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Meinung
Fiorella Koch und David Marti auf einem Hintergrund von Bärlauch.

Wer im Wald nach Bärlauch sucht, kann beim Pflücken das würzige Kraut erwischen, aber auch einen giftigen Imitator. Genauso «entweder oder» scheint es sich mit Menschen zu verhalten: die einten lieben Bärlauch, die anderen hassen es. Foto: Seraina Boner/Simon Grässle

Pro und Kontra

Bärlauch – kein Kraut für alle

Ist Bärlauch eine deliziöse Gabe der Natur oder eine abartige Ingredienz für die Lebensmittelindustrie? Darüber streiten sich eine Redaktorin und ein Redaktor.

Wer im Wald nach Bärlauch sucht, kann beim Pflücken das würzige Kraut erwischen, aber auch einen giftigen Imitator. Genauso «entweder oder» scheint es sich mit Menschen zu verhalten: die einten lieben Bärlauch, die anderen hassen es. Foto: Seraina Boner/Simon Grässle

Veröffentlicht am: 19.04.2025 – 08.01 Uhr

Pro: Das Kompromiss-Kraut

Ah, Frühling… Die Sonne wirft goldene Lichtflecken durch das frisch gesprossene Blätterdach, die Vögel zwitschern um die Wette, und in der Luft liegt der unverwechselbare Duft von Bärlauch. Das macht einem Lust aufs Leben!

Das Lauchgewächs, das im Frühjahr überall spriesst, wo es Boden hat, ist nämlich ein Geschenk des Himmels. Denn wir wissen: Knoblauch macht alles besser. Sei es Sauce, pikantes Gebäck, Fleisch, Butter. Die kleine Knolle macht aber auch einsam. Die Nachwirkungen des Verzehrs in Form von Mundgeruch und Ausdünstungen haben wahrscheinlich schon Leuten die eine oder andere Freundschaft gekostet. Oder mindestens einen Sitzplatz im Zug.

Bärlauch ist deshalb der perfekte kulinarische Kompromiss: Der Geschmack von Knoblauch, nur milder und versöhnlicher. Genau wie der Knobli kann man ihn auch für alles verwenden: Risotto, Quiche, Zopf, Pesto, Crêpes, Suppe, Pasta, Spätzle, Hummus…

Zudem ist er auch noch so gesund. Er enthält Vitamine, wirkt blutdrucksenkend, fördert die Durchblutung und beeinflusst die Darmflora positiv. Wer Bärlauch isst, fühlt sich damit sofort wie ein Mensch, der sein Leben im Griff hat. Gesund, saisonal, regional – quasi ein moralischer Dreifachsieg auf dem Teller.

Und das Beste: Man kann das Kraut selbst pflücken. Dadurch ist es nicht nur gratis, sondern eröffnet uns verwöhnten Migros- und Coop-Kindern eine ganz neue Perspektive. Denn Essen kommt ja aus dem Regal… oder?

Ein Waldspaziergang kann damit zu einer Schatzsuche werden. Und wenn man den gefundenen Bärlauch dann kocht, fühlt man sich wie ein Naturbursche oder eine Kräuterhexe. Im positiven Sinn. (kof)

Kontra: Ein Möchtegern-Knoblauch-Kraut

Das Missverständnis zwischen Bärlauch und der Menschheit beginnt schon beim Pflücken. «Vorsicht Verwechslungsgefahr», warnt der Kanton. Bärlauch könne leicht mit giftigen Pflanzen wie Herbstzeitlose oder Maiglöckchen verwechselt werden.

Wer trotz der toxischen Gefahr gebückt dem Grünzeug hinterherhechelt, hat vergessen, dass der aufrechte Gang seit Millionen von Jahren eine evolutionär erworbene, anatomische Tatsache sein sollte.

Ausserdem müsste man meinen, der Gestank wäre Abschreckung genug. Die olfaktorische Entgleisung von Bärlauch wird oft mit dem Geruch von Knoblauch in Verbindung gebracht. Ein blasphemischer Vergleich. Wenn etwas nach Knoblauch riecht, dann ist es Knoblauch. Ein Strauch Bärlauch riecht wie Knoblauch, über den ein räudiger Fuchs gepinkelt hat – weil es auch so ist.

Aber die eigentliche Perversion offenbart sich mit dem Eintritt in die Lebensmittelläden. Zurzeit ist kaum noch ein Nahrungsmittel zu finden, das nicht in Bärlauch getunkt, damit gepanscht, gepinselt oder gänzlich daraus besteht. Bärlauch-Quiche, Bärlauch-Crêpes, Bärlauch-Paté, Bärlauch-Chips und für ganz Perverse: Bärlauch-Glace.

Bei Letzterem wäre es nicht unverdient, wenn der Käufer statt des vermeintlichen Bärlauch-Glaces ein Maiglöckchen-Eis in die Finger bekäme und sich eine bewusstseinsverändernde Vergiftung einheimst, die ihn wieder zu Sinnen kommen lässt. (dam)

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