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Eine blühende, wilde Rosenhecke, auf dem Weg daneben ein Velofahrer von hinten.

Eine App soll die Dübendorfer in die Natur locken und den Blick für Biodiversität schärfen. Foto: Eleanor Rutman

Naturpfade auf dem Display

«Gamen» am Smartphone in der Dübendorfer Natur

Die App Naturpfade soll «Couch-Potatoes» weg vom Sofa in die Dübendorfer Flora und Fauna locken – und die Biodiversität ankurbeln. Doch wie oft wird die App wirklich genutzt?

Eine App soll die Dübendorfer in die Natur locken und den Blick für Biodiversität schärfen. Foto: Eleanor Rutman

Veröffentlicht am: 01.06.2024 – 16.01 Uhr

Es riecht nach Blumenwiese, ein schwerer Duft, die Luft fast tropisch, Grillen zirpen, und Frösche quaken laut in den Tümpeln. Der Frühling zeigt sich in voller Blüte. Achtung: Dies ist kein Ausflug für Heuschnupfengeplagte.

Wer die App Naturpfade der Stadt Dübendorf runterlädt und sich auf den Weg an die Schauplätze macht, fühlt sich fast wie in einem Videogame.

Dies, weil man sich Punkte holt, wenn man die eingezeichneten Standorte des Pfads physisch erreicht. Die App zeigt dann ein freudiges «Schauplatz freigespielt!» auf dem Display an. Vom Sofa aus könnten Bewegungsmuffel zwar die Quizfragen lösen, nicht aber alle Punkte einheimsen. Den realen Gang in die Natur müsste man dafür schon antreten.

Am besten zieht man Kopfhörer an, damit man auch hört, wenn man am Ort angekommen ist. Denn ausgeschildert sind die zehn Schauplätze in Dübendorf nicht. Der Pfad funktioniert rein digital und interaktiv. Man muss die Spielorte auch nicht in einer bestimmten Reihenfolge besuchen.

Eine äussere Station des Pfads befindet sich am Rand von Gockhausen, führt quer durch den Ortsteil in den Wald in der Nähe der Burgruine Dübelstein, danach an die Glatt und über den Fluss zum Raubbüel. Der Weg mit zehn Standorten endet auf der anderen Seite der Bahnlinie im Gfenn.

Spielerisch Neues erfahren und draussen sein

Lockt die App mehr Leute an die frische Luft? Es sei vor allem eine Anwendung, die Naturschutzthemen mit Freizeitgestaltung verbinde, sagt Barbara Weilenmann. «Die Applikation holt auch Menschen ab, die sich sonst nicht so mit Biodiversität befassen», sagt die Projektleiterin von der Stadtplanung Dübendorf.

So gibt es unter «Tipps und Tricks» jeweils zusätzliche Infos, wie man sich als Hobbygärtner weitere Karmapunkte ergattern kann – oder wie man sich am besten umweltschonend verhält. Beim Standort an der Heidenrietstrasse, bei den «Kleintieren auf Reisen», steht zum Beispiel, dass man den Rasen nicht mähen und stattdessen eine Wildwiese wachsen lassen soll, damit sich Bienen und andere Insekten daran erfreuen können.

Auch steht, dass man Holzstapel und Steinhaufen im eigenen Garten liegen lassen soll, damit Eidechsen, Igel und andere Kleintiere dadurch einen zusätzlichen Lebensraum erhalten. «Ein paar Quadratmeter reichen aus, um einen artenreichen Lebensraum zu schaffen», kann man nachlesen.

Wussten Sie, dass in der Schweiz 600 Bienenarten heimisch sind? Also darf ein Wildbienenhotel unterwegs natürlich nicht fehlen. Direkt unterhalb des Aussichtspunkts Raubbüel befindet sich das «Airbnb für wilde Bienen», gut geschützt in einer Hecke.

Die Quizfragen sind witzig gestaltet: «Warum sind grüne Korridore wichtig?» Antwort A: «Damit sich Pflanzen und Tiere austauschen und vermehren können.» Antwort B: «Damit auf Fotos möglichst viele Farben vorkommen.»

Vom Niveau her klingt es ein wenig so, als würden sich vor allem Familien mit Kindern und Primarschulklassen rege auf den Naturpfad begeben. Doch Weilenmann sagt, von Schulen habe die Stadt Dübendorf leider noch kein Feedback zur App erhalten. «Über die Verwendung in den Schulen ist uns nichts bekannt.» Dies bringe sie aber auf die Idee, die App auch dort noch vermehrt zu verbreiten.

Ernüchternd wenige Downloads

Die App befindet sich in ihrem vierten Jahr. Die allgemeinen Nutzerzahlen sind eher dürftig. «Die Zahlen der Auswertung sind sogar rückläufig», sagt Weilenmann. Waren es vor drei Jahren noch 592 Nutzerinnen und Nutzer, die die App runtergeladen hatten, weist die Statistik 2023 nur noch 144 Downloads auf.

Woran liegt das? Die Zahlen seien als Minimum zu betrachten, erklärt Weilenmann. Wenn zum Beispiel das Ortungssystem GPS nicht eingeschaltet sei, dann würden Klicks nicht gerechnet. «Zudem sind viele Pfadfreunde erfahrungsgemäss selten allein unterwegs.» Es sei wahrscheinlich, dass bei einer gemeinsamen Wanderung nicht alle Personen der Gruppe die App runterladen würden.

Für die Auswahl der Schauplätze habe man in Dübendorf vor allem Ballungsorte von verschiedenen Pflanzen- und Tierarten näher angeschaut. So sei bei der Entwicklung das Gemeine Glühwürmchen oder die Zauneidechse ins Visier genommen worden wie auch der Europäische Laubfrosch in den Tümpeln. Dieser quakt zurzeit unüberhörbar an einem Ort, der angeschrieben ist mit «Stilles Wasser Raubbüel».

Die App wurde vom Verein Pusch entwickelt. Dieser setze sich für praktischen Umweltschutz ein und habe die Standorte zugeordnet, sagt Weilenmann. So seien zum Beispiel die Themen «Feuchtgebiet» im Heidenriet und «Hecken» der Rosenhecke beim Raubbüel eingeteilt worden.

Pusch hat neben Dübendorf noch zehn weitere Naturpfade kreiert, darunter sind Uster, Zizers, Horgen und St. Gallen.

Die Bahnlinie als Hindernis

Einziger Kritikpunkt: Die letzte Station, beim Heidenriet, kann nur über einen Umweg erreicht werden, denn die Bahnlinie durchtrennt die beiden Punkte. Auf der App sind die Stationen aber mit der direkten Luftlinie verbunden. Da stellt sich die Frage, ob die Entwickler das bewusst so gestaltet haben – oder ob sie nicht besser die realen Wege in die Karte eingezeichnet hätten.

Auf der nördlichen Seite der Bahnlinie sei in den letzten Jahren einiges in Sachen Naturschutz passiert und entwickle sich weiter. «Vielleicht würde sich eine Erweiterung der Stationen auf der Seite Gfenn anbieten, damit sich der Umweg lohnt», so Weilenmann.

Die App downloaden und sich schlaumachen

Die Naturpfade-App hat einen grünen Igel als Symbol und kann für Android und iOS kostenlos auf Google Play oder im App-Store heruntergeladen werden.

Mittlerweile gibt es auch mehrere Unternehmen und Vereine, die bei der geeigneten Bepflanzung von privaten Gärten und Balkonen helfen. Der Verein Floretia stellt ein einfaches Online-Tool zur Verfügung: Ein paar Klicks führen zu einer Liste von Pflanzen und Kleinstrukturen, die zum eingegebenen Standort passen.


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