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Historisches Bild von Dübendorf

Der «Zleidwercherbau» des «Kreuz»-Wirts Gossweiler (Mitte) verdeckt dem direkt dahinter stehenden Heim des «Adler»-Wirts Pfister die Sicht auf den Eingang des Wirtshauses Kreuz. Foto: Ortsgeschichtliche Dokumentationsstelle VVD

Streitlustige Beizer anno dazumal

Wie ein Duell zweier Wirte das Städtli von Dübendorf prägte

Zwei Streithähne versetzten Dübendorf vor bald 200 Jahren immer wieder in Aufruhr und prägten mit ihren Eskapaden sogar die Dorfarchitektur. Ein Blick zurück auf eine geradezu epochale Auseinandersetzung.

Der «Zleidwercherbau» des «Kreuz»-Wirts Gossweiler (Mitte) verdeckt dem direkt dahinter stehenden Heim des «Adler»-Wirts Pfister die Sicht auf den Eingang des Wirtshauses Kreuz. Foto: Ortsgeschichtliche Dokumentationsstelle VVD

Veröffentlicht am: 18.10.2024 – 05.51 Uhr

Wer heute an der liebevoll als Städtlikreuzung bezeichneten Kreuzung im Zentrum Dübendorfs flaniert, kann sich kaum vorstellen, wie leer es hier vor 200 Jahren war. Damals standen lediglich ein paar altehrwürdige Bauernhäuser. Zu sehen gab es wenig. Erst 1836 wurde die Strasse von Schwamendingen nach Uster, die ursprünglich Neuweg hiess, gebaut. Später erhielt der Abschnitt in Richtung Schwamendingen den Namen Zürichstrasse, während der Teil nach Hegnau als Usterstrasse bekannt wurde.

Der Schweinehändler und Gemeinderat Mathias Pfister witterte in dieser neuen Umgebung seine Chance: Ein Wirtshaus an dieser viel begangenen und von Fuhrwerken befahrenen Route, so dachte er, wäre ein sicheres Geschäft. Denn wer von Schwamendingen kommt, hat seit dem dortigen «Hirschen» sicher schon wieder Durst, der gelöscht werden will.

Kurzerhand kaufte er das Tavernenrecht der Wirtschaft Gryff im Gfenn und übertrug es auf sein neues Wirtshaus. Den altüberlieferten Vogelnamen änderte er auf «Adler» um und eröffnete 1837 seine eigene Gaststätte, die stolz auf dem heutigen Adlerplatz thronte.

Die drei charmanten Töchter

Als «Adler»-Wirt verstand es Pfister meisterhaft, seine Gäste zu unterhalten. Auch das eher ernste Amt als Friedensrichter, das er nach dem Ausscheiden aus dem Gemeinderat übernommen hatte, hinderte ihn keineswegs daran, das Leben von der heiteren Seite zu nehmen. Durch seine Unterhaltungskünste gelang es ihm immer wieder, die Gäste zum Bleiben zu bewegen.

Doch acht Jahre später trat der Zuckerbäcker und Reitschulbesitzer Felix Gossweiler auf den Plan. Er erwarb ein Stück Baumgarten vom benachbarten Kehlhof und errichtete dort das Wirtshaus Kreuz auf dem Gelände, das heute von der UBS genutzt wird.

Gossweiler setzte auf einen besonderen Trumpf: seine drei charmanten Töchter, die als wahre Publikumsmagnete fungierten und nicht wenige Gäste noch stärker anzogen als die Unterhaltungskünste des «Adler»-Wirts, wie es in einem alten «Heimatbuch» beschrieben wird.

Dem Feind die Sicht versperrt

Diese neue Konkurrenz passte Pfister natürlich gar nicht in den Kram. Wie sollte er darauf reagieren? Mit einem cleveren Streich: Auf dem schmalen, spitzwinkligen Streifen Land zwischen «Adler» und «Kreuz» liess er ein Wohnhaus errichten. Dieses Bauwerk bot eine besondere architektonische Eigenheit: Eine Seite war deutlich schmaler als die andere, wodurch ein nahezu dreiecksförmiger Grundriss entstand.

Der viel bestaunte und beschimpfte Bau erhielt aus diesem Grund bald den Spitznamen «Schneeschnüüzi» oder «Pfadschlitte». Das Beste daran: Pfister fügte im ersten Stock des Gebäudes eine weit auskragende Laube hinzu, die über die untere Wohnung hinausragte.

Historisches Bild von Dübendorf
Die «Schneeschnüüzi» in der Mitte, hingebaut vom «Adler»-Wirt im Haus links, damit der «Kreuz»-Wirt im Haus rechts nicht beobachten konnte, wer im «Adler» einkehrte. Foto: Ortsgeschichtliche Dokumentationsstelle VVD

Diese seltsame Konstruktion hatte einen doppelten Nutzen. Zum einen raubte sie dem «Kreuz»-Wirt die Sonne, und sie verhinderte, dass Gossweiler von seiner Wirtsstube aus die Zürichstrasse überblicken und sehen konnte, wer beim «Adler» einkehrte – eine ständige Quelle des Ärgers für ihn. Zum anderen sahen die Fuhrleute, die von Schwamendingen kamen, nur noch den «Adler», während das «Kreuz» geschickt verdeckt war.  

Plötzlich ohne Sonnenlicht

«Kreuz»-Wirt Gossweiler war jedoch ebenfalls nicht zimperlich. Er rächte sich regelmässig, indem er sprichwörtlich «einen Stein in die Scheiben» von Pfister warf. Doch seinen besten Gegenschlag sparte er sich für später auf. Die Streithähne besassen nämlich auch an der Bahnhofstrasse benachbarte Grundstücke, nahe dem «Hecht», wo heute die ZKB steht.

Als «Adler»-Wirt Mathias Pfister an dieser Stelle 1864 ein neues Wohnhaus erstellen liess, um seinen Konkurrenten auch von der anderen Seite überwachen zu können, konnte er sich nicht lange an der Sonne erfreuen. Der alte Pfister hatte nämlich nicht mit der Schlauheit des «Kreuz»-Wirts gerechnet, sonst hätte er seinen Bau nicht direkt an das Land seines Rivalen gestellt.

Gossweiler nutzte die Gelegenheit zur Vergeltung für die «Schneeschnüüzi» in eigener Manier und liess direkt vor den Fenstern von Pfisters neuem Heim eine hohe Holzwand errichten. Im selben Jahr ersetzte Gossweiler die Wand durch ein Nebengebäude des «Kreuz» mit Keller, Remise und Obstpresse. Dadurch versperrte er dem «Adler»-Wirt nicht nur die Sicht auf die Zürich- und die Usterstrasse, sondern auch auf den Eingang des «Kreuz». Selbst die Sonne konnte nicht mehr in Pfisters Wohnstube vordringen, die nun komplett im Schatten lag.

Erst ein Brand beendete den Streit

Die Dübendorfer reagierten gleichermassen schockiert und belustigt auf dieses architektonische Geplänkel der rivalisierenden Wirte. Schnell bekam der Neubau vor Pfisters Haus den Spitznamen «Zleidwercherbau».

So lebten die beiden Wirte ständig im Wettstreit und übertrafen sich gegenseitig mit legendären Streichen, die das Städtli immer wieder in Aufruhr versetzten. Auch ihre Nachfolger führten den unermüdlichen Konkurrenzkampf um die Gunst der Gäste fort. Doch im Jahr 1918 setzte ein verheerender Brand dem turbulenten Treiben ein abruptes Ende. Das Feuer verschlang sowohl den «Adler» als auch die «Schneeschnüüzi». Ironischerweise ermöglichte erst dieses Unglück dem «Kreuz»-Wirt die langersehnte Sicht auf die Zürichstrasse.

Der «Zleidwercherbau», als letzter verbliebener Zeuge der baulichen Willkür, prägte noch jahrzehntelang das Städtli, bis er im Jahr 1983 dem Neubau der ZKB weichen musste. Die Anekdote über die beiden Zankhähne bleibt eine lebendige Erinnerung daran, wie die Dorfpolitik einst von Rivalitäten und Einfallsreichtum geprägt war und Gastwirte mit Cleverness und Tricks um Kundschaft buhlten. Mit einer Prise Schadenfreude erzählte man sich noch lange, wie der Konkurrenzkampf zwischen «Adler» und «Kreuz» einst die Dorfarchitektur formte.

Wer heute durch das geschichtsträchtige Städtli schlendert, sollte sich daran erinnern, dass selbst die härtesten Rivalitäten manchmal ein Schmunzeln wert sind.

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