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Meinung
Bildkombo: Im Hintergrund ein Gebäude an dem eine ältere Frau vorbeiläuft. Über ihr hängt ein rotes Transparent auf dem mit weisser Schrift 13. AHV-Rente JA geschrieben steht. Oben rechts in einem weiss-umrandeten Kreis sieht man das Portrait von Michael Kaspar.

Leitartikel zur AHV-Abstimmung

Wer beisst nun in den sauren Apfel?

Das Ja zur 13. AHV-Rente war zu erwarten. Die Ernüchterung folgt wohl bald. Denn auf die Freude der Rentner über das Geld kommt die Rechnung für alle. Und das schneller, als manchen lieb ist.

Veröffentlicht am: 03.03.2024 – 17.27 Uhr

Es war sehr eindeutig, das Ergebnis. Eine klare Mehrheit sagt Ja zu einer Erhöhung der AHV-Renten um rund 8 Prozent. Nicht für eine zusätzliche Rente. Die 13. Rente wird nicht als «Dreizehnter» ausbezahlt, sondern wird wohl der Einfachheit halber als Erhöhung der heutigen Renten umgesetzt werden.

Vielleicht ist das die erste Enttäuschung für jene, die freudig Ja gestimmt haben, in der Annahme, die 13. Rente vielleicht für etwas Besonderes verwenden und entsprechend zur Seite legen zu können. Und so werden viele Rentnerinnen und Rentner kaum merken, dass sie mehr Geld bekommen. Anders die rund 200'000 wirklich Bedürftigen in der Schweiz, die unter dem Existenzminimum leben. Aber helfen ihnen die 200 Franken im Monat wirklich? Es wäre zu hoffen, und ihnen ist der Zustupf zu gönnen. Aber für sie gibt es bessere Lösungen.

Für alle anderen kommt der Zahltag auf der anderen Seite. Und damit auch für jene, die vielleicht gerade so über die Runden kommen, nicht in Armut leben, aber sich trotzdem nichts leisten können. Die unter den Krankenkassenprämien leiden und unter den sonst an allen Ecken und Enden gestiegenen Preisen. Sie bezahlen die Zeche dieser AHV-Erhöhung in Form von höheren Lohnabzügen oder einer höheren Mehrwertsteuer. Wahrscheinlich wird sogar beides nötig werden, um das drohende Finanzloch der AHV zu stopfen. Und von einer Erhöhung der Bundessteuern reden wir schon gar nicht, ist aber auch möglich.

Die Erhöhung der AHV ist verbindlich auf das Jahr 2026 festgelegt. Bereits im ersten Jahr wird das über 4 Milliarden Franken kosten. Bis dann wird der Bundesrat also eine Lösung gefunden haben, wie das Ganze finanziert werden soll. Und egal, auf welche Idee er kommt: Eine weitere Volksabstimmung zur Finanzierungsfrage ist so gut wie sicher.

Bundesrat und Parlament sind also unter Druck. Sinnvoll wäre es zwar, die Finanzierung der AHV-Erhöhung in die nächste AHV-Revision zu integrieren. Aber diese muss der Bundesrat erst Ende 2026 abliefern. Der Zeitplan geht also nicht auf. Deshalb darf angenommen werden, dass die Finanzierung der 13. AHV-Rente mit einer neuen Vorlage geregelt werden muss – gut möglich, dass das noch in diesem Jahr geschieht. Und es ist ebenso wahrscheinlich, dass das Volk diese dann ablehnt, was das Problem noch vergrössert, weil die höhere AHV trotzdem ausbezahlt werden muss. Ein Teufelskreis.

Wir haben uns also einen Bärendienst erwiesen. Viel besser wäre es gewesen, der Initiative einen Gegenvorschlag entgegenzusetzen. Sinnvolle Ideen dazu gab es. Die parlamentarische Initiative Rieder/Mettler wollte nur die 40 Prozent der einkommensschwächsten Rentenbezüger unterstützen. Aber das Parlament hatte kein Gehör, es hat die AHV-Vorlage nicht ernst genommen.

Nun, jammern hilft nichts. Auch Schuldzuweisungen nicht, obschon sich die bürgerlichen Parteien und die Wirtschaftsverbände hoffentlich an der Nase nehmen. Sie haben viel zu lange geschlafen und gehofft, dass die AHV-Erhöhung abgelehnt würde. Dafür ist das Erwachen umso heftiger.

Die Lösung des Problems wird schwierig. Wenn jetzt alles einfach auf die Bevölkerung abgewälzt wird, sind Niederlagen in Abstimmungen vorprogrammiert. Allzu hektisch sollten die Verantwortlichen nicht zur Sache schreiten – da ist es doch beruhigend, dass übermässiges Tempo im Berner Regierungsbetrieb üblicherweise kein Problem ist.

Und trotzdem wird die ohnehin bereits dramatische Finanzlage des Bundes jetzt noch mehr verschärft. Nur mit finanzpolitischen Tricks konnte das Budget mit 2,6 Milliarden Defizit an der Schuldenbremse vorbeigemogelt werden. In allen Bereichen ist man derart kurzsichtig unterwegs, dass harte Entscheide nötig werden, damit die Finanzpolitik unseres Landes nicht endgültig aus dem Ruder läuft.

Mittelfristig muss eine Erhöhung des Rentenalters kommen, auch wenn die Renteninitiative deutlich abgelehnt wurde. Die Privathaushalte können nicht alle Fehlleistungen des Parlaments ausbaden. Der Bundesrat wird nicht darum herumkommen, dies in seiner AHV-Reform 2026 vorzuschlagen. Und woher das dringend benötige Geld für den Ausbau der Armee kommen soll, steht in den Sternen. Die Landwirtschaft wehrt sich bisher erfolgreich gegen Kürzungen der Direktzahlungen, die Hochschulen auch, aber weniger erfolgreich.

Im Frühjahr plant das Parlament, ein Konzept vorzulegen, wie die Finanzen ins Lot gebracht werden könnten. Wenn das nur gut kommt.

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