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Eine weiss gekleidete Frau lehnt sich an die Aussenwand eines Hauses.

Olivia Gray kann einfach nicht von der Musik lassen. Foto: Susanne Bucher

Musikerin aus Wangen

Ihr Feuer brennt noch – trotz Schicksalsschlägen

Olivia Gray aus Wangen ist mit drei neuen Singles und einem Album zurück im Musikgeschäft – und auch zurück im Leben. 

Olivia Gray kann einfach nicht von der Musik lassen. Foto: Susanne Bucher

Veröffentlicht am: 15.01.2025 – 07.00 Uhr

Olivia Gray hat ein schreckliches Jahr hinter sich. Noch eines. Und doch blitzt aus ihren Augen eine Entschlossenheit, ein Schalk, all den Widrigkeiten zum Trotz. «Säg nie s’Füür seg verlosche» heisst ihre Single, die sie im vergangenen November veröffentlicht hat. Der Songtitel bringt genau auf den Punkt, wie Gray tickt. Aufgeben kommt für sie nicht infrage.

Den richtig grossen Durchbruch als Musikerin hat sie nie geschafft. Dennoch hat die zierliche Frau, aufgewachsen in Dübendorf, Single um Single, Album um Album veröffentlicht. Oft war sie nur einen Hauch davon entfernt, von einem grösseren Publikum wahrgenommen oder gar berühmt zu werden. Sie machte immer weiter, denn die Musik ist ihr Leben. «Mit der Musik kann ich alles ausdrücken, was ich fühle. Ich glaube, ich mache so lange Musik, bis ich umkippe», sagt sie.

In ein tiefes Loch gestürzt

So, wie die Musik waren auch ihr Mann, der Musikproduzent Willy Viteka, und ihr Leben. Bis er im Jahr 2020 an den Folgen von Corona gestorben ist und mit ihm auch ein Teil von Olivia Gray. Seit ihrem 18. Lebensjahr waren die beiden zusammen und auch beruflich aufs Engste miteinander verknüpft. Die Musik und die Kunst waren ihr gemeinsamer Nenner.

In den 1980er Jahren haben sie zusammen den Musikverlag Viteka Musik AG aufgebaut. Viteka war es, der die Texte von Olivia schrieb und ihre Songs produzierte. «Wir haben alles gemeinsam gemacht, alles», sagt Gray, die im zivilen Leben den Nachnamen ihres Mannes trägt.

Vier lange Jahre sind seit seinem Tod vergangen, der sie in ein tiefes Loch stürzte. Statt der Musik gab sie sich dem Trauerprozess hin und musste sich in einem neuen Leben zurechtfinden. In ihrem grossen Haus in Wangen, das ohne ihren Mann leer ist und doch voller Erinnerungen an die gemeinsame Zeit steckt. In diesen Jahren hatte sie keinen einzigen Song mehr komponiert. «Es ging einfach nicht mehr», sagt sie.

Knapp am Hit vorbei

Nur einmal in ihrem Leben hatte sie eine ähnlich lange Schaffenspause. Damals, im Jahr 1987, als die Hitparade noch lediglich 15 Songs zählte statt wie heute 100. Ihr Song «Nobody Wants to Be Lonley», der in Südamerika Erfolge feierte, landete in der Schweiz auf Platz 16 und verpasste damit knapp den Hitstatus. Die Enttäuschung war gross und musste erst einmal verdaut werden.

Dabei hatte die Karriere von Olivia Gray so verheissungsvoll begonnen. In den 1980er und 1990er Jahren nahm sie ihre Songs in den legendären RG Jones Recording Studios in London auf, in denen Bands wie die Rolling Stones oder Elton John ein und aus gingen. Begleitet wurde sie von der Band von Cliff Richard. «Olivia, wann gehen wir zusammen auf Tournee?», hätten sie sie gefragt. «Die Aufnahmen mit diesen Topmusikern waren das grösste Highlight meiner Karriere», erinnert sich Gray.

Olivia Gray stellte im Februar 2005 ihre neue CD vor.
Olivia Gray stellte im Februar 2005 ihre neue CD vor. (Archiv) Foto: Manuel Reimann

Sie führte ein aufregendes Leben, war oft auf Reisen, hat an den grössten internationalen Songfestivals teilgenommen, in Japan, in Chile oder Südkorea. Sie war unter Vertrag bei Sony, bei EMI und anderen Plattenfirmen. Beim Stil hat sie sich nie festgelegt. Ihre Palette reichte von melodiösen Balladen über Latin Pop, Country, Rock bis hin zu R’n’B. «Ich liess mich nie schubladisieren», sagt sie. Mal sang sie Mundart, mal Englisch, mal Spanisch.

Aber eben: Das letzte Quäntchen Glück blieb ihr stets versagt. Einmal, da wurde ihr Song auf einem Radiosender rauf und runter gespielt – jedoch nur für kurze Zeit. Der Sender ging just in dieser Phase in Konkurs. Sie hat noch einige solcher Geschichten auf Lager. Doch heute ist sie mit diesen Rückschlägen versöhnt: «Auch die kleinen Erfolge gaben mir Befriedigung. Jetzt bin ich dankbar dafür, dass ich immer machen konnte, was ich am liebsten tat.»

Hilfe von Freundinnen und dem Kater

Dass Gray heute wieder Musik veröffentlicht, verdankt sie vor allem zwei Umständen. Zum einen wollte sie wieder singen, und das nicht nur im stillen Kämmerlein. Zum anderen konnte sie auf unveröffentlichtes Material zurückgreifen, weil vor dem Tod ihres Mannes die Melodien jeweils nur so aus ihr herausgesprudelt waren.

So nahm sie früher komponierte Melodien hervor, schrieb sie um und versah sie mit neuen Texten. Dann ging sie damit ins Tonstudio und machte, was sie schon immer gemacht hat: Sie nahm die Songs auf. Ende Januar wird ihre zweite Single «Gfallne Ängel» und im Frühjahr das Album «Im Morgenlicht» gemeinsam mit der dritten Single «Du fählsch mir so» veröffentlicht.

«Du fählsch mir so» ist ihrem Mann gewidmet und ist Teil ihres Verarbeitungsprozesses, der sie zurück ins Leben brachte. «Ich hatte die Wahl, entweder zu resignieren oder weiterzumachen», sagt Gray. Stück für Stück hat sie in den letzten Jahren und Monaten wieder Tritt gefasst. Dank ihren engen Freundinnen. Dank ihrem Kater, der ihr täglich treu Gesellschaft leistet. Und dank der Malerei. Diese ist neben der Musik ihre zweite grosse Leidenschaft. Zuletzt hat sie ihre Werke zusammen mit anderen Künstlern in der Oberen Mühle in Dübendorf ausgestellt.

Eine weiss gekleidete Frau lehnt sich an die Aussenwand eines Hauses.
Olivia Gray vor ihrem grossen Haus in Wangen, das nach dem Tod ihres Mannes auf sie fürchterlich leer wirkte. Foto: Susanne Bucher

Vergangenes Jahr wollte sie den Musikverlag verkaufen, das Lebenswerk von ihrem Mann und ihr. Auch ihr zweites Zuhause auf Mallorca wollte sie veräussern, zu viele Erinnerungen sind damit verbunden. Doch beide Verkäufe sind unabhängig voneinander auf unschöne Weise gescheitert. «Das hat mir extrem zugesetzt und mich nochmals in eine tiefe Krise gestürzt», erzählt sie.

Im letzten Herbst starb auch noch ihr letzter Verwandter. Ein Onkel, zu dem sie ein enges Verhältnis pflegte. «Das Jahr 2024 kann man rauchen. Obwohl ich gar nicht rauche», sagt Gray mit einem Anflug von Ironie. Und wieder blitzt dieser Lebenswille auf. Die Momente der Leichtigkeit sind in ihr Leben zurückgekehrt. Denn das Jahr 2024 ist nicht nur ein Jahr zum Vergessen, es ist auch das Jahr, in dem sie wieder angefangen hat, Musik zu machen. In dem sie die erste Single nach langer Zeit herausgab. Mit dem Titel: «Säg nie s’Füür seg verlosche».

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