Auf dem Pausenplatz herrscht reges Treiben. Kinder rennen herum, werfen sich Bälle zu und johlen. Mütter sitzen am Rand des Sandkastens und behalten ihre Jüngsten im Auge. Andere versuchen brüllende Kleinkinder durch gutes Zureden zu beruhigen.
Mittendrin: Hund Rufus, ein Mischlingshund aus dem Tierschutz, und Frauchen Karin, die nach einer «vermissten» Person auf dem Schulgelände suchen. Heisst in diesem Fall nach einer Frau, die etwa 50 Meter gelaufen ist und sich bewusst hinter einer Säule versteckt hat – denn so läuft das Training im Verein Personensuchhunde Zürcher Oberland. Das Ziel: den Hund zu einem Suchhund auszubilden, damit er im Ernstfall eine vermisste Person aufspüren kann. Der Fachbegriff dafür lautet Mantrailing.
Ein gutes Training für Mensch und Tier
Gegründet wurde der Verein von Jörg und Marie-Louise Zinsli aus Gutenswil. Die ersten Erfahrungen mit Mantrailing machte das Paar vor 13 Jahren, als es eine Beschäftigung für seine Labradorhündin Ladina suchte. «Es war uns wichtig, sie geistig und körperlich zu fördern. Mantrailing ist ein gutes Training für Hund und Hundeführer», erzählt Jörg Zinsli.
So fanden die Zinslis eine neue Leidenschaft. Als dann noch Hündin Hazel dazukam, wuchsen auch die Ambitionen bei den Gutenswilern. Sie knüpften Kontakte zu Mantrailing- und Suchhundegruppen in Deutschland, wo Marie-Louise Zinsli mittrainierte und ihr Wissen erweiterte. Sie ist mittlerweile zertifizierte Mantrailerin. Hündin Hazel ist ebenfalls für Ernsteinsätze ausgebildet und geprüft.
Suchfeld wird eingegrenzt
Mantrailing-Hunde werden bei der Suche nach einer spezifischen Person eingesetzt. Zum Beispiel, wenn eine Bewohnerin eines Heims nicht mehr auffindbar ist oder jemand nicht von einer Wanderung zurückkehrt. Der Hund wird dann zur Stelle gebracht, wo die Person zuletzt gesehen wurde. Dann wird ihm der individuelle Geruch des Vermissten vorgesetzt, zum Beispiel über ein Kleidungsstück, ein Taschentuch oder einen Kamm. «Der Hund folgt dann der Geruchsspur, auch wenn diese schon mehrere Tage alt ist», ergänzt Jörg Zinsli.
Im besten Fall führt diese Spur dann zur Person. Das sei aber längst nicht immer der Fall, sagt Zinsli. Werde die vermisste Person nicht gefunden, lasse sich durch den Einsatz der Spürnase aber zumindest das Suchfeld eingrenzen. «Die Geruchsspur zeigt auf, in welchem Areal sich die vermisste Person ungefähr bewegt hat.»
Geruch aufnehmen, dann suchen
Bis ein Hund aber so weit ist, braucht er regelmässiges Suchtraining. Hund Rufus und Karin stehen noch ganz am Anfang dieses Wegs. Der Trainingstrail für die beiden ist deshalb sehr einfach und erstreckt sich nur über wenige Meter. «In diesem Stadium lernt der Hund, erst einmal zu verstehen, was man von ihm will: dass er einen Menschen anhand des Geruchs suchen und finden soll», erklärt Jörg Zinsli.
Die gesuchte Person wird in diesem Rahmen als Opfer bezeichnet, das Frauchen als Führerin. Hat sich das Opfer versteckt, zieht die Führerin ihrem Hund ein «Arbeitsgstältli» über, bevor ihm eine Plastiktüte mit dem Geruch des Opfers über die Nase gehalten wird. Dann heisst es: «Such!»
Keine Ablenkung durch den Menschen
Rufus schnüffelt und versucht, der Geruchsspur zu folgen. Es sei wichtig, den Hund seine Arbeit machen zu lassen, ohne ihn mit Befehlen oder der Veränderung der eigenen Körperhaltung zu unterbrechen. «Als Führer muss man seinem Tier vertrauen», sagt Trainer Jörg Zinsli. Ein Eingriff sei nur nötig, wenn sich der Hund von äusseren Einflüssen ablenken lasse oder die Geruchsspur verliere.
Einige Minuten nach dem Start des Trainingstrails findet Rufus das versteckte «Opfer». Dieser Erfolg wird mit Leckerlis belohnt. Dann zieht Frauchen Karin ihrem Vierbeiner das «Gstältli» aus. «Jetzt weiss er, dass das Training vorbei ist. Er hat quasi Feierabend», sagt Jörg Zinsli.
Ein eingespieltes Team
Bis ein Hund auf dem Niveau ist, tatsächlich vermisste Menschen suchen und auch finden zu können, muss er über einen längeren Zeitraum regelmässig trainieren. Ab einem gewissen Level werden die Trainingstrails länger und schwerer, sodass Hund und führende Person immer weiter gefordert werden. Die Zeitspanne, in der das geschieht, ist von Team zu Team unterschiedlich. «Einige Hunde lernen schneller als andere – wie wir Menschen auch», so der Trainer.
In ihrem Verein gehe es denn auch nicht um Geschwindigkeit, sondern darum, dass der Suchhund und die führende Person ein gutes, eingespieltes und sicheres Team abgäben. «Die beiden müssen sich kennen und gut zusammenarbeiten können, um im Ernstfall einsatzbereit zu sein. Das ist unser Ziel.»
Marie-Louise Zinsli und Hündin Hazel sind ausgebildet und einsatzfähig, um eine vermisste Person zu suchen. Alle Informationen und Kontaktangaben sind auf der Website des Ehepaars zu finden.