direktdemokratischen Systems in Dübendorf. An der Versammlung wurde auch eine üppige Traktandenliste mit acht Geschäften und zwei Anfragen behandelt.

Darunter war der Kauf einer Liegenschaft in Höhe von 423'000 Franken am Tüfweg 1 in Gockhausen, ein Kredit für ein Löschfahrzeug der Feuerwehr für 190'000 Franken, ein Landkauf im Raubbüel in Höhe von 187'000 Franken und die Erstellung von zwei Gehwegen.

Die Geschäfte wurden aber keineswegs einfach durchgewinkt. Die Stimmberechtigten stellten drei Rückweisungsanträge. Diese wurden zwar allesamt abgelehnt, doch der Gemeinderat, die damalige Exekutive, musste dennoch eine Niederlage einstecken: Den Kauf des Wohnhauses in Gockhausen verwehrte ihm die Versammlung.

Ein Skandälchen zum Abschied

Pikant war die Anfrage eines Dübendorfers zu Flugblättern der damaligen Partei Landesring der Unabhängigen (LdU). Darin wurde unter anderem behauptet, Behördenmitglieder würden sich Verfehlungen leisten, dass «dem Bürger Hören und Sehen vergeht». Damit habe der LdU «längst fällige Eiterbeulen aufgestochen». Ob sich solche Ungereimtheiten tatsächlich zugetragen hätten, wollte der Mann wissen.

Dem Gemeinderat seien keine Vorfälle bekannt, antwortete Hochbauvorstand Hans Zeier (CVP). Ein Vorwurf aus dem Flugblatt traf aber offenbar zu. So soll ein Behördenmitglied Verträge, die den Zweckverband der Kehrichtverbrennungs- und Kläranlage betrafen, vernichtet haben. «Diese Aktenvernichtung ist an sich rechtswidrig, erfolgte aber gutgläubig», sagte Zeier.

Um 22.15 Uhr beendete Ernst Bosshard (Demokratische Partei) als letzter Dübendorfer Gemeindepräsident die Versammlung. Mit welchen Worten, ist im Protokoll nicht überliefert. Geschrieben steht lediglich, dass es eine «eindrückliche Schlussrede» gewesen sei, in der sich Bosshard bei den Stimmbürgern für ihre aktive Mitarbeit bedankte habe – und bei der Harmonie Dübendorf für ihre Musikaufführung.

Mundart oder Standardsprache?

Bosshard war es denn auch, der schon rund zwei Wochen darauf die erste Parlamentssitzung eröffnete. Er tat dies als frisch gewählter Dübendorfer Stadtpräsident – bis dann im Verlauf des Abends mit Willy Brügger (SVP) der erste Gemeinderatspräsident gewählt wurde, dem diese Rolle üblicherweise zukommt. Der erste Abend war geprägt von den Wahlen in die verschiedenen Kommissionen. Über das erste richtige Geschäft stimmte das Parlament dann am 6. Mai ab, als es um die neue Geschäftsordnung ging.

Umstritten war darin etwa, wie in den Sitzungen künftig gesprochen werden sollte. Ursprünglich war die Standardsprache – also Schriftsprache – vorgesehen. Eine Koalition aus Vertretern von links bis rechts wollte dagegen Mundart einführen und obsiegte gegen andere Parlamentarier, die beide Sprachen zulassen wollten. Schon die erste Sitzung dauerte zu lange, und Traktanden mussten vertagt werden.

Ein seltener «Galopp»

Mit einer gewissen Ineffizienz des neuen politischen Prozederes tat sich Peter Salvisberg (LdU) schwer. Im Heimatbuch erinnert sich der ehemalige Parlamentarier anlässlich des 5-Jahr-Jubiläums: Ein nicht umfangreiches oder umstrittenes Geschäft brauche teilweise mehr als ein Jahr, um sämtliche Hürden von der Verabschiedung durch den Stadtrat bis zur Genehmigung des Gemeinderats zu durchlaufen.

Man hat in Lausanne nicht geglaubt, dass die ganze Bevölkerung von Dübendorf dem Spital Bassersdorf negativ gegenübersteht.

Ernst Graf (SVP)

Alt Stadtrat

Doch wenn es pressiere, sei der Rat auch zu einem «Galopp» bereit. So geschehen beim Kauf der Liegenschaft Continental am 24. September 1976. Nach nur gerade 39 Tagen sei dieses Geschäft abgeschlossen gewesen, berichtete Salvisberg.

Keine Erlaubnis fürs Fernsehen

Heute auch unvorstellbar war der Antrag eines Gemeinderats im Juni 1974, die Sitzung zu unterbrechen, um die TV-Sendung «Antenne» zu schauen. In dieser sollte ein Beitrag zum Jugendhaus Dübendorf ausgestrahlt werden. Das Jugendhaus war an diesem Abend Thema einer Interpellation. Es brauchte den Stichentscheid von Gemeinderatspräsident Willy Brügger, der dafür sorgte, dass der Fernseher aus blieb und die Sitzung fortgesetzt wurde.

Traktandiert waren auch Geschäfte, die heute wieder aktuell sind – wie etwa das Spital Uster. Im Februar 1975 war aber nicht wie heute eine Kapitalerhöhung Thema, sondern der Verbleib der Stadt im Zweckverband. Der Regierungsrat hatte damals beschlossen, die Stadt Dübendorf soll dem Spitalverband Mittleres Glattal zugeteilt werden. Für die medizinische Versorgung der Bevölkerung wäre das damals geplante Regionalspital Bassersdorf angedacht gewesen. Stadtrat und Parlament waren sich für einmal einig und opponierten dagegen bis vor Bundesgericht, allerdings vergeblich.

Stadtrat Ernst Graf (SVP) ging eigens an die Verhandlung, um sich das Urteil anzuhören. «Man hat in Lausanne nicht geglaubt, dass die ganze Bevölkerung von Dübendorf dem Spital Bassersdorf negativ gegenübersteht», sagte Graf. Letztlich wurde das Spital in Bassersdorf aber nicht gebaut, und Dübendorf ist noch heute eine der Trägergemeinden des Spitals Uster.

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