«Es hat mich schon immer in die Welt hinausgezogen.» Das sagt Catherine McMillan, amtierende Pfarrerin der Reformierten Kirchgemeinde Dübendorf-Schwerzenbach. Sie ist eine richtige Kosmopolitin: geboren in Schottland, aufgewachsen in den amerikanischen Südstaaten, Studium in Frankreich, Pfarrerin in Deutschland, der Ostschweiz und jetzt in Schwerzenbach.
Dabei hatte sie nicht geplant, Pfarrerin zu werden. Aber: «Das Leben ist halt passiert», sagt McMillan und schmunzelt. Die gepflegte 63-Jährige spricht noch immer mit einem leichten englischen Akzent, während sie von ihrem Leben erzählt. Das Pfarrbüro, in dem sie sitzt, ist voll mit Büchern, auf einem Regal entdeckt man eine grosse Zwingli-Plüschfigur.
McMillan war klar: «Ich wollte helfen und etwas bewirken.» In ihrer Jugend prägten sie die Bürgerrechtsbewegung und der Kampf gegen die Rassentrennung in den USA. Das machte ihr deutlich, dass sie sich für christliche Werte einsetzen wollte: Noch während ihres Anglistik-Studiums spürte sie eine Berufung. Also liess sie sich darauf zur Theologin und Seelsorgerin ausbilden. Nun ist sie seit 35 Jahren reformierte Pfarrerin, seit 2014 in Dübendorf und seit 2019 in Schwerzenbach.
Dabei hat sie es nicht bleiben lassen. Sie moderierte beim Ostschweizer Fernsehen TVO, war Delegierte für die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, engagierte sich beim Solidaritätsnetz Ostschweiz, sprach das «Wort zum Sonntag» im SRF und vernetzt sich international für die Zürcher Landeskirche. Das sind nur einige Beispiele.
Abseits vom Gewöhnlichen
Durch ihre Karriere zieht sich wie ein roter Faden ihre Bereitschaft, für ihre Werte einzustehen. Auch wenn das nicht allen passt. Besonders im Jahr 2020 machte sie deshalb von sich reden, weil sie sich als Pfarrerin für die Konzernverantwortungsinitiative einsetzte.
«Christen tolerieren Menschenrechtsverletzungen nicht», sagt sie dazu. «Es gehört zum Glauben, sich mit Ethik auseinanderzusetzen.» Und Ethik sei politisch, weshalb sich Politik und Glaube auch nicht trennen liessen.
Ein weiteres Beispiel für ihre Überzeugungstreue ist ihr Engagement für Geflüchtete. Als McMillan vor rund 20 Jahren ihre Pfarrstelle im ostschweizerischen Toggenburg antrat, gab es noch keine geregelte Nothilfe für Menschen auf der Flucht. «Einige von ihnen haben im Winter in Telefonkabinen geschlafen. Auch ein junges Paar aus Äthiopien, welches vor politischer Verfolgung floh, fand im Toggenburg keine Herberge.» Also nahm die Pfarrerin das Paar bei sich auf.
Sie beschloss, bei der Heiligabendfeier die Weihnachtsgeschichte mit Geflüchteten als Protagonisten zu erzählen und währenddessen das aufgenommene Paar der Kirchgemeinde vorzustellen. Die Reaktionen waren gemischt. «Viele waren berührt. Andere fanden es ganz und gar unpassend», erinnert sich McMillan.
Die Vorteile vom Fremdsein
Wie viele Geflüchtete kommt Catherine McMillan von weit her und war an vielen Orten. Das hat sie gelehrt: «Ich weiss, wie es ist, in einem Land fremd zu sein.» Auch ihre Familie ist kulturell bunt gemischt: Ihr Schwiegersohn kommt aus Südafrika, ihre adoptierte Schwester aus Südkorea, und ihre Enkel leben in Malaysia. «Ich fühle mich mit der ganzen Welt verwandt», sagt McMillan und lacht.
Diese Tatsachen geben McMillan einen besonderen Draht zu allen Menschen, die irgendwo neu sind. Es hilft ihr bei ihrem Engagement für Geflüchtete, aber auch, um Anknüpfungspunkte mit Personen in ihrer Gemeinde zu finden. Sie sagt: «Ich sehe mich als Brückenbauerin zwischen verschiedenen Kulturen und Konfessionen.»
Zurückgebliebene Geschlechterrollen
Eigentlich dürfen Frauen seit den 1950er und 1960er Jahren in den Ländern, in denen McMillan predigte, als Pfarrerinnen eingesetzt werden. Trotzdem erfuhr McMillan Widerstand. «Es gab viele Vorurteile gegen Frauen als Pfarrerin. Ich musste mich beweisen.»
Sie erzählt von ihrer ersten Stelle in Deutschland Ende der 1980er Jahre, die sie sich zu je 50 Prozent mit ihrem Mann teilte: «Ich wurde als Pfarrfrau wahrgenommen, die für die Kindergruppen, die Blumenrabatte und den Kaffee zuständig war, und nicht als vollwertige Pfarrerin», sagt sie. Glücklicherweise habe sich die Situation gebessert.
Zwischen Tradition und Wandel
«Reformation bedeutet für mich, dass man Traditionen kritisch hinterfragt und versucht, wenn nötig, neue Wege zu gehen», sagt McMillan. Gerade das sei heute wichtig, denn die vielen Austritte stellen die Kirchgemeinde vor Herausforderungen. «Die Entschlackung der Kirchenstruktur ist ein aufwendiger Prozess, der mich und mein Team viel Zeit kostet», so McMillan. Auch der Individualismus der Gesellschaft mache ihr zu schaffen: «Es ist schwer, Menschen in Gruppen zu integrieren und allen ihre einzelnen Bedürfnisse zu erfüllen.»
Trotzdem ist McMillan sehr zufrieden in Schwerzenbach. «Die Menschen sind super freundlich, viele arbeiten freiwillig mit, und die Ökumene ist toll», sagt sie. Ihren Beruf empfindet sie als äusserst sinnstiftend. Auch nach ihrem Abgang in den Ruhestand in eineinhalb Jahren wird sie die Arbeit wohl nicht lassen können: Sie will weiterhin in Teilzeit als Stellvertretung arbeiten.