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Lilian Frei, die auf einem Stuhl in einem verwilderten Garten sitzt.

Lilian Frei sitzt in ihrem neuen «Garten» – einem verwilderten Tennisplatz. Foto: Simon Grässle

Künstlerin performt im Atelier

Sie lädt zur Kunst-«Sprechstunde» in Dübendorf ein

Lilian Frei residiert diesen Sommer im Atelier der Stadt Dübendorf. Die Künstlerin will einmal pro Woche eine offene Tür und offene Ohren anbieten.

Lilian Frei sitzt in ihrem neuen «Garten» – einem verwilderten Tennisplatz. Foto: Simon Grässle

Veröffentlicht am: 14.06.2024 – 11.52 Uhr

Seit dem 1. Mai ist Lilian Frei die neue Gastkünstlerin im Dübendorfer Kunstatelier – einem unscheinbaren Häuschen, das früher als Klubhaus eines Tennisklubs diente. Dahinter, direkt am Gleis, ein überwucherter Tennisplatz, auf dem die Biodiversität von allein zu gedeihen scheint.

Während des Fotoshootings hält es Frei nicht lange vor der Kamera aus. «Darf ich nachher auch noch ein paar Bilder machen?», fragt die Performancekünstlerin, während sie auf dem verwilderten Tennisplatz auf einem alten Plastikstuhl posiert.

Seit ihrem Einzug in Dübendorf sind schon einige Wochen vergangen. «Bis jetzt habe ich vor allem mal geputzt und geräuchert», sagt Frei. Eine mexikanische Freundin hat ihr beim Räucherritual geholfen. «Sie hat dazu Sprüche aufgesagt.» Dazu findet man bei Lilian Frei auf Instagram unter der Rubrik «Dübendorf News» ein Video mit dem Titel «Den Wintermief vertreiben».

Das ehemalige Tennisklub-Häuschen steht im Winter jeweils leer, es gibt keine Heizung. Im Cheminée brennt ein Feuer, denn die Räume sind kühl. Freunde haben ihr Holz mitgebracht, ihr Gottemäitli schenkte ihr eine Kaffeemaschine.

Teller und Tassen hat sie in einem Brocki gekauft. «Ich wunderte mich, dass es hier kein Geschirr gibt», sagt Frei. Sie findet es jedoch toll, mit fast nichts anzufangen. So will sie hier in Dübendorf an die Kunst herangehen. «Es soll ein Ort sein, wo noch alles entstehen kann.»

Frei arbeitet vor allem performativ, ihre Performances sind meistens spontan. Dabei spielen die Zuschauerinnen und Zuschauer oft eine grosse Rolle.

Arbeiten mit dem, was da ist

Die gebürtige Aargauerin sprudelt normalerweise vor Ideen. «Hier möchte ich mich etwas zurücknehmen und die Dinge einfach entstehen lassen.» Ein Nachbar habe sie schon begrüsst und gesagt, er komme dann später vorbei, wenn es etwas zu sehen gebe. «Ich möchte den Prozess allerdings umdrehen und nutzen, was die Leute selber an Themen mitbringen.»

Es ist jedoch nicht so, dass es noch gar nichts zu sehen gibt. Man spürt Freis Handschrift in kleinen Dingen. Ein blauer Liegestuhl im Entrée, dahinter eine pinke Lichterkette, draussen ein Tisch, eingepackt in pinkem Tüll.

Frei hat sich entsprechend gekleidet, die Hosen im gleichen Blau wie der Liegestuhl, das pinke Oberteil passt zur Lichterkette. Frei mag es farbig. Auch die Küche möchte sie noch bunt ausstaffieren. «Küchen sind wichtige Orte», sagt sie.

Je länger Frei erzählt, desto mehr wird klar: Viel Zeit fürs Nichtstun und einfach Entstehenlassen bleibt der Künstlerin nicht, denn sie ist nominiert für den Performancepreis Schweiz. Dieser wird im Herbst in der Gessnerallee in Zürich vergeben. Ihr Auftritt dazu muss noch vorbereitet werden.

Pralinen als Totenkopf

Zudem giesst Frei jeden Tag einen kleinen Totenschädel aus Schokolade. Dafür experimentiert sie mit ganz weisser und dunkler Schokolade. «Mit der elfenbeinfarbigen Schoggi wirken die Köpfe natürlich noch etwas ‹gfürchiger›», sagt sie. Jeder Schädel sei einzigartig.

«Viele finden diese Totenköpfe makaber, essen tun sie sie dann trotzdem», schmunzelt die Künstlerin. Die Süsse der Schokolade und den Tod will die Künstlerin zum Thema machen. Beim Essen der Schädelpralinen würden die Menschen diese Kombination verinnerlichen.

Frei plant, jeden Dienstagabend zur Apéro-Zeit ihre Räume während zweier Stunden für eine Art «Sprechstunde» zu öffnen. Damit sind die Besuchszeiten konzentriert – und sie kann sich für den Rest der Zeit ganz auf ihre Arbeit fokussieren.

Für die «Sprechstunde» hat sie ein grosses Plakat in Auftrag gegeben. Sie will es an der Seitenwand des Holzhäuschens anbringen. «Damit mich die Leute auch finden.»

Mit einem Plakat Publikum anziehen

Das grosse Transparent soll die Dübendorferinnen und Dübendorfer auf Freis Anwesenheit aufmerksam machen. «Der Text wird irgendwas mit dem hohen Gras vor dem Haus zu tun haben.» Denn das sei ihr Empfang gewesen, als sie hier angekommen sei. «Ich wusste im Vorfeld gar nicht, wie schön es hier sein wird. Alles spriesst und gedeiht», sagt sie.

Zu einem späteren Zeitpunkt wird die Performancekünstlerin ihre Räume auch als temporäres Café öffnen und dazu ihre Schoggi-Totenköpfe servieren. «Dabei soll sich das Gespräch ganz um die Vergänglichkeit und den Tod drehen.» Filmen oder fotografieren möchte sie diese Momente aber nicht. «Das soll nicht festgehalten werden, sondern einfach aus der Situation heraus entstehen und auch wieder vergehen.»

Die Besuchszeiten im Klubhäuschen

Die wöchentliche «Sprechstunde» mit der Künstlerin Lilian Frei findet immer am Dienstag zwischen 17 und 19 Uhr statt. Dafür muss man sich nicht anmelden, sondern kann einfach an der Bettlistrasse 5 in Dübendorf vorbeischauen.

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