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Erich Sutter ist zum Fällander des Jahres 2025 gekürt worden.

Erich Sutter vor seinem ehemaligen Klassenzimmer im Schulhaus Lätten in Fällanden. Foto: David Marti

Unermüdlicher Fällander

Lehrer, Naturfreund und Seerestaurant-Gegner

Als Lehrer hat Erich Sutter schwierige Schüler in Höngg und die Armut in Peru kennengelernt. Der Fällander des Jahres 2025 war als Naturschützer aktiv und hat Kämpfe gewonnen – aber auch verloren.

Erich Sutter vor seinem ehemaligen Klassenzimmer im Schulhaus Lätten in Fällanden. Foto: David Marti

Veröffentlicht am: 03.03.2025 – 10.13 Uhr

Erich Sutter inspiziert Minuten vor dem Interviewtermin die Pflanzen vor seinem Haus im Breiteli-Quartier, bevor er von einer Nachbarin aus seiner Konzentration gerissen wird. Er grüsst die vorbeigehende Frau freundlich, ehe er bereit ist, aus seinem facettenreichen Leben zu erzählen.

Aber womit soll der 84-jährige Fällander anfangen, wenn es doch so viel zu berichten gibt: mit seinen Jahren als Lehrer in Peru und Fällanden, seinem grossen Kampf für die Umwelt und gegen die Pläne eines Seerestaurants der Stadt Uster, seiner Zeit als Gemeinderat oder doch mit seinem Schaffen als Schriftsteller?  

Wie die meisten Schweizer fängt Sutter an, über seinen Beruf zu erzählen, den er sein ganzes Leben ausgeübt hat. Seine Anfänge als Lehrer bestanden in ein paar Vikariatsjobs. Er unterrichtete beispielsweise in Höngg. «Ich hatte es damals mit schwierigen Schülern zu tun.» Und was tat der frischgebackene Lehrer, um dieser Meute Herr zu werden? Er ging mit ihnen oft raus in die Natur. «Dort konnten sie sich eher austoben als im Klassenzimmer.»

Nach wenigen Jahren entdeckte er, weil er so viel und gerne liest, ein Inserat in der «Schweizerischen Lehrerzeitung»: «Gesucht: Lehrer oder Lehrerin für die Schweizer Schule in Peru». Gefunden haben die Inserenten Erich Sutter und seine Frau Yvonne, die damals noch seine Freundin war.

Hochzeitsreise nach Peru

Das war vor ungefähr 60 Jahren. Kaum älter als 20 waren die beiden dazumal. Vier Jahre sollten sie dort peruanische Kinder unterrichten.

Erich Sutter macht erneut einem Nachbarn Platz, der die Stelle vor seinem Haus bereits das dritte Mal passiert. «Viel Verkehr heute», sagt der Nachbar. Sutter nickt ihm zu und erzählt weiter, wie sie als Passagiere auf dem Weg nach Peru auf einem Frachter von Antwerpen Richtung Panamakanal fuhren. Eine offizielle Schifffahrtslinie hat es damals noch nicht gegeben. Für das junge Paar war aber klar, dass es die Reise über den Seeweg bestreiten will.

«Es war unsere Hochzeitsreise, die wollten wir nicht im Flugzeug verbringen.» Zwei Wochen waren sie unterwegs.

Die Schweizer Schule unterstützte Menschen aus peruanischen Armenvierteln, unter anderem mit Schreib- und Leseunterricht für Analphabeten. Für das Leben in Peru mussten Erich und Yvonne Sutter Spanisch lernen – und zwar schnell. Auf die Frage, ob es ihnen leichtgefallen sei, sagt Sutter: «Es musste einfach gelingen.»

Das tat es auch. Doch für Sutter endete das «Abenteuer Peru», wie er es nennt, nach vier Jahren. Grund dafür war die Geburt ihres ersten Kinds. Der Sohn sollte den Kindergarten in der Schweiz besuchen.

Also reisten sie mit dem knapp Zweijährigen wieder nach Hause. «Es hat uns gut gefallen in Peru. Wir sind aber auch wieder gerne in die Schweiz zurückgekehrt.» Ihr zweiter Sohn kam später in der Schweiz zur Welt.

In seinem Garten steht noch ein Souvenir aus dem südamerikanischen Land – eine Holzskulptur, die sie in Lima gekauft haben.

Noch in Peru hatte Sutter sich bei einem Angebot für eine Lehrerstelle in Fällanden beworben und den Job bekommen. Die Familie konnte in ein Lehrerhaus in Pfaffhausen ziehen. Zuerst unterrichtete er in Fällanden, später im neu gebauten Schulhaus Benglen, eine Klasse mit 44 Kindern. «Das brauchte schon gute Nerven bei so vielen Schülern.» Erneut führte der naturverbundene Mann die Kinder ins Freie. Als die Oberstufe in Benglen mehr Raum benötigte, wurden die beiden Primarklassen nach Pfaffhausen verlegt.

Nach einigen Jahren musste er wieder eine Klasse im Schulhaus Lätten in Fällanden übernehmen. Zu der Zeit hatte er bereits das Reihenhaus im Breiteli-Quartier gekauft, wo das Ehepaar noch heute lebt.

Irgendwann in den 1990er Jahren seien sie hierhergezogen, so genau weiss Sutter das nicht mehr. «Das wüsste jetzt meine Frau besser.» Ein Satz, den Erich Sutter öfters sagt an diesem Nachmittag auf dem Spaziergang durchs Dorf.

Schule mit Blick ins Grüne

Auf dem Weg zum Schulhaus Lätten erzählt er, wie sie öfters Bergwanderungen unternehmen. «Meist ist meine Frau die treibende Kraft für solche Touren.» Was auch gut sei. Man wolle schliesslich in Form bleiben und genügend Ausdauer haben. Das Ehepaar Sutter meidet aber Wanderrouten, die von vielen Leuten frequentiert werden. Manchmal sind auch ihre beiden Söhne mit dabei.

Im Schulhaus Lätten ertönt die Schulglocke. Auf dem Pausenplatz sind ein paar Kinder. Erich Sutter streckt seinen Arm aus und zeigt, was vom früheren kleinen Schulhaus noch steht und was im Lauf der Zeit dazukam. Bis zu seiner Pensionierung 2005 hat er hier gearbeitet.

Erich Sutter ist zum Fällander des Jahres 2025 gekürt worden.
Das Schulhaus Lätten war Erich Sutters letzte Station in seiner beruflichen Laufbahn als Lehrer. Foto: David Marti

«Das war mein Zimmer während sieben bis acht Jahren», sagt Sutter und zeigt auf ein grosses Fenster, hinter dem sich gerade ein Lehrer über ein Stapel Papiere beugt. «Ein schöner Raum mit Blick ins Grüne.»

Besonders angetan ist der Fällander vom Greifensee. Auf halber Strecke dorthin bleibt er vor dem Areal stehen, das den Flurnamen Seefeld trägt, und sagt: «Unser Naturparadies.» Früher sei das noch eine landwirtschaftlich genutzte Wiese gewesen. Dass dies heute anders ist, ist auch Sutter zu verdanken. Er und der Verband zum Schutz des Greifensees (VSG) konnten die Gemeinde überzeugen, die Fläche der Natur zu überlassen. Sutter präsidierte den Verein bis 2017.

Erich Sutter ist zum Fällander des Jahres 2025 gekürt worden.
«Unser Naturparadies» nennt Sutter diese Wiese auf dem Areal Seefeld. Früher wurde das Gebiet noch von Bauern beackert. Foto: David Marti

In dieser Funktion hatte er auch gegen das Seerestaurant La Boîte in Uster gekämpft. Das Seilziehen gegen das Projekt des Vereins Pavillon Nouvel, das auch von der Stadt Uster unterstützt wurde, begann 2003, dauerte rund zwölf Jahre und durchlief sämtliche Gerichtsinstanzen.

Das Ganze endete mit einer Niederlage für den VSG und Gerichtskosten in Höhe von fast 50'000 Franken, wie Erich Sutter damals dem «Zürcher Oberländer» verriet und sich vom Ausgang des langjährigen Kampfs enttäuscht zeigte.

Seerestaurant kommt doch

Doch ein bisschen gewonnen hat Sutter dennoch. Zumindest haben die Verantwortlichen das ursprüngliche Bauvorhaben gegen Ende dieser Auseinandersetzung beerdigt. Die Stadt Uster präsentierte dafür mit «Umbrella» ein anderes Projekt für ein Restaurant inklusive Gartenwirtschaft und kleiner Parkanlage sowie einen See-/Uferweg. Im vergangenen November erfolgte der Spatenstich.

Wenn Sutter heute gefragt wird, ob denn diese Version der Überbauung in Niederuster für ihn okay sei, sagt er «jaja» und fügt nach kurzem Nachdenken an: «Aber ich äussere mich nicht mehr dazu, ich bin jetzt pensioniert.» Die Natur kann aber zumindest beim Ausfüllen der Abstimmungsunterlagen oder beim Erheben der Hand an der Gemeindeversammlung noch heute auf ihn zählen.

Erich Sutter (Sonnenbrille) und Hansruedi Pauli auf der Wiese neben dem Seekiosk.
Erich Sutter (rechts) und Hansruedi Pauli, Präsident des Vereins Pro Schifflände Uster, hatten 2016 eine gemeinsame Mission: Sie wollten mit allen Mitteln verhindern, dass die Surferwiese neben dem Seekiosk in Niederuster überbaut wird. (Archiv) Foto: Seraina Boner

Politisch hat er sich auch in der Exekutive für die Umwelt starkgemacht. Zumindest soweit es ihm als Hochbauvorstand möglich war. 1986 wurde Sutter als grüner Politiker in den Gemeinderat gewählt. Er blieb es bis 1998, als er auf eine erneute Kandidatur verzichtete. Und die Bevölkerung ist ihm bis heute dafür dankbar. Hat er sich doch in dieser Funktion für den Natur- und Landschaftsschutz eingesetzt und war mitverantwortlich für den Erhalt der Naherholungsgebiete rund um Fällanden.

Kein TV, nur Bücher und Hunde

«Superschön», kommentiert Sutter beim Einbiegen in den Weg entlang der Glatt. Auf diesem fahre er jeweils mit dem Velo, um nach Dübendorf ins Fitness zu kommen. Eine Passantin spricht Sutter an: «Ich gratuliere Ihnen! Was sind Sie schon wieder? Nicht Ehrenbürger, oder? Ach nein, Fällander des Jahres, stimmt.»

Erich Sutter lächelt freundlich, bedankt sich bei der Frau, und man wünscht sich einen schönen Tag. In solchen Situationen merke er das Alter, sagt er nach einigen Schritten. «Oft begegne ich jemandem, kann ihn aber nicht beim Namen ansprechen, obwohl ich ihn kenne.»

In der Ehrung zum Fällander des Jahres 2025, die dem bescheidenen Mann «fast ein bisschen peinlich war», wurde auch sein schriftstellerisches Schaffen gewürdigt. Vier Bücher hat Erich Sutter geschrieben, allesamt historische Romane. Sein letztes Buch «Vom Bäckergesellen zum Regierungsrat» erzählt den Aufstieg und Fall des Pfaffhauseners Jacob Irminger im 18. Jahrhundert.

Schon als Bub habe er wahnsinnig gerne und viel gelesen, sagt Sutter. «Bücherlesen kann wie in meinem Fall auch zu Bücherschreiben führen.» Vom Fernseher hält er hingegen nichts, ein solches Gerät habe er sein ganzes Leben nie besessen.

Als wenig später Passanten mit einem Hund entgegenkommen, klebt Sutters Blick förmlich an dem Tier. Er hatte früher einen Belgischen Schäferhund. Seine Frau wollte aber als junge Mutter nicht gleichzeitig auf die beiden Kinder und den Hund achtgeben. Sutters Lösung: Er machte seinen Militärdienst als Hundeführer, und Hund Ossito bekam eine Ausbildung als Sanitätshund. Heute hat er noch einmal wöchentlich Gelegenheit, mit den Vierbeinern in Kontakt zu kommen, wenn er Gaia, die Hündin seines Sohns, Gassi führt.

Zurück im Breiteli-Quartier schmirgelt sich Erich Sutter seine Wintersohlen in einem Resthäufchen Schnee sauber. Ein weiteres Mal pfeift ein Milan, und erneut blickt Sutter dem Vogel kurz hinterher. Wie das Leben des umtriebigen Rentners weitergeht, ist noch unklar. Doch es wird bestimmt noch lange Zeit draussen stattfinden.

 

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