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Der Fussgängerstreifen an der Kreuzung Gfennstrasse/Dorfstrasse soll auch nach Einführung von Tempo 30 bleiben. Foto: Laurin Eicher

Gemeindeversammlung mit Überraschungen

Von unsäglichen «Kissen» und toten Kälbern

Tempo 30 gab an der Gemeindeversammlung zu reden. Und ein prominenter Schwerzenbacher hatte wesentlichen Anteil daran, dass die Abfallverordnung Schiffbruch erlitt.

Der Fussgängerstreifen an der Kreuzung Gfennstrasse/Dorfstrasse soll auch nach Einführung von Tempo 30 bleiben. Foto: Laurin Eicher

Veröffentlicht am: 18.11.2023 – 02.37 Uhr

Am Freitag fand die zweite Gemeindeversammlung innert einer Woche im Chimlisaal statt. Flächendeckend Tempo 30 war ein grosses Thema an diesem Abend.

In Schwerzenbach soll die Geschwindigkeitsreduktion auf allen Quartierstrassen eingeführt werden. Dafür beantragte der Gemeinderat einen Kredit in Höhe von 212'000 Franken für Signalisationen, Markierungen und Tiefbauarbeiten.

Ein Raunen ging durch die Gemeindeversammlung, als Sicherheitsvorstand Reto Haltinner (Die Mitte) von «Fussgängerstreifen aufheben» sprach. Weil in Tempo-30-Zonen grundsätzlich Zebrastreifen unzulässig sind, werden in Schwerzenbach zwei davon aufgehoben, und zwar die beiden bei der Kreuzung Gfenn-/Zielackerstrasse. Der Fussgängerstreifen am Anfang der Gfennstrasse bleibt hingegen bestehen.

Wenig Hoffnung für Fussgängerstreifen

Einige hatten kein Verständnis für das Verschwinden der Fussgängerstreifen und wollten Ausnahmen. So wie es etwa in Dübendorf der Fall ist, wo die Kantonspolizei auf der Bahnhofstrasse zwei erlaubt hat – allerdings erst nachdem die Stadt mehrmals deswegen bei der Polizei vorstellig geworden war.

Gemeindepräsident Martin Hermann (FDP) sagte, dass die Gemeinde der Kantonspolizei einen Antrag stellen könnte, um einen der beiden Fussgängerstreifen zu erhalten. «Ich habe allerdings kaum Hoffnung, dass sich an der ablehnenden Haltung der Kantonspolizei etwas ändert.» Dafür fehlten der Gemeinde neue entscheidende Argumente.

Die Sicherheit der Kinder beschäftige gleich mehrere Schwerzenbacherinnen und Schwerzenbacher. Einer schlug vor, dass doch zumindest entlang der Schulwege eine farbliche Markierung über die Strasse hinsoll.

Weg mit den «Kissen»

Intensiv wurde auch über die Verkehrsberuhigung debattiert. Mehrmals zur Sprache kamen die «Kissen», in der Fachsprache «Vertikalversätze» genannt. Diese baulichen Massnahmen mit einer geschwindigkeitsreduzierenden Wirkung sind an einigen Stellen geplant, etwa auf der Hermikonstrasse oder der Zielackerstrasse.

Ein Schwerzenbacher störte sich an den bereits bestehenden «Kissen» auf der Grabenstrasse. «Warum werden diese nicht weggenommen, wenn Tempo 30 kommt?» Man soll sich entweder für das eine oder das andere entscheiden. Der Mann stellte dann auch gleich einen Antrag, die beiden «Kissen» zu entfernen. Woraufhin eine Frau wiederum beantragte, ein zusätzliches «Kissen» auf der Grabenstrasse, Höhe Chimlibach, anzubringen. Beide Anträge blieben bei der Abstimmung jedoch chancenlos und wurden klar abgelehnt.

Dem Investitionskredit zur Einführung von Tempo 30 stimmte schliesslich eine deutliche Mehrheit zu, nur neun Personen waren dagegen. Mit einer Einführung des neuen Temporegimes ist laut Reto Haltinner im nächsten Frühling zu rechnen.

Aufgezerrte Kehrichtsäcke

Das andere Geschäft, das für Diskussionen sorgte und letztlich zum Scheitern verurteilt war, war die Abfall- und Entsorgungsverordnung. Diese sah unter anderem vor, dass Einwohnerinnen und Einwohner ab kommendem Jahr ihre Kehrichtsäcke neu in Container deponieren müssen.

Gemeinderätin Rahel Hofmann (FDP) beantwortete die Frage eines Schwerzenbachers, der den Sinn dahinter wissen wollte. «Die Abfallsäcke werden häufig von Tieren auseinandergerissen.» Dies, weil einige ihre Säcke bereits am Abend nach draussen bringen würden. Letztlich müssten dann die Mitarbeiter der Gemeindewerke den zerstreuten Abfall wieder einsammeln.   

Ein Mann vor einem Traktor
Der ehemalige Gemeindepräsident Thomas Weber konnte es nicht lassen und mischte noch mal an vorderster Front an der Gemeindeversammlung mit. Foto: Christian Merz

Schon heute hätten die meisten Haushalte einen Container. Für die Kehrichtabfuhr sei das Containersystem wesentlich einfacher und effizienter, als jeden Abfallsack einzeln entsorgen zu müssen.

Alt Gemeindepräsident widersetzt sich

Vehement gegen die neue Verordnung trat der ehemalige Gemeindepräsident Thomas Weber ein. In seinem Votum outete er sich als diejenige Person, die in der öffentlichen Auflage vom September zwei Punkte streichen lassen wollte. Mit einem Teilerfolg: Der Gemeinderat strich eine Passage. Diese besagte, dass Container, welche weniger als zu einem Drittel gefüllt sind, nicht geleert werden.

Was darin Platz hat, hat Platz – Punkt, Schluss.

Thomas Weber (parteilos)

alt Gemeindepräsident Schwerzenbach

Doch für Weber war das nicht genug, In einer längeren Ausführung beklagte er die neuen Gebühren für die Entsorgung von Tierkadavern aus landwirtschaftlichen Betrieben. «Ich fühle mich als einzig verbliebener Landwirt in Schwerzenbach diskriminiert.» Auch bei Tierärzten oder in Tierheimen würden schliesslich Kadaver anfallen.  

In die Kadaverstelle sollen Kleintiere kommen und – Entschuldigung – nicht deine Kälber.

Rahel Hofmann (FDP)

Gemeinderätin Schwerzenbach

Der Gemeinderat argumentierte, dass die Kosten für die Kadaverentsorgung von Grosstieren in den letzten Jahren gestiegen seien und deshalb mit 40 Prozent den Landwirtschaftsbetrieben belastet werden. Derzeit koste das die Gemeinde im Schnitt 1050 Franken pro Jahr. In der Kadaversammelstelle Schwerzenbach sollten ab kommenden Jahr nur noch Kleintiere mit einem Gewicht von maximal 20 Kilogramm gratis abgegeben werden können.

Ein Kübel für ein totes Kalb

Weber monierte, dass bis anhin grosse Kübel mit einem Fassungsvolumen von rund 80 Liter zur Verfügung gestanden hätten. «Was darin Platz hat, hat Platz – Punkt, Schluss.» Da passe auch ein kleines Kalb rein, dafür brauche es keine neue Regelung.

Dagegen argumentierte Rahel Hofmann: «In die Kadaverstelle sollen Kleintiere kommen und – Entschuldigung – nicht deine Kälber.» Rückendeckung erhielt sie von einer Schwerzenbacherin. «Unser Malergeschäft kann die Abfälle auch nicht einfach in einem herkömmlichen Container entsorgen.» Entsprechend gehörten landwirtschaftliche Kadaver nicht in eine normale Kadaverstelle.

Zur Abstimmung über die Verordnung kam es letztlich gar nicht. Thomas Weber stellte einen Rückweisungsantrag. Diesen nahmen die Stimmberechtigten mit 59 Ja-Stimmen an. Somit muss der Gemeinderat in Sachen Abfall- und Entsorgungsverordnung nochmals über die Bücher.

 

Die weiteren Traktanden

Für die Sanierung der Zielackerstrasse wird ein Kredit von 980'000 Franken deutlich angenommen. Einen Rückweisungsantrag haben die Stimmberechtigten zuvor abgelehnt.

Ohne Gegenstimme wurde die Kreditabrechnung über die Wasserringleitung Haufländer–Eigenacher–Gfennstrasse mit Gesamtkosten von 558‘377 Franken und einer Kreditüberschreitung von 52‘377 Franken gutgeheissen.

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