nach oben

Anzeige

Justiz
abo
Eingang des Bezirksgerichts Uster

In einem Fall von häuslicher Gewalt verliess der Mann das Bezirksgericht Uster mit einem Teilfreispruch in der Tasche.         Archivfoto: Mike Gadient

Fall aus Dübendorf vor Gericht

Zu vage Anschuldigungen für Verurteilung wegen Vergewaltigung

Erzwungener Sex und Schläge: Die Vorwürfe einer Frau aus Dübendorf an ihren Mann waren massiv. Doch das Gericht beurteilte sie nur zur Hälfte als zutreffend.

In einem Fall von häuslicher Gewalt verliess der Mann das Bezirksgericht Uster mit einem Teilfreispruch in der Tasche.         Archivfoto: Mike Gadient

Veröffentlicht am: 30.08.2023 – 05.33 Uhr

 

Häusliche Gewalt spielt sich meist im geschlossenen Rahmen einer Wohnung und zwischen nur zwei Menschen ab; Zeugen gibt es keine. Entsprechend schwierig ist dann eine Bewertung der Ereignisse, wie ein vor wenigen Tagen am Bezirksgericht Uster behandelter Fall wieder einmal exemplarisch zeigt.

Frau als Besitztum angesehen

Zu beurteilen war eine Anklage, die sich vollumfänglich auf die Aussagen stützt, die eine Kosovarin bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft machte.

Die Frau erzählte, dass ihr aus demselben Land stammender Mann, von dem sie heute getrennt lebt, eines nachts in der damaligen gemeinsamen Wohnung in Dübendorf von ihr Analsex verlangte. Die Frau wollte das aber nicht.

Darauf sagte er ihr gemäss Anklage, «dass sie das machen müsse». Denn er sei ja «ihr Mann, und sie gehöre ihm». Da die Frau befürchtete, einmal mehr Schläge zu kassieren, wenn sie sich weiter verweigerte, und sie verhindern wollte, dass ihr in der Wohnung schlafendes Kind erwacht, liess sie den Akt über sich ergehen.

Als sie sagte, sie habe Schmerzen, sei der Mann wütend geworden und habe sie unter anderem mit Ausdrücken wie «ich ficke deine Mutter» beleidigt.

Auch Todesdrohungen

Schon Jahre zuvor hatte er einmal versucht, Sex derselben Art zu erhalten, was die damals schwangere Frau jedoch ebenfalls verweigerte. Darauf soll er sie mit dem Controller einer Playstation geschlagen haben.

Eingeklagt war auch eine Serie von weiteren körperlichen Attacken. So soll der Mann sie über ein halbes Jahr hinweg «beinahe täglich» ins Gesicht geschlagen oder sie an den Haaren gerissen haben.

Ferner drohte er, dass er die Frau und ihre Familie «kaputt machen» und – sollte die Frau nicht mehr mit ihm zusammenleben wollen – sich selbst umbringen werde.

Landesverweisung gefordert

Der heute 39-jährige Kosovare «wendete psychische und physische Gewalt an, um zu bekommen, was er will», fasste die Staatsanwältin die Ereignisse zusammen.

Die Frau habe lange gezögert, bis sie sich im Herbst 2021 zu einer Anzeige habe durchringen können, weil sie anfänglich ihren psychisch kranken Mann noch habe schützen wollen. Den Mann, der im anschliessenden Strafverfahren alles bestritt und sich als das Opfer darstellte.

Die Staatsanwältin forderte für die sexuelle Nötigung (das ist der erzwungene Analsex, der rechtlich nicht als Vergewaltigung gilt), mehrfache versuchte Nötigung und Drohung eine bedingte Strafe von 24 Monaten sowie für Tätlichkeiten eine Busse von 500 Franken. Und – als folgenreichste Sanktion – einen Landesverweis von sechs Jahren.

Die Ehefrau selbst war vor Gericht aufgrund ihres schlechten psychischen Zustands nicht in der Lage, Fragen zu beantworten. Ihre Anwältin verlangte jedoch eine Genugtuung von 7000 Franken.

Ist halt passiert.

Der Angeklagte zu Schlägen gegen seine Frau

Und der Mann, der heute von der Sozialhilfe lebt und mehr als 100'000 Franken Schulden hat? Der verweigerte, wie schon bei den meisten Einvernahmen früher, eine Aussage. Er gab lediglich zu, die Frau ab und zu geschlagen zu haben. Seine Erklärung: «Ist halt passiert.»

Der Verteidiger forderte einen Freispruch. Die Anklage töne nach einem Klischeefall, wo alles zusammenpasse: ein Mann aus dem Balkan als Gewalttäter. Doch klar sei einzig, dass das Paar «eine schwierige, unglückliche Ehe» gehabt habe.

In den Vorwürfen der Frau gebe es «unzählige Widersprüche» und «einiges, das nicht stimmt». So könne die Frau zum Beispiel nicht einmal sagen, zu welcher Jahreszeit denn einer der angeblichen Übergriffe stattgefunden habe.

Ein Teilfreispruch

Auch das Gericht hatte Zweifel, ob die geschilderten Taten wirklich so passiert sind. Entsprechend fiel das Urteil aus: ein Freispruch von den Hauptvorwürfen der Sexualstraftaten, ein Schuldspruch wegen Drohung, Tätlichkeiten und mehrfacher versuchter Nötigung.

Zu wenig detailliert.

Das Gericht zu den Zwangssex-Vorwürfen

Damit reduzierte sich die Strafe markant. Es wurde eine bedingte Geldstrafe von 60 Tagessätzen zum kleinstmöglichen Ansatz von 10 Franken ausgesprochen sowie eine Busse von 300 Franken. Und der Landesverweis war mit dem Teilfreispruch eh vom Tisch.

In einer kurzen Begründung erklärte der vorsitzende Richter, gerade in Bezug auf den erzwungenen Sex seien die Beschuldigungen «zu wenig detailliert». So «bleibt der Sachverhalt vage». – Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

 

Anzeige

Anzeige