(Wir wissen, Sie sind gendersensibel, deshalb haben wir im Titel mal eine Ausnahme von der korrekten Schreibweise gemacht.)
Das liebe Geld
Beginnen wir mit einer guten Nachricht – den Finanzen. Wahrscheinlich hat Sie ja die Suche nach einer einigermassen bezahlbaren Wohnung aus der Stadt in die Agglo getrieben. Es gibt hier aber noch einen weiteren positiven Aspekt: So müssen Sie neu keinen Kleinkredit mehr aufnehmen, um die Steuerrechnung zu begleichen, denn in Dübendorf ist der Steuerfuss 23 Prozentpunkte tiefer als in Zürich.
Und wenn Sie es vermissen, in der Hipster-Bäckerei John Baker 3 Franken für ein Croissant zu bezahlen, können Sie einfach beim Fleischli oder beim Hotz ein normales Gipfeli bestellen und das Doppelte auf den Tresen legen.
Die Kulinarik
Womit wir bei der Kulinarik angelangt wären. Und da wollen wir nichts beschönigen: Jetzt müssen Sie untendurch. Es gibt keinen supertrendy Koreaner, keinen Japaner mit lecker Sushi, keinen Veganertempel. Am besten gewöhnen Sie sich das Pflanzenfressen gleich ab, Sie Weichei, dann wird es leichter. Denn hier isst man nur, was zuvor getötet wurde.
Zwei Tipps für die Radikalkur: der Balkan-Grill bei der Migros oder das BBQ-Resti gegenüber dem Haupteingang des Flugplatzes. Kleiner Trost: In der Agglo werden Sie wenigstens nicht in jeder Beiz geduzt.
Rechtsrutsch
Wem wollen wir was vormachen – Sie werden jetzt von einem bürgerlichen Stadtrat regiert und einem tendenziell bürgerlichen Parlament vertreten. Aber seien Sie unbesorgt, man muss hier nicht im Edelweiss-Hemd rumlaufen. Das generische Maskulinum ist nach wie vor freiwillig. Und Frauen dürfen sogar arbeiten gehen (auch wenn sich das wegen der hohen Betreuungskosten nicht lohnt).
Wenn Sie dennoch schwermütige Gedanken plagen, fahren Sie mit Ihrem Lastenvelo doch mal durchs Stadtzentrum. Was sehen Sie da? Genau, das ist eine Tempo-30-Zone. Hat das die linke Zürcher Regierung in der City hingekriegt? Eben …
Die Fauna
Geben Sie es zu: Sie hätten erwartet, dass ausserhalb der Stadt Zürich Schafherden durch die Quartiere ziehen, Kühe über die staubigen Strassen spazieren und Wildschweine die Vorgärten umgraben. Okay, das mit den Schafen kommt ab und zu vor, ansonsten aber ist die Tierwelt mit der in Zürich vergleichbar – bis auf die Einhörner, die Sie womöglich schon gesehen haben. Nein, nein, das Trinkwasser enthält kein LSD, die gibt es wirklich. Sie stammen von einer Aktion des Verschönerungsvereins, die zwar längst vorbei ist, aber die Dübendorfer lieben ihr Wappentier eben sehr.
Integration und neue Freunde
Vielleicht haben Sie ja schon festgestellt, dass sich die meisten Einheimischen nicht mit Klick- und Grunzlauten verständigen, Sie verstehen also Ihre Sprache, womit eine Unterhaltung jederzeit möglich ist. Aber auch mit gemeinsamem Vokabular ist es manchmal schwierig, neue Bekanntschaften zu machen oder gar Freundschaften zu schliessen.
Für den Anfang empfehlen wir, das T-Shirt mit dem grossen FCZ-Aufdruck im Kleiderschrank zu lassen, denn hier sind die GC-Fans die Chefs. Von denen können Sie zwar auch Zuwendung bekommen, aber sicher nicht so, wie Sie sich das wünschen. Für neue Freunde gehen Sie lieber zur Feuerwehr, da freut man sich über Verstärkung.
Nachtleben und Kultur
Das Nachtleben hat auch in Ihrer neuen Wahlheimat durchaus seinen Reiz – sofern es Ihnen gefällt, nachts in der Bahnhofunterführung mit einem Dosenbier in der Hand vor dem «Hangar» rumzustehen. Wobei es durchaus Abende gibt, an denen es im «Shannon» oder «Mama» ganz lustig werden kann.
Am kulturellen Leben können Sie sich sogar aktiv beteiligen. So gibt es dieses Jahr wieder eine Ausstellung für Dübendorfer Künstler, an der Sie endlich Ihre Aquarelle vom letzten Malkurs in der Toskana zeigen dürfen. Und das Kino sucht auch immer Freiwillige. Bei akuten Entzugserscheinungen besteigen Sie aber am besten den Nachtzug nach Zürich.
Sex
Ja, Sie dürfen auch hier Sex haben. Wie in anderen Orten müssen alle Beteiligten einverstanden und fähig sein, dies zu artikulieren. Es gilt ausserdem ein gewisses Mindestalter, ebenso gibt es Einschränkungen in Bezug auf den Verwandtschaftsgrad. Sie dürfen auch homosexuell sein oder sich als biologische Frau wie ein Mann fühlen.
Sie dürfen Ihren Partner oder Ihre Partnerin sogar in der Öffentlichkeit küssen, ohne eine Steinigung befürchten zu müssen, da sind die Dübendorfer ganz entspannt. Noch lieber haben es die Einheimischen aber, wenn sie Ihnen beim Fummeln zuschauen können, also lassen Sie sich doch einfach mal gehen, schöne Parks hats ja genug.
Die Enttäuschung
Falls Sie sich auf ein beschauliches Leben in der Provinz gefreut haben, dann sind Sie jetzt möglicherweise etwas enttäuscht von Dübendorf. Denn wie wir ja nun gelernt haben, gibt es bei allen Unterschieden doch einige Gemeinsamkeiten mit Ihrer früheren Heimat.
Die meisten Menschen kennen den aufrechten Gang, es ist manchmal laut, und gelegentlich stinkt es auch, die Stromversorgung funktioniert, es hat sogar ein Tram und viele Typen mit Bart.
Falls Sie zwischendurch Ihre Sehnsucht nach dem Landleben stillen wollen, gehen Sie doch einfach zum Bahnhof und schauen der S5 oder der S15 nach, die alle 15 Minuten an Dübendorf vorbeirasen, während Sie selber Moos ansetzen beim Warten auf den nächsten Bummelzug.
* Die Analyse
Gemäss einer Analyse von Bevölkerungsdaten durch den «Tages-Anzeiger» sind allein in den letzten fünf Jahren 3861 Stadtzürcher nach Dübendorf gezogen, das sind mehr als 12 Prozent der hiesigen Bevölkerung. Damit liegt Dübendorf in Sachen Zuwanderung aus Zürich auf Platz 2 hinter Winterthur. Ebenfalls beliebt sind Opfikon, Adliswil, Schlieren und Zollikon. red