nach oben

Anzeige

Kultur
abo
Frau mit Katzenohren-Headset spielt Videospiel.

Wenn Anita Herczeg spielt, kann es auch mal laut werden. Foto: Simon Grässle

Diese Frau liebt Videospiele

«Ich mag es nicht, wenn Gamer merken, dass ich eine Frau bin»

Anita Herczeg aus Dübendorf ist ein echtes «Gamergirl». Bei Ballerspielen wird sie regelmässig von ihren männlichen Artgenossen unterschätzt.

Wenn Anita Herczeg spielt, kann es auch mal laut werden. Foto: Simon Grässle

Veröffentlicht am: 09.07.2024 – 13.37 Uhr

«Aaach nein, schon wieder ein Mädchen!» – «Gamergirl» Anita Herczeg ist gering schätzende Kommentare beim Stelldichein mit männlichen Online-Zockern gewohnt. Und was entgegnet die Dübendorferin darauf? «Nichts», sagt Herczeg, «ich lasse meinen Controller sprechen.» Und so zeigt sie den Jungs in ihrem Team im Ballerspiel «Call of Duty», wie Kopfschüsse mit dem Scharfschützengewehr verteilt werden. Worauf sie immerhin ein «wow, du bist ja richtig gut – für ein Mädchen» zu hören bekommt.

Anita Herczeg ist online als «Buborek» anzutreffen. Ungarisch für Blase, was sie auf Deutsch doof findet und lieber auf Englisch (Bubble) übersetzt. Ein männlich klingender Name, was ihr ganz recht ist: «Ich mag es nicht, wenn Gamer merken, dass ich eine Frau bin.»

Die 30-Jährige spielt seit ihrer Kindheit. Videospiele waren der kleinste gemeinsame Nenner zwischen ihrem älteren Bruder, der sich sonst nur für Fussball interessierte, und ihr, der leidenschaftlichen Tänzerin.

Vor allem «Sims» hat es ihr schon als Mädchen angetan. In diesem Game managt die Spielerin den Haushalt von einem oder mehreren Menschen. Das Bauen und das Einrichten von Häusern gefielen Herczeg.

Eine Chefin, die zockt?

Heute ist sie Geschäftsführerin eines Möbelhauses in Dübendorf – also in der realen Welt. Denn irgendwie muss ja auch Geld reinkommen. Neben ihrem Job betreibt sie den Onlineshop gamergirl.ch für Videospielfans. Sie stellt sich in ihrem Shop als «Gamergirl» vor und spricht mit allerlei elektronischem Zubehör vor allem weibliche Kundschaft an. Wie etwa den Katzenohren-Headsets, die sie selbst trägt.

Als sie die Katzenohren vor ein paar Jahren unbedingt zum Zocken haben wollte, musste sie im Ausland bestellen. «Für Frauen gab es kaum etwas in der Schweiz. Deswegen habe ich den Shop eröffnet – und aus purer Leidenschaft fürs Gamen.»

Der Laden ist für Herczeg Nebenmission. Berufliche «Hauptquest», um in der Gamersprache zu bleiben, ist das Möbelgeschäft, wo immer mal wieder ein Mitarbeiter baff ist, wenn er erfährt, dass die Chefin in ihrer Freizeit leidenschaftlich zockt.

Ballern gegen Ehemann

Diese Freude teilt sie mit ihrem Mann Bence. Sie spielen vieles gemeinsam, wechseln sich am Controller ab – oder kämpfen bis zum Tod gegeneinander. Niederlagen nimmt Anita Herczeg nicht einfach so hin. «Ich werde schnell aggressiv und schreie rum.» Weil ihr Mann im Ego-Shooter «Counter Strike» geübter und besser ist, schreit sie viel, während er dazu grinst.

Herczeg schimpft je nach Nationalität der Online-Mitspieler auf Ungarisch, Englisch oder Deutsch. «Na ja, ein bisschen Aggressionen abbauen gehört halt dazu. Meine Mitarbeiter sind sicher froh, dass ich beim Gamen schreie und nicht im Geschäft.»

Es gibt Spiele, die jeder für sich spielt. Bei ihm ist es das Strategiespiel «Heroes», sie spielt derzeit gerne die Zelda-Reihe und allgemein Abenteuerspiele mit guter Story. «Heutzutage erzählt manches Game eine bessere Geschichte als Filme und Serien.»

Es darf aber ruhig auch düster sein. Die Zombieapokalypse «Dying Light» hat sie nächtelang durchgezockt, um sich dann tags darauf an die Uni zu schleppen. «Das war anstrengend, aber wenn man jung ist, geht so was.»

Gerne schauen sie sich auch gegenseitig beim Gamen zu. Ob Nintendo Switch, Playstation oder PC – Anita Herczeg und ihr Mann sind auf den meisten Konsolen zu Hause. Immer dabei hat sie die portable Switch.

Baby an der Konsole

So auch während ihrer letzten Ferien, als sie die Spielkonsole fein säuberlich in ein eigens dafür vorgesehenes Handtäschchen verstaut hatte und damit durch den Security-Check des Zürcher Flughafens wollte, bis sie von einem Sicherheitsbeamten aufgehalten wurde. Aber nicht, wie Herczeg erst dachte, weil das elektronische Gerät noch eingepackt war. «Er hat mich angesehen und gesagt: Ich habe noch nie eine Frau mit einer Spielkonsole gesehen.»

Gemeinsam freuen sie sich auf die Fortsetzung des Gangsterklassikers «Grand Theft Auto». Der sechste Teil der Reihe spielt in Miami und soll nächstes Jahr erscheinen.

Das Dübendorfer Ehepaar war schon oft in Miami und ist gespannt auf die Nachbildung der virtuellen Welt. Von der Kopie von Los Angeles – der aktuellen Ausgabe von «Grand Theft Auto» – waren die beiden begeistert: «Teile von L.A. sind im Game so gut nachgebildet, dass wir ohne Navi die Stadt erkundeten. Wir haben die Bank gesehen, die wir ausgeraubt haben, oder das Haus des Hauptprotagonisten.» 

Eine Frau und ein Mann sitzen in L.A. vor einem Polizeiauto.
«Gamergirl» Anita Herczeg und ihr Mann Bence lieben Videospiele. Eines ihrer Lieblingsspiele ist «Grand Theft Auto 5», das in L.A. spielt. In ihren Ferien haben sie die Originalorte besucht, die auch im Game eine Rolle spielen. Foto: PD

Gamen geht für die beiden eigentlich immer. Aber bei schönem Wetter machen sie auch mal Sport – gehen wandern oder joggen. «Die letzten paar Regenwochenenden haben wir jedoch viel gespielt.»

Doch für das Paar wird sich nun einiges ändern. Anita Herczeg ist schwanger. Sie weiss schon, wie sie aus dem Neugeborenen ein «Gamergirl» oder einen «Gamerboy» macht: «Nach zwei Jahren bekommt das Baby die Switch», sagt Herczeg und lacht. «Ich hoffe schon, dass wir eine ‹Gamerfamilie› bleiben.»

Anzeige

Anzeige