Carmen Walker Späh (FDP) platzte fast vor Stolz, als Anfang Januar bekannt gemacht wurde, dass sich das Weltraumunternehmen Starlab Space auf dem Innovationspark ansiedelt. Gegenüber den Medien sprach die Volkswirtschaftsdirektorin in Dübendorf von einem «geschichtsträchtigen Tag». Zürich werde zu einem der wichtigsten Raumfahrtzentren in Europa.
Auch andere involvierte Personen zeigten sich am Tag der Bekanntmachung auf dem Innovationspark stark euphorisiert. Man war sich einig: Das ist ein Meilenstein, eine grossartige Chance. Und die Medien stiegen ebenfalls mit ein. «Dübendorf greift nach den Sternen», hiess es etwa im SRF-«Regionaljournal». Man sprach über Dübendorf als «mögliche zukünftige Weltraumhauptstadt».
Was in der allgemeinen Begeisterung vielleicht nicht gleich auffiel: Wieso sind eigentlich keine Vertreter des offiziellen Dübendorfs am Medienanlass? Hat man mit Blick ins Weltall die Leute vor Ort vergessen?
Einladung zu kurzfristig
Zumindest diese Frage lässt sich schnell klären. Stadtpräsident André Ingold (SVP) sei zwar offiziell eingeladen worden, heisst es seitens der Stadt. Er sei aufgrund der Kurzfristigkeit der Einladung jedoch leider verhindert gewesen.
Andere Fragen bleiben. Bricht für die Stadt Dübendorf nun ein goldenes Zeitalter mit florierender Wirtschaft und einem hervorragenden Ruf als Innovations- und Forschungsstandort an? Oder droht die Stadt durch massiven Mehrverkehr und einen komplett überhitzten Wohnungsmarkt Opfer ihrer eigenen Dynamik zu werden? Und: Auf welcher Seite stehen am Ende die Bevölkerung und das lokale Gewerbe – bei den Gewinnern oder den Verlierern?
Infrastruktur stösst an Grenzen
Eines ist klar: Es wird deutlich mehr Verkehr geben. Denn bis 2050, so der Plan, werden mehr als 10'000 Menschen auf dem Innovationspark arbeiten. Und da auf dem Innovationspark keine Wohnungen erstellt werden, müssen die irgendwie nach Dübendorf gelangen. Dazu kommen Lieferanten und externe Dienstleister – was es halt so braucht, um eine kleine Stadt am Laufen zu halten.
Laut den planerischen Vorgaben darf der Anteil des motorisierten Verkehrs höchstens 40 Prozent betragen; es müssen also sechs von zehn Personen mit dem öffentlichen Verkehr, zu Fuss oder mit dem Velo zum Innovationspark gelangen. Man spricht diesbezüglich vom Modalsplit.
Allerdings stösst die Infrastruktur bereits jetzt regelmässig an ihre Grenzen. Das Brüttiseller Kreuz, über das ein Grossteil der Erschliessung laufen würde, ist mit rund 150'000 Autos pro Tag chronisch überlastet. Ein kleiner Stau reicht, und schon ergiesst sich der Ausweichverkehr durch Dübendorf und verstopft die ohnehin verstopften Strassen noch mehr.
Der Bus reicht nicht
Doch hält der öffentliche Verkehr mit der Entwicklung Schritt? Derzeit ist der Innovationspark mit dem 759er-Bus der Verkehrsbetriebe Glattal (VBG) erreichbar. Und nach wie vor rauschen die schnellen S5 und S15 an Dübendorf vorbei – Änderung nicht in Sicht. Zu Fuss erreicht man den Innovationspark vom Bahnhof in rund zehn Minuten.
Für Stefanie Huber, GLP-Kantonsrätin und frühere Dübendorfer Gemeinderätin, ist klar: «Ohne ÖV-Ausbau und eine Beschränkung der Parkplätze auf dem Areal geht es nicht.» Huber hat das Thema Verkehr im Zusammenhang mit dem Innovationspark wiederholt aufs politische Parkett gebracht. Zuletzt mit einer Anfrage an den Zürcher Regierungsrat. Darin wollte sie zusammen mit Judith Stofer (AL) wissen, wie dereinst Tausende Beschäftigte an ihren Arbeitsplatz gelangen sollen.

Kantonale Verkehrsplaner setzen hier auf eine kontinuierliche, der Entwicklung auf dem Innovationspark angepasste Verdichtung des Busfahrplans. Auch soll in den nächsten zehn Jahren ein 15-Minuten-Takt für die S9 installiert werden. Und dann ist da auch noch die Verlängerung der Glattalbahn bis zum Bahnhof Dietlikon – für Stefanie Huber eine wesentliche Massnahme für einen attraktiven ÖV.
Was die Glattalbahn anbelangt, schrieb der Regierungsrat in seiner Antwort auf Hubers Anfrage von einem Realisierungshorizont 2040. Doch dann machte die NZZ vor drei Monaten publik, dass die Kantonsregierung diverse Grossprojekte verschieben will, darunter auch die Verlängerung der Glattalbahn. Wie gross die Verzögerung sein wird, ist nicht klar.
Stefanie Huber begrüsst es zwar, dass das ÖV-Angebot bedarfsgerecht ausgebaut wird. Gleichzeitig warnt sie davor, die Entwicklung auf dem Innovationspark zu verschlafen. Zu einer vorausschauenden Planung gehöre ebenso, das übergeordnete Netz von Veloschnellrouten auszubauen. «Das hat grosses Potenzial und hängt auch davon ab, ob die ansässigen Unternehmen Anreize für die Nutzung von Velo und ÖV schaffen.»
Anreize für ÖV und Velo
Für die Entwicklung des Areals ist das Unternehmen HRS zuständig. Laut Pressestelle sind diverse Massnahmen geplant, um den eingangs erwähnten Modalsplit zu erreichen. Darunter fallen etwa überdachte Veloabstellplätze oder Garderoben. Mitarbeiter sollen ausserdem Beiträge für die ÖV-Nutzung erhalten. Geplant sind auch ein öffentliches Bike- und E-Scooter-Sharing sowie eine Ladeinfrastruktur für E-Mobilität. Auf der anderen Seite werde es 20 Prozent weniger Parkplätze geben als maximal möglich; in verschiedenen Parkhäusern seien 2000 Abstellplätze geplant.
Die Pressestelle verweist auf die Etappierung des Projekts: Bis sich 10'000 Personen täglich auf dem Campus bewegen würden, dauere es rund 25 Jahre. Auf unerwartete Entwicklungen werde man mittels Monitoring reagieren können.
Knapper Wohnraum, steigende Mieten
Nicht zuletzt stellt sich die Frage, welche Auswirkungen ein Forschungs- und Industriestandort mit Tausenden Arbeitsplätzen auf den ausgetrockneten Wohnungsmarkt in Dübendorf hat. «Knapper Wohnraum und steigende Mieten sind Herausforderungen, die die Ballungsräume in der ganzen Schweiz betreffen», sagt Robert Weinert, Immobilienexperte beim Beratungsdienstleister Wüest Partner.
Der Bedarf an Wohnraum werde zwar weiter ansteigen, dies aber aufgrund des allgemeinen Wirtschaftswachstums und im Zuge dessen mit der Zunahme der Bevölkerung. Der Innovationspark sei nur ein Treiber von vielen, und betroffen sei auch nicht Dübendorf allein, sondern die ganze Flughafenregion bis nach Uster.
«Wichtig ist, dass man das Bauen zulässt», sagt Weinert. Sprich: höhere Ausnützungsziffern ermöglichen, planerische Voraussetzungen für grosse Arealüberbauungen schaffen, Ersatzneubauten anstelle von Einfamilienhäusern fördern. So könne es in Zukunft wieder mehr erschwinglichen Wohnraum geben. Weinert geht davon aus, dass Dübendorf diese Entwicklung bewältigen kann. «Die Stadt hat im Gebiet Hochbord schon reichlich Erfahrung im Umgang mit Wachstum gemacht.»
Was hat das Gewerbe davon?
Wachstum – das Stichwort für den höchsten Gewerbler der Stadt: «Eine wachsende Stadt ist immer positiv», sagt Simon Dietrich, der Präsident des Dübendorfer Gewerbe-, Handels- und Industrievereins (GHI). Er gehe zwar nicht davon aus, dass das heimische Gewerbe direkt vom Bau des Innovationsparks profitieren werde. «Aber es braucht auch Unterhalt oder mal ein Catering.» Und wenn es dem Handwerker, Beck oder Gastronomen finanziell gut gehe, dann würden diese das Geld andernorts wieder ausgeben.
Erst einmal wird Dietrich aber vor der Frage stehen, wie man sich mit den neuen Nachbarn – Start-ups, Grossunternehmen, Hochschulen – vernetzt und das Interesse für den GHI respektive dessen Mitglieder weckt. «Das wird eine ziemliche Herausforderung werden», ist er sich bewusst, «denn die sind natürlich wegen des Standorts hier und nicht wegen uns.»
Tatsächlich ist die prognostizierte Wertschöpfung durch den Innovationspark mit jährlich 2,4 Milliarden Franken gigantisch. Diese Zahl hat eine Studie ergeben, die 2021 von der Stiftung Innovationspark Zürich in Auftrag gegeben wurde. Davon soll rund eine halbe Milliarde über Zulieferer und das lokale Gewerbe erwirtschaftet werden, wie die Studienautoren errechnet haben. Doch das ist Zukunftsmusik.
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