Massimo Calabrese beginnt seine Fortgeschrittenen-Klasse in Fällanden mit «Wer weiss, was wir das letzte Mal gemacht haben?» Die vier Jugendlichen Annina (18), Elliot (15), Elof (14) und Thierry (14) wissen es haargenau. Sie zeigen einige «Moves», bewegen sich souverän, langsam und in einem Fluss, es sieht etwas unmenschlich aus – und erinnert an eine Mischung aus Terminator und sich langsam bewegende Gummibäume.
«Genau, führt den Flow weiter, so dass der Körper ganz geschmeidig wird – und nehmt die Beine mit», coached der zweifache Schweizermeister des Hip Hops. «Kommt in die Hitze der Musik, harmoniert mit ihr, das ist das Wichtigste.» Calabrese trainiert die vier Jugendlichen, die sich alle für die Schweizermeisterschaften qualifizieren konnten.
Im Vergleich zu Calabreses Schülerinnen und Schüler, müsste die Journalistin wohl noch etwas länger üben. Der Tanzlehrer zeigt ihr auch ein ein paar Schritte. Sie versagt jämmerlich: Sie hat die falschen Schuhe dabei und den «Move» mit den Armen und den Handflächen geht nicht so locker-flockig, wie das beim geübten Maestro aussieht. Er nennt sich übrigens Headstrong, «weil ich als Tänzer manchmal etwas eigensinnig bin», sagt er und schmunzelt.
Selber sei er nie in eine Tanzschule gegangen, erzählt der 36-Jährige aus Greifensee. Den Hip Hop hat er sich selbst beigebracht. Dieser Tanzstil hat ihn schon mit dreizehn in der ersten Oberstufe gepackt. «Ich hatte einen Schulkollegen, welcher Breakdance konnte», das hat mich fasziniert.
Also hat sich Calabrese Videos der besten Tänzer aus aller Welt – vor allem aus Frankreich und Deutschland angeschaut, sich dieselben Musiktracks runtergeladen und geübt. «Ich bin ein visueller Mensch, ich hab versucht, mich in die jeweiligen Tänzer hinein zu versetzen und ihre Moves zu imitieren». In einem zweiten Schritt habe er sich einen eigenen Stil zugelegt, die Bewegungen zu seinen eigenen gemacht.
Zum Beispiel seien «Les Twins» aus Frankreich für Calabrese damals eine grosse Inspirationsquelle für ihn gewesen. Diese waren schon vor 12 Jahren als 21-Jährige zu Gast in der Show der Amerikanerin Ellen Degeneres.
Eigentlich trainierte der Greifenseer zu der Zeit noch als Nachwuchs-Profifussballer bei Juventus. Doch nach einem Unfall an der Achillessehne mit einem Knochensplitter war der Traum für den damals 23-Jährigen vorbei. «Jeder träumt doch davon Fussballprofi zu werden, aber im Nachhinein würde ich mich viel früher fürs Hip-Hop tanzen entscheiden.»
Vom Nachwuchsfussballer zum Hip-Hop Tänzer
Schon vor dem Unfall ist Calabrese oft nach Zürich an Partys gefahren, zum Beispiel in die «Härterei» oder ins «Kaufleuten». «Im Club haben sich dann jeweils Kreise gebildet, wo man gegenseitig gebattled hat.» So habe alles angefangen. «Ich bin da einfach in den Kreis hinein und habe getanzt.» Danach habe jemand zu ihm gesagt: «Du bist gut, mach was daraus.»
Beim Tanzen hat er auch einen Kollegen kennengelernt. Gemeinsam wagten sie den nächsten Schritt: «Wir waren so überzeugt von uns, dass der Kollege uns beide direkt zur Schweizer Qualifikation angemeldet hat». Calabrese landete prompt auf dem sechsten Platz. «Das hat mich damals schon sehr motiviert.»
Hip-Hop Freestyle ist anders, als der bekanntere Breakdance, bei dem die Akrobatik eine grosse Rolle spielt. Eines von Calabreses Vorbildern ist Waidy aus Frankreich: «Er bringt viel Ausdruck mit dem ganzen Körper rüber.
Ende Oktober nimmt Calabrese aka Headstrong an den World Hip Hop & Popping Championships teil, diese werden von der International Dance Organisation (IDO) in Polen veranstaltet . «Mein grösstes Ziel: Dabei ins Finale zu kommen», sagt der 36-Jährige. «Ich bin ja in letzter Zeit immer der Älteste unter den Teilnehmern, sowas wie ein Dinosaurier.»
Wahrscheinlich sei dieses Jahr das letzte Mal, dass er mitmache. «Ich wachse so langsam aus der Szene heraus.» Gerne möchte er, noch bevor er seinen Vierzigsten feiert, eine Familie gründen. Da brauche es halt auch ein sichereres Einkommen. Er selbst sieht sich in der Informatik kann sich aber auch einen Quereinstieg in einem Beruf mit Kindern vorstellen.
Seine Augen glänzen dennoch, als er von einem möglichen Finale erzählt. «Im Finale hast du die ganze Bühnenfläche für dich alleine und tausend Augen sind auf dich gerichtet. In der Endrunde kannst du zeigen, was du drauf hast.» An der Europameisterschaft im Sommer 2022 hat der Tanzlehrer es schon einmal auf den vierten Rang geschafft. «Das Podest habe ich da nur knapp verpasst», schmunzelt der Greifenseer.
Schweizermeister und trotzdem Mensch geblieben
Das Unterrichten werde er eines Jobs wegen aber sicher nicht aufgeben. «Ich arbeite gerne mit Kindern und Jugendlichen, es macht mir Freude, sie zu fördern.» Er könne sie gut «catchen» und mit ihnen arbeiten. Das bestätigt auch Meck Walther, ein Vater der nach der ersten Tanzstunde an diesem Freitagabend auf seine Tochter Amanda wartet. «Ich mag Massimos Art. Trotz Schweizermeister ist er null überheblich», sagt Walther. Auch Amanda schwärmt von der Stunde, aber aus anderen Gründen: «Ich bin gerne mit meinen Kolleginnen hier.»
Ursprünglich hatte Calabrese seine Tanzschule «Just you – express yourself» 2010 in Greifensee gegründet. Die Pandemie ist jedoch auch an der Tanzschule nicht spurlos vorüber gegangen. Calabrese musste die Schule vor einem Jahr schliessen. «Nach Corona sind erst sehr viele Menschen wieder ins Hip-Hop gekommen, doch die anfängliche Euphorie ebbte leider nach einer Weile schnell wieder ab», sagt der Tanzlehrer.
So ist er dieses Jahr nach Fällanden umgezogen, wo er sich im Tanzstudio Brooklyn Dance School von Alexandra «Ally» Weber einmietet und seine Kurse gibt. «Sobald sich passende Räumlichkeiten ergeben, würde ich gerne auch wieder Kinder ab acht Jahren in Greifensee unterrichten.»
Hip Hopkurse bei Headstrong
Trainingszeiten für Kinder und Jugendliche sind jeweils Montag und Freitag. Genauere Infos sind auf der Webseite von Massimo Calabrese zu finden.