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Vier Musiker spielen in einem Übungsraum.

Da steigt der Blutdruck: Fräeser machen schnell gespielten Lärm mit Melodie. Foto: Christian Merz

An die Gitarren, fertig, los!

Schnell und dreckig – so tönt’s im Dübendorfer Untergrund

Ein Besuch im Übungsraum der Dübendorfer Punkband Fräeser zeigt: Manchmal muss man sich eben von gewissen Vorurteilen verabschieden.

Da steigt der Blutdruck: Fräeser machen schnell gespielten Lärm mit Melodie. Foto: Christian Merz

Veröffentlicht am: 14.09.2023 – 16.11 Uhr

Okay, wir haben ein paar leere Bierflaschen, Equipment, das sich bis unter die Decke türmt, einen XXL-Kabelsalat, einen halbnackten Schlagzeuger, der sich warmspielt. Aber irgendwas fehlt… ja genau: Es liegt weder Abfall rum, noch ist der typische Übungsraumgeruch aus Schweiss und verschütteten Alkoholika wahrnehmbar.

Und wer giesst eigentlich diese prächtig gedeihende Topfpflanze?

Hier, im ersten Stock eines Zweckbaus in einem Dübendorfer Gewerbegebiet, macht das Rock-’n’-Roll-Klischee des versifften Proberaums erst mal Pause. Und so kann man sich auf eines der Sofas setzen, ohne gleich an seine letzte Hepatitis-Impfung denken zu müssen.

Jetzt erst mal anstossen

Die Band setzt sich dazu: Martin Willms (Gesang, Gebrüll, Gitarre), David Pal (Leadgitarre), Dani Moon (Bass), Victor Beltran (Schlagzeug).

Als Fräeser frönen sie dem gepflegten Punk’n’Roll. Das ist Punkrock, wahlweise angereichert mit Elementen aus Hardrock, Rock’n’Roll und vielleicht auch mal etwas Power Pop. Oder, für ungeübte Ohren: schnell gespielter Lärm mit Melodie.

Doch zurück zum sauberen Übungsraum. «Den teilen wir uns eben mit anderen Bands», sagt Sänger Willms. Das senkt die Kosten, macht dafür aber einigen Koordinationsaufwand nötig. Und eben auch eine gewisse Rücksichtnahme in Bezug auf die Hinterlassenschaften.

Nun aber erst einmal anstossen.

Es ist eine gesellige Runde. Und man merkt schnell: Da sitzen nicht einfach vier Musiker zusammen, das ist so etwas wie Freundschaft. Dabei wären sich die vier unter normalen Umständen wohl nie begegnet. Dafür wohnen sie zu weit voneinander entfernt, haben ein zu unterschiedliches Umfeld sowie einen wenig deckungsgleichen musikalischen Hintergrund.

Und auch die Herkunft könnte kaum diverser sein. Willms kommt aus Deutschland, Pal aus Ungarn, Beltran aus Mexiko. Einzig Moon ist in der Schweiz geboren. Die offizielle Amtssprache der vier ist deshalb Englisch. Ist am einfachsten.

Dieser Übungsraum in Dübendorf, diese Band, das ist ihr gemeinsamer Nenner. Und den wollen sie jetzt erst einmal musikalisch zelebrieren. Dass sie sich mit der Hippie-Hymne «Hey Joe» aufwärmen, mag erst einmal ein wenig verwirren. Aber nun gut, es gibt ja keine Punk-Polizei.

Schliesslich finden sie das Gaspedal doch noch und drücken es mit «Schwarzseher» ordentlich runter: Ein für die Band typischer Highspeed-Rocksong mit vielen Wo-ho-hos, rotzig und gleichzeitig routiniert runtergefiedelt, eines dieser Stücke, mit dem man live die Stimmung in Sekundenbruchteilen in Richtung Euphorie pusht.

Bald in Mexiko?

Doch die Sache mit den Konzerten – sie ist kompliziert. «Die Veranstalter gehen heute kein Risiko mehr ein», sagt Willms. «Wenn nicht sicher ist, dass eine Band viele Leute anzieht, bekommt man schnell mal eine Absage.» Gage gibts sowieso kaum noch. Doch Moon winkt ab: «Uns ist es egal, ob wir für Geld oder Freibier spielen, Hauptsache, wir können auftreten.»

Was Live-Auftritte anbelangt, musste die Band gerade am Anfang ihrer Karriere schwer untendurch. Erst dauerte es lange, bis ein passender Drummer gefunden war, dann kam die Spassbremse Corona.

Doch mittlerweile ist der Terminkalender recht gut gefüllt, nach Gigs in der Schweiz und in Deutschland gehts Ende September für zwei Auftritte nach Ungarn. Ausserdem liegen Einladungen aus Österreich, Italien und Mexiko vor.

«Wir sind brave Steuerzahler»

Einige Tage Bandferien mit dem einen oder anderen Konzert liegen ab und zu mal drin, nicht aber eine richtige Tour. «Wir alle sind im Familien- und Berufsleben eingebunden und können nicht einfach mal ein paar Wochen weg», sagt Moon, der selbständig in Versicherungen macht und an diesem Abend immer mal wieder versucht, am Telefon ein IT-Problem zu lösen.  

Oder wie es Willms ausdrückt: «Wir sind alles brave Steuerzahler.» Deshalb schlagen sie sich im Übungsraum auch nicht die Nächte um die Ohren. Schliesslich muss man am Morgen früh raus.

Was nicht heisst, dass sich da einfach vier Typen ab und zu im Übungsraum treffen, um ein Bierchen zu zischen und nebenbei etwas zu jammen. Die meinen es durchaus ernst. «Der Blutdruck geht immer rauf, wenn wir spielen», sagt Moon, «und das ist es, worum es letztlich geht.»

Vier Musiker spielen in ihrem Übungsraum.
Auch wenn sie mal einen miesen Tag hatten: Nach der Bandprobe ist alles wieder in Ordnung. Foto: Christian Merz

Sänger Willms wird von der Musik sogar bis in den Schlaf verfolgt, denn da legt ihm die Punk-Fee regelmässig Songideen unters Kopfkissen. Sprich: Der Haupt-Songwriter der Band träumt von Melodien. «Und die muss ich im Halbschlaf dann schnell aufschreiben und aufnehmen, sonst sind sie verloren.» Im Proberaum wird dann an den nächtlichen Geistesblitzen gefeilt und manchmal auch gesägt, bis alles passt.

Bro Hymn? Passt!

Hin und wieder verlassen sie auch ihr Refugium, um in Zürich auf einem Dach oder in einem zugigen Keller halbnackt (der Drummer, natürlich) ein Video zu produzieren. Oder um im Tonstudio neue Songs aufzunehmen.

Eine live eingespielte EP und drei Singles haben sie veröffentlicht, zu hören auf den verschiedenen Streaming-Plattformen, CDs kauft ja sowieso niemand mehr. Demnächst kommt mit «Nicht genug» eine neue Single raus.

Damit wäre alles gesagt, und der Schreiber und der Fotograf treten die Heimreise an. Draussen, an der frischen Luft, dröhnt aus dem Übungsraum noch der Basslauf von «Bro Hymn». Der Song der Punk-Ikonen Pennywise ist eine Ode an die Freundschaft und Brüderlichkeit. Passt.

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