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Hand mit Handschuhen hält Kupferbeil.

Gestohlen und jetzt wieder aufgetaucht: Das Kupferbeil von der Grabung beim Opernhaus. Foto: Boris Müller

Nach 40 Jahren

Reuiger Dieb gibt wertvolles Kupferbeil aus der Ötzi-Zeit zurück

Ein Unbekannter hat der Stadt ein mehr als 5000 Jahre altes Kupferbeil zurückgegeben, das er 1981 bei einer Grabung mitgehen liess. Ein ähnliches Beil hatte auch Gletschermann Ötzi auf sich getragen.

Gestohlen und jetzt wieder aufgetaucht: Das Kupferbeil von der Grabung beim Opernhaus. Foto: Boris Müller

Veröffentlicht am: 06.03.2024 – 09.22 Uhr

Es ist ein spezielles Stück Metall, das im Fundlager der Zürcher Kantonsarchäologie in Dübendorf liegt. Ein rund 11 Zentimeter langes und 250 Gramm schweres Kupferbeil aus der Jungsteinzeit – 5600 Jahre alt, wie Untersuchungen gezeigt haben. Die kostbare Klinge wird zusammen mit anderen Metallfundgegenständen gut verpackt in einem speziell klimatisierten Raum aufbewahrt, um Korrosion zu verhindern.

«Die Klinge wirkt relativ klein, aber für die damalige Zeit war es ein grosser Gegenstand aus Kupfer, das als sehr wertvolles und prestigeträchtiges Tauschmaterial galt», sagt Adrian Huber, Mitarbeiter der Kantonsarchäologie, während er das Beil vorsichtig aus dem Schaumstoffbett einer Plastikbox nimmt.

Dabei trägt der Archäologe weisse Stoffhandschuhe – «jeder Schweisstropfen auf dem Metall wäre einer zu viel», sagt er.

«Lieber späte als überhaupt keine Reue!»

So ungewöhnlich wie das Kupferbeil selber sind auch die Umstände, unter denen es ins Fundlager gelangt ist.

«Bei der Stadtarchäologie Zürich wurde im März 2022 anonym ein Paket abgegeben», heisst es dazu in den kürzlich veröffentlichten Kurzberichten der Kantonsarchäologie zu den Projekten 2022. «Es handelt sich um ein jungneolithisches Flachbeil vom Typ Bottighofen.»

Brief mit mehreren Zeilen.
Dem Paket mit dem Kupferbeil war ein anonymes Schreiben beigelegt. Foto: Stadt Zürich

Das Paket enthielt auch einen anonymen Brief. «Guten Tag, lieber späte als überhaupt keine Reue!», heisst es darin.

«Im Begleitschreiben bekennt der spät reuige Finder, das Beil 1981 auf der Ausgrabung Zürich-Mozartstrasse unterschlagen und entwendet zu haben», schreibt die Kantonsarchäologie im Jahresbericht. «Es soll aus Feld 6, Schicht 4 stammen. Diese Schicht datiert dendrochronologisch um 3612 v. Chr.»

Die Mozartstrasse führte bis 1981 dort durch, wo heute der Verwaltungstrakt des Opernhauses steht. Die damalige Ausgrabung stand im Zusammenhang mit der Erweiterung des Opernhauses und gilt als eine der wichtigsten urgeschichtlichen Ausgrabungen im Kanton.

Damals traten Siedlungsschichten der Stein- und Bronzezeit zutage, welche zeigen, dass beim heutigen Sechseläutenplatz bereits in prähistorischer Zeit Menschen lebten.

Sehr seltener Fund

«Das Flachbeil aus Kupfer ist im rekonstruierten Schichtzusammenhang ein charakteristischer, aber sehr seltener Fund», sagt Adrian Huber von der Kantonsarchäologie. Es gehöre zur frühesten Kupfernutzung in der Schweiz in der Zeit der sogenannten Pfynerkultur (3750-3500 v. Chr.).

Mann hält Kopf eines Kupferbeils in der Hand.
Adrian Huber von der Kantonsarchäologie präsentiert das seltene Kupferbeil. Foto: Boris Müller

Der Archäologe deutet auf bräunlich-schwarze Flächen auf dem Kupferbeil – sogenannte Seeufer-Patina, die darauf hinweist, dass das Kupferbeil tatsächlich im Kontext einer Seeufersiedlung gefunden wurde. Klingen dieser Art wurden an einem hölzernen Griffteil befestigt, der in diesem Fall allerdings nicht erhalten geblieben ist.

Besondere Bekanntheit erlangte ein Kupferbeil aus der Jungsteinzeit durch die Gletschermumie Ötzi, die 1991 in den Ötztaler Alpen gefunden wurde und laut Untersuchungen aus der späten Jungsteinzeit stammt.

Ötzi, der um 3300 vor Christus lebte, hatte bei seinem vermutlich durch einen Pfeilschuss in den Rücken verursachten Tod ein fast komplett erhaltenes Kupferbeil bei sich getragen. Gewonnen wurde das Metall laut Analysen aus Erz aus der Toscana.

Urzeitmensch
Auch Ötzi trug einst ein Kupferbeil bei sich. Hier eine Nachbildung des Mannes aus dem Eis aus dem Archäologischen Museum in Bozen. Foto: Robert Parigger (Picturedesk.com)

Ob das Zürcher Kupferbeil als Werkzeug oder Waffe genutzt wurde, ist offen. Es könnte auch einem rituellen Zweck gedient haben, wie Archäologe Huber sagt. Möglicherweise wurde das Metallobjekt absichtlich an einem bestimmten Ort deponiert, als sogenanntes Bauopfer.

Diese wurden in frühgeschichtlicher Zeit vor dem Bau von Gebäuden dargebracht, in der Hoffnung, so den Bestand des Bauwerkes zu sichern. Dass das Beil als Grabbeigabe diente, gilt aufgrund seines Fundorts als unwahrscheinlich.

Die Kupferklinge aus der Steinzeit gehört laut Adrian Huber zwar nicht gerade in die Kategorie archäologischer Sensationsfunde wie der kürzlich entdeckte Panzerhandschuh eines Ritters von der Kyburg.

Blick auf die Grabung Mozartstrasse 1981.
Blick auf die Grabung Mozartstrasse 1981. Damals wurden diverse archäologische Schichten gefunden. Foto: Stadt Zürich

Doch es handle sich um ein sehr aussergewöhnliches Objekt, vor allem auch mit Blick auf die Umstände des Wiederauftauchens. Ein ähnlicher Fall sei im Kanton Zürich bisher nicht bekannt, sagt Huber.

Rätselraten über den reuigen Finder

Über den reuigen Finder oder die reuige Finderin sei weder der Kantons- noch der Stadtarchäologie Näheres bekannt. Über die Motive für den Diebstahl und die späte Rückgabe des Beils an die Stadt könne nur spekuliert werden.

Dass die unbekannte Person so genau Bescheid wusste über den Fundort, könnte darauf hindeuten, dass sie zum Grabungsteam gehörte, was aber nicht erwiesen sei.

Wer das Beil entwendet habe, sei heute letztlich irrelevant, sagt Huber. Zwar sei bedauerlich, dass man wegen der Unterschlagung nichts Genaueres über den Fundzusammenhang wisse. Aber: «Wir sind einfach froh, dass so etwas Kostbares wieder zurückgegeben wurde.» Immerhin hätte das Beil auch im Internet zum Verkauf ausgeschrieben werden können.

landschaft
So könnte es ausgesehen haben: Zürich um 2600 vor Christus in einer Visualisierung. Visualisierung: Ikonaut/Amt für Städtebau

Altertümer von wissenschaftlichem Wert sind laut Zivilgesetzbuch Eigentum des Kantons, in dessen Gebiet sie gefunden wurden, wie Markus Pfanner, Sprecher der Baudirektion, sagt.

Wer sich Grabungsfunde vorsätzlich aneigne, könne laut Kulturgütertransfergesetz mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder zu einer Geldstrafe bestraft werden.

Ausgestellt wird das ungewöhnliche Kupferbeil derzeit nicht. «Der Kanton hat kein eigenes Museum, in dem er archäologische Funde ausstellen kann», sagt Markus Pfanner. Es sei aber möglich, dass das Beil für eine andere Ausstellung ausgeliehen werde.

Dann müssten aber die Voraussetzungen wie etwa die klimatischen Bedingungen im Ausstellungsraum stimmen, damit das Überbleibsel aus der Frühgeschichte keinen Schaden nimmt – und auch kommenden Generationen erhalten bleibt.

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