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Ein Feuerwehrmann bedient die ausfahrbare Leiter.

Die Feuerwehr Dübendorf - Wangen-Brüttisellen fuhr für die Übung mit ihrer grössten Maschine auf. Foto: Simon Grässle

Grossübung der Feuerwehr

Was, wenn in Dübendorf ein Flugzeug ins Alterszentrum stürzt?

Die Feuerwehr Dübendorf - Wangen-Brüttisellen inszenierte am Donnerstagabend eine Übung im Alterszentrum Imwil. Die Einsatzkräfte und das Pflegepersonal probten Abläufe für den Ernstfall.

Die Feuerwehr Dübendorf - Wangen-Brüttisellen fuhr für die Übung mit ihrer grössten Maschine auf. Foto: Simon Grässle

Veröffentlicht am: 09.11.2024 – 09.17 Uhr

Blaulicht erhellt die Strasse, Einsatzkräfte der Feuerwehr in Vollmontur eilen hin und her. Jemand ruft: «Dort brennts!», und vor einer Gebäudewand wird die Leiter eines Feuerwehrautos rund zehn Meter in die Höhe manövriert.

Bei diesen dramatischen Szenen handelt es sich aber nicht um einen Ernstfall, sondern um eine Einsatzübung. Am Donnerstagabend simulierten das Alterszentrum Imwil und die Feuerwehr Dübendorf - Wangen-Brüttisellen den Ernstfall.

Es beginnt ruhig um 18 Uhr im Foyer des Alterszentrums Imwil. Einsatzleiterin Sabrina Landolt erklärt das Notfallszenario.

Einsatzleiterin Sabrina Landolt ist Unteroffizier bei der Feuerwehr Dübendorf Wangen-Brüttisellen.
Einsatzleiterin Sabrina Landolt ist Unteroffizierin bei der Feuerwehr Dübendorf - Wangen-Brüttisellen. Foto: Simon Grässle

Ein vom Militärflugplatz Dübendorf aus gestartetes Flugzeug stürzt auf das Alterszentrum und beschädigt den vierten Stock und die Solaranlage auf dem Dach. Mehrere Bewohner, ein Mitarbeiter und der Pilot müssen gerettet werden.

Sechs Nachtwache-Pflegerinnen wie auch die 65 Feuerwehrleute üben das Evakuieren. Dabei werden die Pflegerinnen von ihren Vorgesetzten, die Feuerwehrleute von Einsatzkontrolleuren überprüft.

Mit der Matratze die Treppe runter

Der Ablauf ist erklärt, die Statisten sind vorgestellt und die Bewohner des Alterszentrums eingeweiht. Dann gehts los: Der Brandalarm wird ausgelöst. Zwei Pflegerinnen rennen zum Unfallort, wo sie Rauch und zwei bewusstlose Bewohner entdecken. Eine der Pflegerinnen drückt mit ihrem Ellbogen mit aller Kraft das Schutzglas eines Brandmelders ein und alarmiert so die Feuerwehr.

Die zwei Frauen schnallen einen Bewohner auf seiner Matratze fest, ein Kissen zwischen Gurt und Körper. «Bekommen Sie noch Luft?», fragt die eine den Bewohner. «Pass auf, dort hat es Rauch», ruft die andere. Eilig schieben sie die Matratze samt Bewohner vom Bett auf den Boden, in den Gang, und lassen ihn dann langsam eine Treppe hinuntergleiten.

Inzwischen ist das erste Feuerwehrfahrzeug eingetroffen, und die Einsatzkräfte sprinten in voller Montur in den vierten Stock – gemächlich verfolgt von Einsatzkontrolleuren.  

Um die Sicherheit der Bewohner zu gewährleisten, kann die Feuerwehr bei dieser Übung weder Nebelmaschinen noch Wasser einsetzen. Stattdessen kleben die Einsatzkräfte eine graue Folie auf ihre Atemschutzmasken. Zettel mit Rauchsymbolen werden an die Türen gehängt und Bilder von Wunden auf die Kleidung der Statisten geklebt.

Am Unfallort angekommen, entdecken die Einsatzkräfte Flugzeugtrümmer, einen bewusstlosen, verletzten Piloten und Rauch in einem Bewohnerzimmer. Sie arbeiten schnell: Zwei kümmern sich um den Piloten, zwei holen einen Löschschlauch aus dem unteren Stockwerk, zwei gehen ins Zimmer.

Das laute Keuchen der Einsatzkräfte durch die Atemschutzmasken ist zu hören, unverständliche Funksprüche, hastige Zurufe. Im Gang wirds eng. Einsatzkräfte, Kontrolleure und Mitarbeiter vom Technischen Dienst stehen einander im Weg.

Ein Einsatzkontrolleur fragt: «Warum sind die Feuerwehrmänner in dieses Bewohnerzimmer gegangen? Hätten sie nicht in das andere gehen sollen?» Der Bewohner scheint sich allerdings nicht an den unangekündigten Gästen zu stören. Bereitwillig lässt er sich von zwei Einsatzkräften aus seinem Zimmer eskortieren und bittet anschliessend um ein Foto mit den beiden.

Währenddessen setzen zwei weitere Einsatzkräfte dem bewusstlosen Piloten eine Atemschutzmaske auf und ziehen und zerren ihn ins Treppenhaus. Dabei fällt ihm beinahe die Maske ab. Doch der tapfere Statist macht keinen Mucks, er nimmt seine Rolle ernst.

Ein Schauspiel für die Bewohner

Inzwischen hat sich der Platz vor dem Alterszentrum mit einem halben Dutzend Feuerwehrfahrzeugen aus Wangen-Brüttisellen und Dübendorf gefüllt. Zahlreiche Feuerwehreinsatzkräfte arbeiten geschäftig, organisieren, leiten den Verkehr, funken. Im Eingangsbereich haben sich einige Bewohner hingesetzt und beobachten gespannt das Geschehen.

Im Übungsszenario bricht ein Flügel vom Flugzeug beim Sturz ins Gebäude ab und fällt auf die Solaranlage auf dem Dach. Diese wird in Brand gesetzt, und ein Mitarbeiter vom Technischen Dienst wird verletzt.

Nachdem der Pilot und zwei Bewohner evakuiert sind, kümmern sich zwei Einsatzkräfte um den verletzten Mitarbeiter. Sie müssen aufs Dach steigen, um ihn zu bergen. Beim Abstieg in den obersten Stock des Gebäudes fällt ein Feuerwehrmann von der Leiter und «verletzt» sich am Bein.

Damit liegt die Verantwortung für die beiden Verletzten bei nur noch einem Feuerwehrmann. Das Funkgerät scheint nicht zu funktionieren, die Kommunikation mit dem Rest der Truppe ist abgeschnitten. Ein Alarm wird ausgelöst, das Geräusch ist ohrenbetäubend.

Also Patient in die stabile Seitenlage bringen, gleichzeitig den verletzten Feuerwehrmann in Sicherheit ziehen. Der noch unverletzte Kollege gibt das Funken auf und schickt einen beistehenden Helfer los, um Meldung zu erstatten und Hilfe zu holen. Der Feuerwehrmann reisst ein Fenster auf und schreit immer wieder «SOS» vom Balkon.

Nach einigen bangen Minuten wird er erhört, und ein Feuerwehrauto mit ausfahrbarer Leiter fährt unter den Balkon. Die Einsatzkräfte schreien sich gegenseitig Kommandos zu, nur die Hälfte davon wird auch verstanden. Während die Leiter ausgefahren wird, taucht ein Rettungstrupp im Flur auf.

Die Retter schnallen den bewusstlosen Arbeiter vom Technischen Dienst auf eine Trage, während ein Feuerwehrmann die ausfahrbare Leiter zum Balkon manövriert. Kein leichtes Unterfangen, die Leiter schwankt hin und her. Dann stellen sie fest: Der Mann ist falsch herum auf die Trage geschnallt.

Also lösen sie ihn hastig wieder, kippen ihn langsam von der Trage und befestigen den Mann richtig herum. Endlich sind sie so weit: Der Bewusstlose kann auf die Leiter gehievt werden und wird vorsichtig nach unten befördert. Alle sind erleichtert.

Keine Arbeit ohne Vergnügen

Nach eineinhalb Stunden ist die Übung vorbei. Die beiden leitenden Frauen sind zufrieden: «Unser Team hat gut gearbeitet, die Kommunikation mit der Feuerwehr klappte ohne Probleme», so Stefanie Scherberger, die Leiterin Hotellerie des Alterszentrums Imwil. «Ich hoffe, dass wir unsere Evakuierungspläne nie brauchen werden.»

Das sieht auch Sabrina Landolt so. «Wir konnten den Zeitplan einhalten, und jeder war beschäftigt», sagt sie. Dabei war das Umfeld der Übung keinesfalls einfach. «In Gebäuden, in denen sich viele Menschen auf engem Raum aufhalten, ist eine Evakuierung immer schwierig», erklärt sie. «Im Alterszentrum kommt die oft mangelnde Agilität der Bewohner als zusätzliche Herausforderung hinzu.»

Abschliessend wird Landolt zusammen mit den anderen Einsatzkräften Bilanz ziehen und Verbesserungspotenzial ausfindig machen. «Die Organisation funktionierte super, aber die Bewältigung der einzelnen Aufgaben ist verbesserungswürdig», sagt sie.

Nach dem Debriefing, dem Aufräumen und der Wiedererstellung der Einsatzbereitschaft geht es für die Feuerwehr zurück ins Depot zu einem Imbiss. Landolt sagt: «Wir freuen uns auf ein gemütliches Zusammensein.»

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