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Bruchstücke eines Panzerhandschuhs liegen in einer Vitrine.

Der Panzerhandschuh ist etwa 36 Zentimeter lang und vollständig erhalten. Foto: Urs Jaudas

Sensationeller Fund bei Kyburg

Im Webkeller lag ein Panzerhandschuh aus dem Mittelalter

Eine Notgrabung vor dem Schloss Kyburg brachte den vollständig erhaltenen Handschuh einer Ritterrüstung zutage. Er wird international für Aufsehen sorgen.

Der Panzerhandschuh ist etwa 36 Zentimeter lang und vollständig erhalten. Foto: Urs Jaudas

Veröffentlicht am: 16.01.2024 – 09.28 Uhr

Kantonsarchäologe Beat Eberschweiler druckste etwas herum. Man sollte nicht so oft von «sensationellen Funden» sprechen, meinte er. «Aber dieser ist schon sehr aussergewöhnlich.»

Bei Ausgrabungen im Dorf Kyburg wurde ein nahezu unversehrter und vollständiger Panzerhandschuh aus dem 14. Jahrhundert gefunden. Also aus jener Zeit, in der das Rittertum seine Blüte erlebte.

Projektleiterin Lorena Burkhardt konnte sich, als sie den Fund einordnete, den Begriff Sensation dann nicht mehr verkneifen. In der Schweiz gibt es eine Handvoll solcher Funde, doch keiner ist nur annähernd so gut erhalten.

Eine Frau zeigt auf einer Leinwand auf den Panzerhandschuh.
Projektleiterin Lorena Burkhardt präsentiert den Medien in den Räumen der Kantonsarchäologie den Handschuh. Foto: Urs Jaudas

Auch international gibt es wenig Vergleichbares. Die aus den Rüstungskammern in Museen und Sammlungen bekannten Exemplare stammen frühestens aus dem 15. Jahrhundert, sind meist aber noch erheblich jünger.

Er ist riesig

Der Handschuh ist aus Eisen und – riesig! Etwa 36 Zentimeter lang. Der Träger muss XXL-Hände gehabt haben! Lorena Burkhardt relativiert: Man trug darunter noch Leder- oder Stoffhandschuhe.

Die Machart des Handschuhs ist gut sichtbar: einzelne schuppenartige Platten, die übereinandergelegt und an den Seiten vernietet sind. Damit bleibt die Hand beweglich. Denn der Handschuh musste den Träger nicht nur vor Hieben schützen, dieser musste damit auch ein Schwert führen.

Fundort vor dem Schloss

Laut Lorena Burkhardt markiert der Kyburger Panzerhandschuh den Anfang einer Machart, die Ritter bis in den Dreissigjährigen Krieg, also bis ins 17. Jahrhundert, verwendeten.

Gefunden wurde der Panzerhandschuh im Winter 2021/2022 bei einer dreimonatigen Notgrabung im Dorf Kyburg. Das Team der Kantonsarchäologie wurde aktiv, als bekannt wurde, dass dort ein Einfamilienhaus mit Unterkellerung geplant war.

Denn der Bereich rund um die Kyburg ist einer der «Archäologie-Hotspots» im Kanton, wie Beat Eberschweiler am Dienstagmorgen den Medien erklärte. Dort, wo heute das Dorf liegt, stand früher die ummauerte Vorburg.

Dort waren Handwerks- und Gewerbebetriebe ansässig und wohnten die Dienstleute der Burgbesitzer. Im 15. Jahrhundert wurde die Vorburg während des Alten Zürichkriegs (1436–1450) gebrandschatzt.

«Es war daher keine Überraschung, dass wir fündig wurden», sagt Eberschweiler. «Etwas so Aussergewöhnliches haben wir aber nicht erwartet.»

Die einzelnen Teile des Handschuhs lagen nahe beieinander in einem im 14. Jahrhundert abgebrannten mittelalterlichen Webkeller, in dem einst drei Webstühle standen. Sie stammen aus einer Schmiede, die entweder darüber oder daneben lag und in der offenbar auch Rüstungsteile hergestellt wurden.

Eine Zange verpackt in einem Plastiksack neben anderen Fundstücken.
Gefunden wurden auch Gussformen, Hämmer und Zangen, was es eben in einer Schmiede so gab. Foto: Urs Jaudas

Gefunden wurden auch Teile des linken Handschuhs, zudem Gussformen, Hämmer, Pinzetten, Zangen, Schlüssel und Messer. Insgesamt über 50 Objekte. Dazu kamen unzählige Scherben von Keramikgeschirr und Kachelöfen.

Eine Frau und ein Mann enthüllen Ausstellungsobjekte in einer Vitrine.
Projektleiterin Lorena Burkhardt und Kantonsarchäologe Beat Eberschweiler lüften den Fund. Foto: Urs Jaudas

Während der Handschuh bei Laien vor allem Rittergeschichten beflügelt, bietet er Fachleuten zahlreiche Ansätze für neue Untersuchungen und noch mehr Fragen: Wer hat den Handschuh in Auftrag gegeben? Wer konnte sich damals einen solchen Handschuh überhaupt leisten?

Die Projektleiterin tippt zwar auf einen veritablen Ritter, es könnte aber auch eine andere Person gewesen sein, welche sich für den Krieg rüstete. Der Handschuh erlaubt aber auch Rückschlüsse auf das Schmiedehandwerk und auf die Rüstungstechnik.

Möglichst nicht graben

Und nicht zuletzt schreibt er ein weiteres Kapitel in der faszinierenden Ortsgeschichte Kyburgs. Denn es ist davon auszugehen, dass im Untergrund des heutigen Dorfs, im Bereich der einstigen Vorburg, noch einiges verborgen ist, welches der Kantonsarchäologe als «aussergewöhnlich» und die an der Grabung direkt Beteiligten als «sensationell» empfinden würden.

Trotzdem sagt Eberschweiler, er sei froh um alles, was sie nicht ausgraben müssten. Bei der regen Bautätigkeit in Zürich seien sie bereits mit Notgrabungen mehr als ausgelastet. Zudem seien die Objekte kaum gefährdet, solange sie in der Erde lägen.

Er wird bald ausgestellt

Im Moment liegt der Panzerhandschuh noch in den Räumen der Kantonsarchäologie in Dübendorf, unweit des Bahnhofs Stettbach. Ab dem 29. März wird eine im 3-D-Drucker gefertigte Kopie in der Dauerausstellung des Schlosses Kyburg zu sehen sein.

Auch das Original wird an seinen Herkunftsort zurückkehren. Allerdings nur für kurze Zeit, nämlich für drei Wochen ab dem Europäischen Tag des Denkmals, der jeweils am 7. September begangen wird.

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