Alles beginnt mit einem Termin bei der Berufsbeistandschaft des Sozialamts im Stadthaus Dübendorf. Aber es gibt Schwierigkeiten: Der Mann stürmt wütend aus den Räumen der Berufsbeistandschaft, schleicht sich ins Untergeschoss des Gebäudes und zündet dort einen Rollwagen mit Kartons an. Nachdem er das Stadthaus verlassen hat, postet er einen Beitrag auf Instagram. Darin tut er seinen Unmut über seine Behandlung kund.
Zum Glück ist das nicht die Wahrheit. Es ist nur ein Szenario, das sich das Krisenteam des Stadthauses zusammen mit einer Kommunikationsagentur ausgedacht hat. Es dient dazu, mit den Mitarbeitenden des Stadthauses, der Feuerwehr Dübendorf/Wangen-Brüttisellen, der Stadtpolizei Dübendorf und der Kantonspolizei Zürich die Evakuation des Stadthauses zu üben. Vor allem aber probt das Krisenteam, bestehend aus Stadtpräsident André Ingold (SVP), Stadtschreiber Mathias Vogt und Leiter Bevölkerungsschutz Michel Elmer, die Kommunikation im Ernstfall.
Keine Disco, nur Rauch
Um den Rauch der brennenden Kartons zu simulieren, wird eine Disco-Nebelmaschine im Untergeschoss aufgestellt. Der Rauch steigt schnell im Treppenhaus hinauf, verteilt sich im gesamten Eingangsbereich und wabert langsam nach oben. Das unwissende Stadthauspersonal erschrickt und verständigt die Feuerwehr. Diese ist über die Übung im Bild und macht sich auf den Weg.
Überall gehen Türen auf, Köpfe schauen verwirrt heraus. Jemand ruft: «Hier hats Rauch – was machen wir jetzt?» Dutzende Menschen kommen die verqualmte Treppe herunter, obwohl sie wegen des Rauchs eigentlich die Notausgänge nehmen müssten. Einige halten sich wegen des ohrenbetäubenden Feueralarms die Ohren zu. Wenige Minuten später versammeln sich rund 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Pfarreizentrum Leepünt wenige Meter neben dem Stadthaus.
Als Erste trifft die Kantonspolizei Zürich ein. Ihr folgen zwei Feuerwehrautos, aus denen mehrere Feuerwehrleute springen. Sie schliessen ihre Schläuche an, deaktivieren den Schliessmechanismus der automatischen Tür, stellen einen grossen Ventilator auf und machen sich dann auf den Weg ins Gebäude. Einige Passanten bleiben verwundert stehen. Die riesige Glaswand am Eingang ist nicht mehr durchsichtig, nur noch eine graue Rauchwand ist zu sehen.
Währenddessen tauchen zwei Jungen auf, die ihre Rolle als Statisten sehr gut spielen. Je einen Arm umeinandergelegt, laufen sie verängstigt auf einen Helfer zu. Sie suchen ihre Mutter, die im Stadthaus arbeitet. Der Helfer schickt die beiden wieder nach Hause. Eigentlich hätten er oder jemand anderes sich um sie kümmern sollen. Zehn Minuten später tauchen die beiden im Pfarreizentrum wieder auf, immer noch sehr überzeugend verzweifelt. Endlich nimmt sie jemand in Empfang.
Nussgipfel und Krisen
Es kann nicht alles perfekt laufen – wie der Übungsleiter Michel Elmer beim anschliessenden Briefing für die Mitarbeitenden einräumt. Zum Beispiel hätten die städtischen Angestellten auch nicht durch den «tödlichen» Rauch nach draussen laufen sollen. Trotzdem lobt der Leiter Bevölkerungsschutz die Mitarbeitenden: «Mein Kompliment an euch. Die Evakuation hat gut funktioniert.»
Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt es jetzt Kaffee und Nussgipfel. Die Feuerwehr hat das Gebäude fertig entlüftet und packt bereits wieder zusammen. Wer aber noch lange keine Pause hat, ist das Krisenteam. Es muss den Vorfall nach aussen kommunizieren, denn der Instagram-Post des aufgebrachten Bürgers hätte in Realität viele Anwohnerinnen und Anwohner verunsichert.
Die Mitglieder des Krisenteams haben sich im Schulhaus neben dem Stadthaus in einem Sitzungszimmer eingerichtet. Konzentriert telefonieren sie mit simulierten Medien, sprechen sich mit den Einsatzkräften ab oder verfassen Medienmitteilungen. Um die Situation glaubwürdiger zu gestalten, hat die Kommunikationsagentur einen realistisch aussehenden Instagram-Post und einen «Blick»-Artikel für sie erstellt. Der simulierte Bericht trägt den Titel: «Wieder Probleme auf dem Sozialamt Dübendorf. Rauch im Stadthaus – war es Brandstiftung?»