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Naturschutz in Dübendorf

Gefährdete Schnecken ersetzen Schafe

Die ehemalige Schafwiese beim Schulhaus Gfenn soll zum Schneckenparadies werden. Doch die Tiere brauchen erst noch eine Einreiseerlaubnis.

Veröffentlicht am: 27.09.2023 – 14.00 Uhr

Ein Hand neben ein paar Schnecken
In Dübendorf wird ein Naturschutzaufwertungsprojekt umgesetzt. Unter anderem werden gefährdete Schneckenarten angesiedelt. Foto: David Marti

Auf dem Land neben dem Schulhaus Gfenn ist derzeit die Umsetzung eines Naturschutzprojekts im Gang. Wo bis ins Jahr 2020 blökende Schafe weideten, kriechen bald gefährdete Trockenwiesenschnecken. Zumindest ist das der Plan der Verantwortlichen. Im Auftrag der Stadt Dübendorf setzt die Stiftung Wirtschaft und Ökologie (SWO) die Bauarbeiten auf dem Gebiet um.

Projektleiter Lukas Geser von der SWO zeigt vor Ort eine Fläche mit Sand und einen Steinhaufen, die auf dem Hügel neben dem Schulhaus angelegt wurden. «Diese Strukturen bieten den Trockenwiesenschnecken eine wichtige Lebensgrundlage», sagt er. Neben den Schnecken sollen auch viele Pflanzen und weitere Tiere einen Lebensraum finden. Holz- und Steinhaufen wurden unter anderem für Reptilien und Amphibien angelegt.

Schnecken können ja nicht wie Wildbienen einfach hierherfliegen.

Peter Müller

Verein Artenförderung Schweiz

Mit seinen Mitarbeitern hat Geser an verschiedenen Stellen auf dem städtischen Land solche Habitate geschaffen. Dafür mussten sie rund 100 Kubikmeter nährstoffreichen Oberboden abtragen. Dieser ist unerwünscht, stattdessen will man hier eine Trockenwiese haben.

Denn nur auf solchen nährstoffarmen Wiesen würden diejenigen Pflanzen wachsen, die die Projektverantwortlichen hier haben wollten, sagt Geser. Das sind etwa die gefährdeten Arten Gelber Günsel, Kreuzblättriger Enzian und Hasen-Klee.

Schnecken mit erster Tuchfühlung

Während der weggeschaffte nährstoffreiche Boden anderswo für die Aufwertung eines landwirtschaftlichen Bodens verwendet wird, mussten rund 100 Kubikmeter Sand herangeschafft werden. In sogenannten Sandlinsen, die bis zu 60 Zentimeter tief sind, sollen sich Schnecken, aber auch im Sand nistende Wildbienen wohlfühlen.

Bestens mit den verschiedenen Schneckenarten kennt sich Peter Müller vom Verein Artenförderung Schweiz aus, der ebenfalls zugegen ist. Ein Teil der Arten, wie beispielsweise die Zebraschnecke, müsse sich im Winter oder in der Sommerhitze in den Boden zurückziehen können, sagt Müller.

Ganz vermeiden lässt sich ein Tritt auf eine Schnecke bei einer grossen Population wohl nicht.

Lukas Geser

Projektleiter

Er hat heute ein paar Spezien in einer kleinen Box mitgenommen: Zebraschnecken, Wulstige Kornschnecken, Westliche Heideschnecken und Östliche Heideschnecken.

Diese musste er von ausserhalb mitbringen. «Schnecken können ja nicht wie Wildbienen einfach hierherfliegen.» Probehalber setzt er ein paar Exemplare auf den feuchten Sand. Kurz darauf gucken schon die Fühler aus dem Häuschen der Zebraschnecken.

Bewilligung für Schneckenreise

Die Schnecken seien nicht nur für eine grössere Artenvielfalt wichtig. Die gefährdeten Zebraschnecken und die gefährdeten Wulstigen Kornschnecken gehören zu den kantonalen Aktionsplanarten, die im Kanton Zürich speziell gefördert werden sollen. «In den leeren Häuschen von Zebra- und Heideschnecken legen wiederum spezialisierte Schneckenhausbienen ihre Nester an», sagt Müller.   

Kosten in Höhe von 83'000 Franken

Die Kosten von rund 10'000 Franken für Peter Müllers Arbeit trägt der Verein Artenförderung Schweiz zusammen mit dem Gemeinnützigen Fonds des Kantons Zürich und diversen Stiftungen. Den Löwenanteil bezahlt aber die Stadt Dübendorf: rund 72'700 Franken sind es insgesamt. Noch bis nächsten Frühling sind weitere kleinere Arbeiten geplant.

Müller hebt die Tiere wieder vorsichtig in die kleine Box. «Für eine erfolgreiche Ansiedlung und Vermehrung sind mindestens 50 bis 100 Stück nötig.» Arten wie Zebraschnecken seien zwittrig, was die Fortpflanzung erleichtere. 

Fürs Einsammeln so vieler Tiere in Gegenden mit einer grösseren Population müsse er erst eine Bewilligung von der kantonalen Naturschutzfachstelle einholen. Er rechnet frühestens im nächsten Frühling mit einer Ansiedlung im Gfenn.

Angst, dass die bis zu 25 Millimeter grossen Häuschen der Zebraschnecken unter Schuhsohlen zerstampft werden, haben die Verantwortlichen nicht. Denn dass Menschen über das Land laufen, ist nicht vorgesehen. Einzig SWO-Mitarbeitende wie Lukas Geser werden für den Unterhalt das Land betreten. Er sagt: «Wir werden bei den Arbeiten vorsichtig sein. Doch ganz vermeiden lässt sich ein Tritt auf eine Schnecke bei einer grossen Population wohl nicht.»

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