Tagsüber ist Remo Ronner als Schädlingsbekämpfer in den Gärten rund um Zürich unterwegs, an den Wochenenden legt er als DJ auf und organisiert Ecstatic Dances. Das sind Tanzevents, wo kein Alkohol fliesst, sondern die Musik im Vordergrund steht.
Momentan arbeitet der Brüttiseller noch in beiden Berufen. «Der Job als Kammerjäger ist nicht sehr bekannt – und auch nicht sehr beliebt», erzählt er im Auto.
Der 35-Jährige ist unterwegs zu einem Haushalt, wo es Probleme mit Ratten im Garten gibt. «Die wenigsten wollen Schädlingen selber auf die Pelle rücken, umso glücklicher sind sie, wenn die weg sind, nachdem wir da waren», sagt er.
Eigentlich will er gar niemandem etwas zuleide tun
Ronner passt das zweite Standbein, es gibt ihm Sicherheit. «Ich arbeite gerne selbständig, so kann ich mir den Tag frei einteilen.» Manchmal leide er jedoch auch darunter, immer sein eigener Manager sein zu müssen.
Heute will Ronner seine gelegten Köder überprüfen. In schwarzen Boxen hatte er «Frassköder» angebracht. Das sind Wachsstücke, die Gift enthalten. «Wenn sie angeknabbert sind, dann ersetze ich sie und warte nochmals ungefähr drei Wochen.»
Wenn sie unangetastet blieben, dann sei das ein Zeichen, dass es an dem Ort keine Ratten mehr gebe – und sein Job somit erledigt sei. «Ratten sind sehr schlaue Tiere, sie lernen schnell.» Deswegen habe das Gift eine verzögernde Wirkung. «Wenn es zu schnell wirken würde, kann es vorkommen, dass die Nager die Köder meiden.»
Ronner bedauert es, dass er die Tiere töten muss. «Ich bin bestrebt, so umweltschonend wie möglich zu arbeiten.» Er benutze nur dann Gift, wenn es anders nicht gehe, «und auch nur so wenig, wie wirklich notwendig ist».
Die umweltschonendste Arbeit kann er machen, wenn es irgendwo Probleme mit Tauben oder Spatzen gibt. Dann bringt er fixe Installationen an Fassaden und Dächern an. «So werden die Vögel einfach vertrieben und müssen nicht getötet werden.»
Gute Organisation ist die halbe Miete
Zwischen den Aufträgen als Kammerjäger schreibt Ronner Newsletter oder Social Media Posts, damit die Leute auf seine Events aufmerksam werden. Zusätzlich ist er oft am Telefon und regelt Organisatorisches.
«Manchmal sind die Veranstaltungen auch grosse Materialschlachten.» Es braucht die richtigen Verstärker, die richtigen Kabel, gutes Licht. Auch wenn es in seinem zweiten Job ausgeflippter und wilder zu und her gehen mag, Ronner scheint gut vorbereitet zu sein.
So stehen an seinen Veranstaltungen, bevor es los geht, viele Plastikboxen im Raum, alle schön säuberlich angeschrieben. «Bei all den unterschiedlichen Kabeln und Materialien gerät das sonst alles sehr schnell durcheinander.»
Das Spezielle an seinen Veranstaltungen: Ronner arbeitet oft mit Liveacts, die organischen Techno spielen. Dazu verstärken sie akustische Instrumente, wie zum Beispiel ein Didgeridoo oder ein Handpan. Die Bands haben klingende Namen wie Umanaya oder Kosma.
Auch finden seine Tanzformate Ecstatic Dance und Amorythmo nicht in einem «normalen» Club statt, sondern in grossen Seminarräumen, Zelten an Festivals oder einem Tanzstudio, wie zum Beispiel das Flow 60 am Zollikerberg, wo es einen Holzboden gibt, der einlädt, barfuss zu schwelgen.
«Im grossen Saal können sich gut hundert Leute frei bewegen», so Ronner. Die Tanzfreudigen kämen vor allem wegen der Musik, der Begegnung mit anderen Menschen, der Community. Sie seien zwischen 20 und 70 Jahre alt.
Die Leute dürfen sich ohne Substanzen selber in Ekstase tanzen.»
Remo Ronner
DJ, Eventorganisator und Kammerjäger
Dass an den Veranstaltungen kein Alkohol ausgeschenkt wird, hat seinen Grund: «Es soll ein unbeschwerter und drogenfreier Raum sein, die Leute dürfen sich ohne Substanzen selber in Ekstase tanzen», sagt Ronner und schmunzelt.
Mit Alkohol oder Drogen sei die eigene Wahrnehmung verzerrt. «So können eher echte Verbindungen auf Augenhöhe stattfinden.»
Seit zwei Jahren organisiert er – gemeinsam mit Indrani, die auch DJ ist – Ecstatic-Dance-Festivals in der freien Natur. Im letzten Jahr auch eines am Greifensee.
«Es ist jeweils nicht so einfach, geeignete Orte zu finden.» Die Organisation sei aufwendig. Zudem fänden Menschen Outdoor-Festivals zwar grossartig, «doch wenn das Wetter nicht stimmt, dann kommt niemand». Somit sei das Geschäft sehr risikobehaftet.
Durchs Reisen inspiriert
Ronner ist ein Mann mit vielen Talenten. Ursprünglich ist er gelernter Schreiner. Für das Ecstatic-Dance-Festival in Maur hat er selber Kompost-Toiletten hergestellt. «Wenn ich sehe, dass etwas fehlt, dann versuche ich es einfach selber zu bauen», sagt er.
Auch ist er einer, der schon vieles ausprobiert hat. Oft seien es seine Reisen, aber auch Menschen gewesen, die ihm Türen in eine andere Welt geöffnet hätten. Zum Beispiel zeigte ihm ein Israeli, wie man Mokassins näht.
Das habe ihm so viel Spass gemacht, dass er die Nähtechnik in die Schweiz bringen wollte. «Doch dann merkte ich, dass ich die Mokassins hier für 200 Franken verkaufen müsste, damit es irgendwie rentiert.» Das Material sei zu teuer, der Zeitaufwand zu gross.
Dennoch tingelte er ein knappes Jahr mit den indianischen Lederschuhen und einem Marktstand zwischen Veranstaltungen wie dem Blue Balls oder dem Burning-Mountain-Festival hin und her. Das sei eine coole Zeit gewesen – und wohl auch der Beginn seiner zweiten Berufung als DJ und Eventorganisator.
Sicherheit versus Freiheit
Wie kommt ein Freigeist wie er überhaupt dazu, als Schädlingsbekämpfer unterwegs zu sein? Nach der Schreinerlehre stieg er bei seinem Vater Peter Ronner ein, der sein Geschäft, die Ronner AG, seit 35 Jahren in Wallisellen betreibt. Der Job gab ihm vor allem finanzielle Sicherheit – aber auch gewisse Freiheiten.
«Ich fuhr damals einen VW Touran, der zwar während der Arbeitszeiten voll beladen war mit Material, doch der war schnell ausgeräumt, wenn ich mal in die Ferien fuhr», sagt Ronner. Er sei schon immer gerne länger unterwegs gewesen. «Von meinen längeren Reisen kam ich immer inspiriert zurück.»
So war es auch dieses Jahr, als er mit seiner aufgepeppten Geschäftsidee im Gepäck von Thailand nach Hause kam. Ziel für den 35-Jährigen: dass er bald von den Events mit Xtatic leben kann. «Irgendwann möchte ich nicht mehr gegen die Natur arbeiten, sondern mit ihr.»