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Ein Holzhaus direkt am Ufer des Greifensees.

Die Jugendherberge direkt am Greifensee wurde im Bauhausstil gebaut und 1937 eingeweiht. Foto: Michi Ganz

100 Jahre Jugis

In die Jugi nach Fällanden reisen – und Ferien wie im Tessin machen

Die Jugendherberge in Fällanden erzählt ein Stück Architekturgeschichte. Sie wurde im Bauhausstil konzipiert, als man am Ufer des Greifensees noch bauen durfte.

Die Jugendherberge direkt am Greifensee wurde im Bauhausstil gebaut und 1937 eingeweiht. Foto: Michi Ganz

Veröffentlicht am: 28.04.2024 – 11.13 Uhr

Am Sonntag feiert die Schweiz das 100-jährige Bestehen ihrer Jugendherbergen. Als Gründungsdatum gilt der 28. April 1924, als eine Gruppe junger Menschen in Zürich die erste Genossenschaft für Jugendherbergen des Landes ins Leben rief.

Über 50 Unterkünfte existieren heute schweizweit, drei davon im Kanton Zürich. Neben Wollishofen und Richterswil steht seit bald 90 Jahren auch eine in Fällanden. Sie liegt zwischen Waldrand und See, mitten im Naturschutzgebiet – man darf dort sogar im See baden.

Die Jugendherberge in Fällanden entpuppt sich als Geheimtipp für Wasserratten. Sommerferien im Glattal also? Mit dem Bus ab Stettbach könnte man schon in 20 Minuten am Ufer sonnenbaden oder Tischtennis spielen. Einzig kochen müsste man selbst – und ausgebucht ist es oft, da man sich nur als Gruppe exklusiv einmieten kann.

Die Stadtzürcher Jugendverbände liebäugelten schon früh mit dem Wunsch nach einer Herberge auf dem Land. Am liebsten hätte man damals ein Haus direkt am Zürichsee gebaut, doch das hätte die damaligen finanziellen Möglichkeiten gesprengt.

Aus heutiger Sicht: Ein Schnäppchen

Also wich man auf den benachbarten Greifensee aus. Damals durfte man am Ufer von Fällanden noch bauen. Die Kosten des Projekts betrugen 70’000 Franken. Eine beachtliche Summe: Diese konnte nur dank unbezahlter Arbeit von Jugendlichen und Handwerkern erreicht werden.

Dazu kam die Unterstützung der Stadt Zürich, des Kantons und von privaten Spendern. Die Jugendherberge steht heute unter Schutz der kantonalen und der eidgenössischen Denkmalpflege.

Am 6. Juni 1937 wurde sie – nach einer längeren Planungsphase – eröffnet. Sie gehört damit zur ersten Generation von Jugendherbergen. Sie wurde als einfache Unterkunft mit Massenlagern gebaut – inmitten der Natur.

Bauhaus am Greifensee

Das Werk des Architekten Emil Roth ist ein Beispiel für ein Gebäude der klassischen Moderne in der Schweiz. Der Fokus bei der Umsetzung lag auf der einfachen Architektur. Roth verzichtete auf jegliche dekorative Elemente und wählte Holz als Material. Minimalismus, Funktionalität und einfache Formen zeichnen den Bauhausstil aus.

Das bedeutende Bauwerk konnte dank der Anpassung des Betriebskonzepts vor rund 30 Jahren bis heute in seiner ursprünglichen Bausubstanz erhalten werden. Damals baute man nur Massenlager – heute gibt es ein einziges Doppelzimmer und kleinere Massenschläge.

In der Dusche bis in die 1970er Jahre bibbern

Das Haus war ursprünglich für 70 Personen konzipiert. Damit gehörte es schon bald zu den kleineren Jugendherbergen und war aufgrund seiner hervorragenden Lage oftmals stark überbelegt. Trotzdem musste lange auf Komfort verzichtet werden: Erst im Zuge von Restaurierungsarbeiten in den 1970er Jahren wurde in den Duschen Warmwasser installiert.

Heute bietet das Haus in Fällanden Platz für 35 Personen. Ein beliebter Ort für Klassenlager, vor allem für die Primarstufe. Während der Sommerferien reisen oft Sportvereine an – oder es finden Ferienlager von Internaten statt.

Auch Einheimische übernachten hier

Auch werden ab und zu Familienfeste oder kleinere Freundestreffen gefeiert. «Das Haus kann nur exklusiv gemietet werden», sagt der Hostel-Manager Martin Käser. «Rauschende Feste» wie Hochzeiten fänden in der Jugendherberge keine statt, vor allem wegen des Naturschutzgebiets.

Fast alle Gäste reisten aus der Schweiz an, ein Grossteil davon aus dem Kanton Zürich. Es gebe viele Menschen in Dübendorf oder Uster, welche die Jugendherberge für ein Wochenende mieteten. So würden bei Feiern oft auch Einheimische im Haus übernachten.

Ausländische Gäste reisen selten an: Ihre Anfragen kämen meistens zu kurzfristig, dann sei das Haus oft bereits ausgebucht.

Die Geschichte der Herbergen

Die Idee der Jugendherbergen geht bis in die Zeit der Industrialisierung zurück. Als sechs Arbeitstage pro Woche die Regel waren, wuchs vor allem bei den jungen Menschen der Wunsch, Zeit für das Wandern zu finden. Als die Jugend zwei Tage Wochenende erhielt, stieg das Bedürfnis nach einfachen und günstigen Übernachtungsmöglichkeiten. Hütten mit Stroh und Kochgelegenheiten mussten her.

Am 28. April 1924 trafen sich rund 60 junge Menschen in Zürich, um die erste Genossenschaft für Jugendherbergen zu gründen. Sie trugen bestehende Ferienheime und Gastgeber zusammen und brachten Ideen für neue Orte ein. Den ersten Neubau einer Jugendherberge realisierten sie schliesslich 1932 in Valbella. (hid)

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