In Dübendorf soll künftig der Gemeinderat respektive das Volk über sämtliche neue Tempo-30-Zonen entscheiden. Die Stimmberechtigten unterstützten am Sonntag die Volksinitiative «Mitbestimmen bei Temporeduktionen» deutlich mit 54,2 Prozent Ja-Stimmen.
Die Initiative sieht vor, dass der Stadtrat nicht mehr in eigener Kompetenz abschliessend über Temporeduktionen bestimmen kann, sondern diese dem Parlament als referendumsfähige Beschlüsse vorlegen muss. Künftig soll es also möglich sein, dass ein Drittel des Gemeinderats eine unliebsame Tempo-30-Zone an die Urne bringt. Das Volk könnte mittels 150 Unterschriften das Referendum ergreifen.
Das Ganze ist noch nicht ganz in trockenen Tüchern, denn als letzter Akt muss der Stadtrat dem Gemeinderat nun eine Umsetzungsvorlage vorlegen, die der Initiative entspricht. Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass das Parlament sich gegen den Volkswillen entscheiden wird.
Volk kann «eingreifen»
Hinter der Initiative steht die SVP – und da ist die Freude entsprechend gross. «Wir haben uns gegen alle anderen Fraktionen im Parlament durchgesetzt. Da sieht man mal wieder, wer das Volk vertritt», sagt Gemeinderat Orlando Wyss. «Es ist jedenfalls ein deutliches Zeichen, dass die Regierung nicht mehr innerhalb ihrer Finanzkompetenz mit unsinnigen Beschlüssen einfach durchregieren kann.»
Man erwarte jetzt, dass sich der Stadtrat besser mit dem Thema auseinandersetze und künftig auf Tempo-30-Zonen wie die im Stadtzentrum verzichte. «Und auch wenn der linksorientierte Gemeinderat irgendwelche weltfremden Vorlagen durchwinken würde, könnte das Volk jetzt korrigierend eingreifen.» Demokratischer gehe es nicht.
Wyss wiederholt das Versprechen aus dem Abstimmungskampf, dass man «vernünftige» 30er-Zonen nicht bekämpfen werde, das Volk werde also nicht über jedes Strassenschild abstimmen müssen.
Es sei auch eine unsinnige Behauptung der Gegner, dass das Ja einen hohen Aufwand mit sich bringe. «Pro Jahr werden in der Regel eine oder zwei Gemeinderatssitzungen abgesagt, weil es nicht genügend beschlussfähige Geschäfte gibt», so Wyss. «Von einer Überarbeitung des Parlaments kann also keine Rede sein.»
Ingold sieht Einschränkung
Erwartungsgemäss nicht begeistert vom Ausgang der Abstimmung ist Stadtpräsident André Ingold (SVP). «Das Volk hat entschieden, und das respektiere ich selbstverständlich», sagt er. Und dennoch: Er sehe ein Problem in der Gewaltentrennung. «Diese Initiative beschneidet den Stadtrat in seiner Entscheidungsgewalt.»
Ingold ist überzeugt, dass es schon bald Beispiele geben werde, welche «unverhältnismässigen Folgen» die Kompetenzverschiebung haben könne. Als Beispiel nennt er das Gebiet Zwicky Süd, wo die Stadt Wallisellen innerhalb ihres Gemeindegebiets auf einer Strasse Tempo 30 verfügt habe.
Es sei völlig logisch, dass auf den letzten 50 Metern in dieser Sackgasse auf dem Gebiet der Stadt Dübendorf ebenfalls Tempo 30 gelten sollte. «Doch damit müssen wir nun den Gemeinderat bemühen; ist das etwa verhältnismässig?»
Versprechen halten!
Einen Einfluss auf die städtische Verkehrspolitik werde das Ja zur Initiative hingegen nicht haben. Bei jeder Sanierung einer Quartierstrasse werde nach wie vor die Möglichkeit geprüft, ob dort dereinst Tempo 30 gelten könne, so Ingold. Das sei kein grosser Aufwand, mache aber eine Berücksichtigung in der Planung nötig.
Und wenn der Stadtrat zum Schluss komme, rund um ein Schulhaus in einem Quartier Tempo 30 einführen zu wollen, dann erwarte er von den Initianten, dass diese ihr Versprechen hielten und keine Fundamentalopposition betrieben.
Auch Gemeinderat Thomas Maier (GEU/GLP) verlangt, «dass die Gewinner Wort halten und nicht jede einzelne Strasse mit Tempo 30 bekämpfen» – gerade wenn es um Tempo-30-Zonen rund um Schulhäuser gehe. «Es kann ja nicht sein, dass man jetzt bei jeder geplanten 30er-Zone zuerst die SVP auf Knien fragen muss, ob sie auch damit einverstanden ist.»
Auch eine Chance?
Für Maier ist es unnötig, dass sich in Dübendorf die Diskussion um Tempo 30 immer wieder aufs Neue hochschaukelt. Er wünschst sich gerade von den Polparteien weniger Wahlkampf – und mehr Sachlichkeit.
«Wenn die verschiedenen Exponenten bereit sind, lösungsorientiert zusammenzuarbeiten, kann der Abstimmungsausgang auch eine Chance für mehr Pragmatismus beim Thema Tempo 30 sein», sagt Maier.
Dies bedeute aber, dass man eigene Partikularinteressen auch mal zurückstecke und den Menschen in einem Quartier Tempo 30 gönne. «Eine Demokratie lebt davon, dass eine Mehrheit auf die Minderheit Rücksicht nimmt und nicht immer ihren Willen durchdrückt, nur weil sie es kann.»