Wenn die Stadt Zürich eine Schule baut, ist der Preis oft eindrücklich. Die beiden Schulanlagen, über die das Stimmvolk am 22. September abstimmt, sind da keine Ausnahme.
102 Millionen Franken für das Schulhaus Luchswiesen in Schwamendingen.
111 Millionen Franken für das Schulhaus Tüffenwies in Altstetten.
Gibt es ein Ja für die beiden Projekte, wird die Stimmbevölkerung innerhalb von vier Jahren fast 900 Millionen Franken für neue Schulhäuser bewilligt haben.
SVP vergleicht mit Privatschulen
Die hohen Beträge werfen die Frage auf: Gibt die Stadt Zürich zu viel für ihre Schulhäuser aus?
Die SVP beantwortet die Frage klar mit Ja. Als einzige Partei lehnt sie die beiden Neubauten Luchswiesen und Tüffenwies ab. Zu teuer.
Sie vergleicht das städtische Projekt Tüffenwies mit einem Beispiel aus Dübendorf. Im Jahr 2017 hat dort das Lycée Francais Marie Curie de Zurich für 44 Millionen Franken eine Schulanlage gebaut, also für weniger als die Hälfte wie das Tüffenwies-Schulhaus. Dabei bietet die Privatschule aber Platz für 1200 Kinder, also für mehr als doppelt so viele wie der städtische Neubau.
Die Schlussfolgerung der SVP, die in verkürzter Form auch in der aktuellen Abstimmungszeitung ausgeführt ist: Privatschulen bauen um den Faktor 2,5 günstiger, bieten aber 2,2-mal mehr Lernenden Platz. Ein Privater könne also 4,5-mal besser, günstiger und grösser als die Stadt bauen.
Das ist eine Milchbüechli-Rechnung. Das gibt auch die SVP zu.
FDP will Kosten deckeln
Doch die Freisinnigen rechnen ähnlich und haben den gleichen Verdacht: Die Stadt baut zu teure Schulhäuser. FDP-Bildungspolitikerin Yasmine Bourgeois sagt: «In Zürich muss einfach immer noch etwas mehr obendrauf gepackt werden, es müssen extra teure Materialien und technische Installationen, besonders grosse Räume sein und erst noch alle Öko-Zertifikate erfüllt werden. Hinzu kommt dann oft noch Kunst am Bau.»
Andere Gemeinden könnten gute Schulhäuser günstiger bauen, dafür gebe es einige Beispiele in der Agglomeration, sagt Bourgeois. Eines davon liege (per Zufall schon wieder) in Dübendorf.
Dort plant die Stadt einen Ersatzneubau des Schulhauses Birchlen.
Der Projektbeschrieb liest sich ähnlich wie der einer Stadtzürcher Schule. Das Schulhaus bietet eine Doppelturnhalle, ein Musikschulzentrum und eine grosse Produktionsküche, wo Köchinnen und Köche täglich Essen für bis zu 750 Schülerinnen und Schüler zubereiten.
Es wird aus Beton und Holz und nach Minergie-Standard gebaut. Dereinst sollen 18 Primarschulklassen und 4 Kindergartenklassen darin unterrichtet werden. Der Preis: 64 Millionen Franken.
Um zu vergleichen, berechnen Bourgeois und andere bürgerliche Politikerinnen und Politiker gerne die Kosten pro Klasse. Gemäss diesen Rechnungen würde eine Klasse im Schulhaus Birchlen 2,9 Millionen Franken kosten. Das Tüffenwies kostet in dieser Rechnung 4,6 Millionen Franken pro Klasse. Das Luchswiesen 5,4 Millionen Franken pro Klasse.
Für Yasmine Bourgeois ist das zu viel. Sie möchte die Kosten in Zürich deckeln und hat vor knapp einem Jahr einen Vorstoss im Gemeinderat eingereicht. Sie will, dass ein Schulhaus maximal 3 Millionen Franken pro Klasse kostet.
Stadt wehrt sich gegen Vorwürfe
Ganz anders sieht das Benjamin Leimgruber. Er ist Leiter Bereich Schulbauten bei Immobilien Stadt Zürich (IMMO). Er betont im Gespräch drei Dinge:
1. Der Vergleich pro Schulklasse sei verzerrend und könne nur mit einer differenzierten Betrachtung gemacht werden.
2. Die Stadt baue nicht teurer als andere.
3. Es gebe kaum andere öffentliche Bauten, die so viel für ein Quartier leisten wie Zürichs Schulanlagen.
Punkt eins begründet er so: Im Preis der Schulanlagen seien ganz unterschiedliche Kosten enthalten. Müssen zuerst bestehende Gebäude abgerissen werden? Sind Provisorien inbegriffen? Wie viel Reserven kalkuliert man ein? Gibt es eine Einfach- oder Dreifachsporthalle? Einen grossen Aussenraum? Ist dieser Teil des Schulprojekts (Luchswiesen) oder baut ihn Grün Stadt Zürich als separaten Park (Beispiel Schulhaus Pfingstweid)?
«All diese Fragen beeinflussen den Preis, teilt man diesen einfach durch die Klassen, verzerrt das die Vergleiche enorm», sagt Leimgruber.
Er nimmt ein Beispiel aus Winterthur. 2019 haben dort die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger dem Ersatzneubau Wallrüti zugestimmt. Dieses hat den Ruf, preiswert zu sein. 28 Millionen Franken kostete es und bietet Platz für 28 Klassen. «Dieses Projekt hat aber kein Untergeschoss, keine Sporthalle und keine Sportanlage», sagt Leimgruber. Die Klassen-Projekt-Quote sei daher polemisch.
Wie teuer ist es in anderen Städten?
Leimgruber hat aber Verständnis dafür, dass Vergleiche gemacht werden wollen. «Auch die Stadt will wissen, wo sie steht», sagt Leimgruber und kommt damit zu Punkt zwei.
Die Stadt hat 2023 eine Auswertung gemacht und Zürcher Projekte mit Neubauten aus Winterthur, Basel und Bern verglichen. Anstatt an der Zahl der Klassen orientieren sich Leimgruber und sein Team in dieser Analyse an den Erstellungskosten pro Geschossfläche, was zielführender sei.
Das Ergebnis der Stadt: In Zürich kostete der Quadratmeter Geschossfläche zwischen 4660 und 6927 Franken. Bei den ausgewählten Projekten in den anderen Städten lag die Bandbreite zwischen 5187 und 5943 Franken.
Auch das Wallrüti-Schulhaus in Winterthur war Teil des Vergleichs. In der städtischen Aufstellung kostet die Geschossfläche des 28-Millionen-Baus 5855 Franken, das ist etwas mehr als die 5760 Franken der 111-Millionen-Anlage Tüffenwies in der Stadt Zürich.
Der Vergleich zeige, sagt Leimgruber, Zürich baue nicht teurer, sondern leiste sich mehr, zum Beispiel Dreifachsporthallen zur Vereinsnutzung. Die neuen Resultate bestätigten somit die Ergebnisse einer externen Studie von 2012.
Stadt überschreitet wiederholt eigenes Kostenziel
Dennoch: Das Schulhaus Luchswiesen in Schwamendingen weist im Städtevergleich die mit Abstand höchsten Quadratmeterkosten aus.
Auch im stadtinternen Referenzsystem, welche die Klasseneinheit berücksichtigt, das Leimgruber und seinem Team helfen soll, die Kosten im Griff zu halten, übersteigt die Schulanlage in Schwamendingen den Kostenrichtwert um 13,1 Prozent.
«Das ist im Einzelfall ärgerlich», sagt Leimgruber. Doch bei den Schulanlagen sei man quartiergebunden, könne sich nicht aussuchen, wo gebaut werden soll. Und so hätten sie auch die Kosten des ganzen Schulportfolios im Blick, um so das Ziel zu erreichen.
Sechs der neun aktuellsten Schulprojekte lagen über dem internen Kostenrichtwert, insgesamt gibt das ein Plus von 3,7 Prozent.
Bei der geplanten Luchswiesen-Schulanlage gebe es eine Reihe von Faktoren, die das Projekt verteuert hätten, sagt Leimgruber. Bestehende Gebäude müssen abgerissen werden. Die Dreifachsporthalle wird aufgrund des Ortsbildschutzes unterirdisch gebaut.
Das Gesetz schreibe vor, dass der Aushub aus ökologischen Gründen per Bahn abtransportiert wird. Hinzu komme der kompakte, oberirdische Holzbau, der den CO₂-Ausstoss des grossen unterirdischen Betonvolumens kompensieren soll. Schliesslich seien Massnahmen zur Hitzeminderung geplant.
Die Faktoren sind beispielhaft für Zürich. Expertinnen und Experten haben in der Vergangenheit immer wieder gesagt: Die Platzverhältnisse in der Stadt sind eng, was dazu führt, dass sowohl in die Tiefe (die Turnhallen) als auch in die Höhe gebaut werden muss.
Beides ist teuer. Obendrauf kommen die von der Politik geforderten Anforderungen: Tagesschule, Ökologie oder zusätzliche Infrastruktur für das Quartier und Vereine.
Mehr als ein Schulhaus
Und damit zu Punkt 3 der Zürcher Besonderheiten, die Schulbauten-Chef Leimgruber hervorhebt: die Bedeutung der Schulanlagen fürs Quartier.
Die Zürcher Schulen dienten auch als Quartierzentren, wo auch ausserhalb des Schulbetriebs Sport getrieben und musiziert wird, wo sich Menschen im Aussenraum treffen. Und Leimgruber fragt: «Wann haben Sie das letzte Mal einen Sonntagnachmittag im Grünen vor einer Privatschule verbracht?»
Doch ist es überhaupt die Aufgabe der Stadt, mit jeder neuen Schule dieses Bedürfnis zu erfüllen?
«Das ist ein politischer Entscheid», sagt Leimgruber. Jedes Schulhausprojekt wurde von der Stimmbevölkerung grossmehrheitlich und im Gemeinderat nur mit wenigen Gegenstimmen gutgeheissen.
Das nächste Projekt wartet schon. Der Stadtrat hat vor den Sommerferien den Kredit für die Erweiterung der Schulanlage Entlisberg beantragt. Auch dort gibt es gemäss der Weisung diverse Kostentreiber: eine unterirdische Sporthalle, Vorbereitungen für eine allfällige Aufstockung des Baus sowie die Küche und die Mensa, die auch von den Schulkindern aus dem Altbau genutzt werden sollen.
Der Preis: 54 Millionen Franken.