Herr Hermann, warum tragen Sie immer Anzüge, wenn ich Sie sehe?
Martin Hermann: (lacht) Fällt das so auf? Ich werde sogar auf der Strasse deswegen angesprochen. Vor allem, weil mein Vorgänger das nicht so gemacht hat.
Lassen Sie es uns klären. Warum also?
Für mich hat Kleidung mit Rollen zu tun. Wenn ich einen Anzug trage, dann ist für jeden klar, dass ich als Gemeindepräsident auftrete, zum Beispiel an Gemeindeversammlungen. Es ist nicht meine Marke, aber ein Zeichen gegen aussen. Es hat für mich auch mit Respekt zu tun.
Sie haben Ihren Vorgänger Thomas Weber angesprochen. Hatten Sie grosse Fussstapfen zu füllen?
Er kennt unglaublich viele Menschen und jede Ecke in der Gemeinde. Und eins ist klarzustellen: Ich bin kein Thomas Weber. Ich stosse aber bisweilen auf viel positives Feedback. Sowohl auf der Strasse als auch in der Verwaltung.
Es gab aber sicher auch den einen oder anderen Stolperstein als Sie anfingen, oder?
Gleich einen neuen Gemeindeschreiber zu suchen, hätte ich mir zum Einstieg nicht gewünscht. Das brauchte gleich viele Gespräche, für die ich mir gerne mehr Zeit genommen hätte. Zum Glück haben wir schnell eine interne Lösung gefunden.
Mit Ihnen starteten noch zwei weitere neue Gemeinderatsmitglieder. Wie waren die ersten Wochen
Konstruktiv und lösungsorientiert. Klar, gibt es Entscheide, mit denen nicht alle ganz einverstanden sind. Aber gegen aussen gilt es, wie im Bundesrat, den Kompromiss geeint zu vertreten. Wir sind ein Team. Uneinigkeit ist pures Gift.
Was macht Schwerzenbach für Sie aus?
Zum einen ist das die Überschaubarkeit. Sie macht unsere Aufgabe im Gemeinderat extrem spannend. Man kann wirksam sein und auch mal etwas ausprobieren und wenn wir müssen, wieder zurückrudern. Zum anderen ist es meine Heimat. Doch das sind nicht nur die Häuser, die grünen Wiesen oder der Chimlibach, sondern hauptsächlich die Menschen. Sie machen Schwerzenbach zu meiner Heimat.
Ich habe lieber eine Verdichtung an einem Ort, dafür Grünflächen an einem anderen.
Haben Sie eine Vision für Schwerzenbach?
Das tönt jetzt etwas plakativ, aber unser Dorf muss lebenswert für alle Generationen sein. Dahinter steckt jedoch viel mehr. Wir haben viele Menschen, die für ein aktives Dorfleben sorgen. Dem gilt es Sorge zu tragen. Ich finde es schön, dass gewisse Anlässe in aller Selbstverständlichkeit stattfinden.
Meine Frage zielte mehr in Richtung der Dorfentwicklung…
(lacht) Ah, die Totalrevision der Bau- und Zonenordnung.
Die Vorlage, die im März von den Stimmberechtigten zurückgewiesen wurde. Wie steht es darum?
Ich denke eine grosse Sorge in der Gemeinde ist der günstige Wohnraum. Wie sichern und fördern wir diesen. Wenn wir auf diese Frage keine Antwort haben, würde die Vorlage wieder nicht angenommen. Und das würde ich verstehen. Wir müssen eine Stossrichtung vorgeben.
Kritik gab es von den Stimmbürgern vor allem zum Thema Verdichtung.
Das ist eine Grundsatzdiskussion. Aber ich muss sagen, dass ich lieber eine Verdichtung an einem Ort habe, dafür an einem anderen die Grünflächen. Das ist sicher besser als überall ein Durchschnittsgrau.
Es war zu viel auf einmal.
Wann kann die Bevölkerung über die Vorlage abstimmen?
Wir haben die Stimmbürger gehört. Es war zu viel auf einmal. Wir nehmen es jetzt Schritt für Schritt, oder besser gesagt Quartier um Quartier. Ab kommendem Frühling wird sich ein Begleitgremium mit der Etappierung auseinandersetzen. Entschieden wird frühestens im Frühling 2024. Mir ist noch wichtig zu sagen, dass wir nur eins garantieren können. Schwerzenbach wird nicht so bleiben, wie es ist. Die Entwicklung kommt und ich habe lieber eine kontrollierte, als eine chaotische.
Und welche weiteren Themen kommen auf die Gemeinde zu?
Da wäre zum einen die Umsetzung der Tempo-30-Zonen. Demnächst folgt die öffentliche Auflage. Ein weiterer Dauerbrenner ist das Parkieren auf öffentlichem Grund. Aktuell ist es vielerorts legal, sein Auto unbeschränkt abzustellen oder seinen übergrossen Anhänger auf einem Parkfeld zu deponieren. Das ist nicht der Sinn der Sache. Auch fremdparkieren wird nicht mehr möglich sein.
Was tun Sie, wenn Sie nicht gerade im Anzug sind?
Dann bin ich mit meinem Hund Galileo unterwegs. Ich gehe oft spazieren. Das hilft mir vor allem den Kopf zu lüften und mal abzuschalten. Auch wenn ich draussen oft angesprochen werde.
Stört Sie das?
Überhaupt nicht. Ich schätze das sogar. Wer ein Problem damit hat, beim Einkaufen mit einem «Ah, wenn ich dich grad sehe» angesprochen zu werden, der sollte keine Behördenfunktion wahrnehmen.
Zur Person
Martin Hermann ist seit dem 1. Juli Gemeindepräsident von Schwerzenbach. Er lebt gemeinsam mit seiner Frau Jolanda seit 2011 im Dorf.
Hermann absolvierte das Lehrerseminar und unterrichtete erst in Chur, dann in Bäretswil. Im Jahr 2004 wechselte er in die Schulverwaltung und 2008 in die Gemeindeverwaltung von Eglisau, wo er erst stellvertretender, dann acht Jahre als Gemeindeschreiber arbeitete. Heute ist er Projektleiter auf der Gemeindeverwaltung Eglisau. (gap)