Wenn Christian Knechtle mit seinem Smartphone telefonieren möchte, wird das für den 69-Jährigen jedes Mal zu einer Herausforderung: Denn aufgrund des schlechten Empfangs muss er das Haus verlassen. «Manchmal reicht es, in den Garten zu gehen. Es kommt aber auch vor, dass ich auf die Strasse muss und einige Meter weiter weg erst telefonieren kann.»
Versucht jemand, Knechtle zu erreichen, gehen die Anrufe oft nicht durch oder landen direkt auf dem Beantworter – so schlecht ist das Mobilfunknetz in seinem Wohnort Kindhausen. Ein Zustand, der seit letztem November anhält und gegen den Knechtle vorgeht. «Wir sind ein Dorf mit gut 1800 Einwohnern. Es kann nicht sein, dass wir einfach nicht erreichbar sind.»
Null Balken bei allen Anbietern
Egal, bei welchem Mobilfunkanbieter man unter Vertrag stehe, der Empfang sei bei allen gleich null. Das wisse er aus Gesprächen mit Nachbarn und anderen Bewohnern. Er selbst ist, wenn nicht mit dem hauseigenen WLAN verbunden, im Swisscom-Netz unterwegs: null Balken, wie ein Blick auf das Display zeigt. Auch das Sunrise-Netz ist in Kindhausen kaum vorhanden. Das beweist ein Blick auf das Handy der Redaktorin.
Ein nicht mehr tragbarer Zustand für Knechtle. Einerseits, weil so kein zuverlässiges Telefongespräch am Handy stattfinden könne. Andererseits erschwere der fehlende Empfang alltägliche Dinge, wie die Transaktion von Geld oder Bestellungen im Internet. «Bestätigungscodes werden oft via SMS verschickt. Im Funkloch Kindhausen werden diese aber nicht zugestellt.»
Bund ist überrascht
Kindhausen war nicht immer ein Funkloch. Bis im November 2023 gab es im Dorf eine Antenne, betrieben von Swisscom. Bis der Eigentümer des Grundstücks, auf dem die Antenne stand, den Vertrag mit dem Mobilfunkanbieter kündigte. Das bestätigt die Swisscom auf Anfrage.
Seither fehlt es in Kindhausen an Mobilfunkempfang. Christian Knechtle beschwerte sich im Rahmen eines offenen Briefs bei der eidgenössischen Kommunikationskommission, kurz ComCom. Diese ist zuständig für die Lizenzvergabe für die Bereitstellung von Telekommunikationsdiensten. Swisscom, Sunrise und Salt benötigen solche Lizenzen, um Mobilfunkdienste anbieten zu dürfen.
Die Antwort auf Knechtles Brief liegt der Redaktion vor. Darin zeigt sich die ComCom überrascht über das Funkloch in Kindhausen. Denn: «Die online abrufbaren Karten zur Mobilfunkversorgung – vom Bundesamt für Kommunikation (Bakom) und von den drei Netzbetreibern – weisen alle eigentlich auf eine gute 4G-Versorgung und zum Teil eine 5G-Abdeckung hin.»
Eine Aussage, die sich durch wenige Klicks prüfen lässt. Und tatsächlich, gemäss den interaktiven Karten des Bunds und der Netzbetreiber sollte in Kindhausen überall Handy-Empfang vorhanden sein. Die Realität sieht aber anders aus. Doch wie aus der Antwort der ComCom hervorgeht, kann diese nichts tun. «Die ComCom vergibt zwar Mobilfunkkonzessionen für den Bund, sie kann jedoch bei Versorgungsproblemen nicht einschreiten. Der konkrete Netzausbau wurde dem freien Wettbewerb zwischen den Netzbetreibern überlassen.»
Zudem handelt es sich beim nicht vorhandenen Empfang nicht um eine Konzessionsverletzung. «In den Konzessionen gibt es keine Verpflichtung, dass die Netzbetreiber die ganze Schweiz mit einer vorgegebenen Technologie versorgen müssen.»
Alle wollen Netz, niemand will eine Antenne
Dass es in Kindhausen an Empfang fehlt, bedauern auf Anfrage alle drei Netzbetreiber. Daran etwas zu ändern, sei aber einfacher gesagt als getan – darin sind sich Salt, Swisscom und Sunrise einig.
Der gemeinsame Tenor: Jeder will Empfang, niemand möchte aber eine Antenne in der Nähe. «Beim Aus- und Neubau der Mobilfunkanlagen kommt es aufgrund von Widerständen und Einsprachen oftmals zu Verzögerungen», heisst es seitens der Sunrise.
Das bestätigt die Swisscom. Mediensprecher Sepp Huber führt aus: «Für passende Standorte sind wir auf private Eigentümer oder die Gemeinde angewiesen, die ihren Grund zur Verfügung stellen.» Dieser müsse aber in die Netzplanung passen und die sehr vielen restriktiven Schweizer Vorgaben erfüllen. Und: «Obwohl 99 Prozent der Bevölkerung Mobilfunk nutzen, ist der Widerstand gegen Antennen sehr gross.» Ana Biljaka von Salt unterstreicht dies: «Wir haben in dieser Region einen grossen Widerstand festgestellt.»
Gemeinde wird aktiv
Auch der Volketswiler Gemeinderat hat sich des Themas angenommen. «Wir erhalten diesbezüglich regelmässig Anfragen. Die Situation ist ärgerlich und inakzeptabel», heisst es seitens des Gemeindepräsidenten Jean-Philippe Pinto (Die Mitte). Als Bewilligungsbehörde habe man aber immer signalisiert, dass Baugesuche für Antennen prioritär behandelt werden würden. Ein solches sei bis jetzt jedoch nicht eingegangen.
Die Situation sei so nicht mehr tragbar. Deshalb hat sich der Gemeinderat mit einem Schreiben an die Mobilfunkanbieter gewendet und «eine umgehende Verbesserung» gefordert. Mit Erfolg, wie David Gerig, stellvertretender Gemeindeschreiber, sagt: «Aufgrund unseres Schreibens haben sich die Mobilfunkanbieter umgehend bei uns gemeldet. Die zuständige Abteilung wird nun zeitnah einen runden Tisch mit allen Beteiligten einberufen, um gemeinsam nach einer Lösung zu suchen.»
Zudem will die Gemeinde Volketswil bei der Suche nach einem Antennenstandort bei den gemeindeeigenen Grundstücken Hand bieten. «Welche Standorte dabei infrage kommen, wird sich anlässlich des runden Tischs zeigen», so Gerig.