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Zwei Frauen in einem Nähatelier

Eveline Hunziker (links) kennt sich aus mit der Nähmaschine, Pascale Wiedemann mit der Kunst. Foto: Fabienne Würth

Kunst im Dübendorfer Nähatelier

104 Kissen und eine Nähfreundschaft

Die Dübendorfer Näherin Eveline Hunziker und die Künstlerin Pascale Wiedemann haben sich für ein gemeinsames Projekt zusammengetan. Jedes kreierte Stück ist ein erschwingliches Unikat – nicht nur für Kunstinteressierte.

Eveline Hunziker (links) kennt sich aus mit der Nähmaschine, Pascale Wiedemann mit der Kunst. Foto: Fabienne Würth

Veröffentlicht am: 10.10.2023 – 15.45 Uhr

Pascale Wiedemann ist zu Besuch im Atelier von Eveline Hunziker in Dübendorf. Bis unter die Decke stapeln sich kunterbunte Fäden, Stoffe und andere Nähutensilien. Die beiden Frauen stecken die Köpfe zusammen. Denn die bekannte Zürcher Künstlerin hat neue Ideen für Sitzhocker mitgebracht, die sie zusammen mit Hunziker umsetzen möchte.

Die Künstlerin und die Näherin

Wiedemann ist seit 2001 mit ihrem Ehemann Daniel Mettler in verschiedenen Bereichen von Kunst am Bau bis hin zur Produktion von Objektunikaten tätig. Sie hat eine Technik entwickelt, um Samt mit Javel-Wasser punktgenau künstlerisch zu gestalten. Dabei entstehen beispielsweise sogenannte Art Patches, die Hunziker gekonnt in Kleidungsstücke, Kissen oder Hocker einnäht.

Eveline Hunziker hat als Handarbeitslehrerin gearbeitet und ist seit zehn Jahren für die Nähmaschinenfirma Bernina als Kursleiterin, Instruktorin und Verkaufsberaterin tätig. Jetzt gerade studiert sie die Skizzen auf dem Tisch und holt dann aus einer Kiste Stoffproben hervor, die gross mit «Material für die Künstlerin» beschriftet ist.

Mit routinierten Griffen legt sie diese so aus, dass man sofort erkennt, wie der Hocker später aussehen wird. «So funktioniert unsere Zusammenarbeit», erklärt Wiedemann, «ich habe die verrückten Ideen, und Eveline setzt sie für mich um.»

Erschwingliche Kunst

Seit sieben Jahren arbeiten die beiden zusammen, Streit hat es noch nie gegeben. «Wir ticken gleich, sind auch beide Workaholics», verrät Hunziker. Nicht selten würden noch nachts um 23 Uhr Whatsapp-Nachrichten geschrieben. Wiedemann ist froh, wenn Hunziker die Machbarkeit ihrer Visionen genau prüft: Lässt sich der Reissverschluss problemlos öffnen? Sind die Fransen nicht im Weg, wenn man den Bezug wäscht?

Wiedemann legt viel Wert auf Qualität. Die Stoffe müssen in Europa hergestellt worden sein und hohe Ansprüche erfüllen. Jedes Produkt, das im Dübendorfer Nähatelier entstehe, sei ein Unikat und solle auch erschwinglich bleiben – nicht nur für reiche Kunstinteressierte.

Zwei Frauen in einem Nähatelier
Künstlerin Pascale Wiedemann (links) und Näherin Evelyne Hunziker erstellen Kunst zusammen. Foto: Fabienne Würth

Wiedemann gesteht lachend: «Ich habe vor längerer Zeit realisiert, dass ich mir meine eigene Kunst nicht leisten könnte.» Daraufhin habe sie einen Weg gesucht, Kunst allen zugänglich zu machen. Ein Kissen sei bereits ab 250 Franken auf ihre Website und in ausgewählten Fachgeschäften erhältlich.

Aus Zufall entsteht Freundschaft

Um den Samt in die Stoffe einzuarbeiten, sind viel Feingefühl und noch mehr Können nötig. Jemanden zu finden, der über diese Kompetenzen verfügt, war für Wiedemann nicht leicht. «Ich war auf der Suche nach einer guten Näherin und fragte bei einem Einkauf in einem Fachgeschäft in Oerlikon die Verkäuferin, ob sie jemanden kenne, der diese Aufgabe übernehmen könnte.»

Wie es der Zufall wollte, war Eveline Hunziker die Verkäuferin. Damals nähte und bestickte sie nebenbei im kleinen Rahmen Gegenstände, um sie auf Märkten zu verkaufen.

Für Hunziker war sofort klar, dass sie diese schwierige Aufgabe selbst übernehmen musste. Sie kannte schlicht niemanden, der den Samt, wie von Wiedemann gewünscht, verarbeiten konnte. Hunziker erinnert sich: «Ich hatte keine Ahnung, wer da vor mir stand. Erst viel später habe ich Pascale Wiedemann gegoogelt – und grosse Augen gemacht, als ich erkannte, wie berühmt sie ist», sagt sie mit einem Schmunzeln.

104 Kissen allein für Jelmoli

Mittlerweile arbeiten die beiden Frauen routiniert zusammen und haben bereits viele Projekte umgesetzt – unter anderem 2021 für das Warenhaus Jelmoli. Innert kürzester Zeit musste Eveline Hunziker für eine grosse Ausstellung über 100 Kissen produzieren – neben ihrem Job bei Bernina.

«Natürlich habe ich mir überlegt, die Arbeit auszulagern», blickt Hunziker zurück. «Ich hatte mir aber so viel Wissen über die Verarbeitung von Samt angeeignet, das hätte ich niemandem in so kurzer Zeit weitergeben können. Also habe ich die eine oder andere Nachtschicht eingelegt.»

Sie freut sich bereits auf das neue Projekt mit Pascale Wiedemann. Schon heute weiss die Dübendorferin, dass sie dabei vor neuen Herausforderungen stehen wird. Aber genau das liebe sie. Dass sie dabei immer im Hintergrund bleibt, stimmt für Eveline Hunziker perfekt: «Pascale hat die Ideen und macht die Art Patches – und ich mache das, was ich am liebsten mache und am besten kann: Ich nähe.»

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