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Lehrer Ursin Tanner setzt sich für die Digitalisierung und deren Möglichkeiten in der Schule ein.

Primarlehrer Ursin Tanner setzt in seinem Unterricht KI-Assistenten ein. Er warnt aber davor, diese Methode unüberlegt einzusetzen. Foto: Roger Hofstetter

KI-Assistenten im Schulunterricht

«Künstliche Intelligenz unbedingt hinterfragen»

Primarlehrer Ursin Tanner nutzt künstliche Intelligenz im Unterricht. Zum Beispiel für Interviews mit verstorbenen Personen.

Primarlehrer Ursin Tanner setzt in seinem Unterricht KI-Assistenten ein. Er warnt aber davor, diese Methode unüberlegt einzusetzen. Foto: Roger Hofstetter

Veröffentlicht am: 28.09.2023 – 15.00 Uhr

Ursin Tanner ist Mittelstufenlehrer im Schulhaus Wil, und er weiss: 50 Prozent seiner Schüler nutzen zu Hause künstliche Intelligenz (KI). Damit die Kinder von der Technologie profitieren können und auf die negativen Aspekte vorbereitet sind, hat er ein eigenes Lehrmittel zur Anwendung von KI-Assistenten an Schulen geschrieben.

Herr Tanner, ist ein Lehrmittel für KI-Assistenten in Primarschulen wirklich nötig?

Ursin Tanner: Das ist dringend nötig. Dass Schüler bereits KI-Assistenten bei den Hausaufgaben anwenden, ist kein grosses Geheimnis. Die Unterrichtsmaterialien für KI-Assistenten sind jedoch noch spärlich und unvollständig. Also habe ich selbst ein Lehrmittel verfasst. Sinnvoll genutzt ist ein KI-Assistent eine tolle technische Errungenschaft. Bei KI-Assistenten im Unterricht geht es um die richtige Anwendung.

Zum Beispiel?

Wir haben beispielsweise ein fiktives Gespräch mit dem ehemaligen US-Präsidenten Abraham Lincoln geführt. Vom geschichtlichen Standpunkt her eine lustige Möglichkeit – Lincoln alias künstliche Intelligenz antwortet tatsächlich. Aber auch Lehrpersonen können KI nutzen, zum Beispiel, um komplexe Texte von schwierigen Fremdwörtern zu befreien oder ein Glossar zu erstellen – ohne grossen Zeitaufwand.

Verleitet künstliche Intelligenz nicht eher zum Schummeln?

Der Taschenrechner war früher ebenso eine Erleichterung, trotzdem können wir alle heute rechnen. Das Abschreiben auf dem Pausenhof wird nie aussterben. Wer dem Assistenten den Befehl erteilt, «Erledige meine Hausaufgaben», erzielt keinen Lerneffekt. Wer aber einen Hausaufgaben-Coach verlangt, findet tatsächlich einen unermüdlichen Helfer. Es verlangt viel Übung, richtig zu «prompten», was am ehesten als Programmieren mit Worten zu verstehen ist. Denn je genauer die Erwartungen beschrieben werden, desto eher werden diese auch erfüllt.

Mann sitzt auf Stuhl (Archiv).
Ursin Tanner kennt sich mit künstlicher Intelligenz aus und hat viele Ideen für eine sinnvolle Anwendung im Unterricht. Foto: Roger Hofstetter

Besteht die Gefahr, dass KI den Lehrerberuf ersetzt?

Nein, es ändert sich aber die Weise, wie wir lehren und lernen. KI wird einen festen und berechtigten Platz in der Bildung finden. Die Schule muss sich jetzt mit diesen Veränderungen auseinandersetzen.

Neben all den Vorzügen werden der künstlichen Intelligenz aber auch immer wieder Schwächen nachgesagt. Wie sehen Sie das?

Ja, für mich ist KI keine wirkliche Intelligenz. Ob die Datengrundlage vollständig, korrekt und vorurteilsfrei ist, kann vom Benutzer nicht nachgeprüft werden. Deshalb gilt: Ergebnisse von KI-Assistenten unbedingt hinterfragen. Ein Aufsatz einer KI kann nur dann bewertet werden, wenn man selbst gelernt hat, was die Qualität eines Aufsatzes ausmacht. Die grösste Gefahr sehe ich aber in der Vermenschlichung von KI. Gerade Kinder laufen Gefahr, eine emotionale Bindung zu KI-Assistenten zu entwickeln. Darauf sensibilisiere ich meine Schüler.

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