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Gesellschaft
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Gespielte Szene mit Schauspieler als Sprayer, zwei Frauen greifen ein.

Hier eine interaktive Szene zu Vandalismus mit den Schauspielern der Theatergruppe «ForumTheater Schweiz»: Beim Eingreifen ist Vorsicht geboten. Foto: Isabelle Piccand

Gespielte Gewalt in Dübendorf

«Wegschauen – das geht nicht»

Der Zivilcourage-Rundgang in Dübendorf war nichts für schwache Nerven. Einige Teilnehmer waren von der gespielten Gewalt gelähmt, andere griffen beherzt ein.

Hier eine interaktive Szene zu Vandalismus mit den Schauspielern der Theatergruppe «ForumTheater Schweiz»: Beim Eingreifen ist Vorsicht geboten. Foto: Isabelle Piccand

Veröffentlicht am: 04.09.2023 – 09.12 Uhr

Tatort Schulhaus Stägenbuck in Dübendorf am Samstag. Eine junge Frau schreit plötzlich «lass mich in Ruhe, lass mich!». Sie ist hysterisch. Ihr Freund ist höchst aggressiv, er wird sogar handgreiflich, sie kassiert eine Ohrfeige.

Die 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Zivilcourage-Rundgangs sind schockiert – regelrecht gelähmt. Ein Teilnehmer schreitet ein, will der Frau helfen und stellt sich zwischen die beiden Streithähne. Dann das erlösende «Stopp» von Christian Rechenmacher, dem Projektbegleiter und früheren Leiter der Fachstelle Gewaltprävention Zürcher Oberland. Es ist alles nur Schauspiel.

Echte Gewalt, aber gespielt

Der Zivilcourage-Rundgang beginnt so, wie Gewalt im öffentlichen Raum meist erlebt wird, überraschend und mit einem Gefühl der Machtlosigkeit. Als Zuschauer fragt man sich unweigerlich: Wie handle ich, wenn eine Person in meiner Nähe angegriffen wird? Wie reagiere ich, wenn Vandalen eine Wand besprayen?

Die Stadt Dübendorf hat sich im Rahmen der Präventionskampagne «Dübi schaut hin» solchen Fragestellungen angenommen und einen Rundgang organisiert. Die Gruppe «ForumTheater Schweiz» spielt dabei gekonnt echte Szenen von Gewalt und Vandalismus nach.

Eigene Sicherheit geht vor

Die Meinung, was die beste Hilfeleistung ist, fällt bei den Beteiligten des Rundgangs unterschiedlich aus. Die einen würden eher den Notruf 117 wählen, die anderen dann doch lieber sofort einschreiten. Und wie steht es um die eigene Sicherheit?

«Es ist wichtig, die Situation einzuschätzen, denn ein direktes Einschreiten ist nicht immer zu empfehlen», sagt Oliver Schürch, Kommandant der Stadtpolizei Dübendorf. «Die eigene Sicherheit geht vor – nur wegschauen, das geht nicht.»

Aus Erfahrung sei das Ansprechen der Täter mit lauter Stimme zu empfehlen, dabei sei eine aufrechte Körperhaltung von Vorteil, sagt Schürch. Vor allem aber sollte die Polizei informiert werden: «Wir können je nach Situation bereits in drei bis fünf Minuten am Tatort sein.»

Brutal zusammengeschlagen

Zweite Szene: Zwei jugendliche Sprayer werden in der Bahnhofunterführung in flagranti von einem Passanten erwischt. «Sofort aufhören, das ist eine Schweinerei», schreit der. Gespielt wird er von Victor Witschi, Theaterpädagoge und Co-Inhaber des Theaters. Die Situation eskaliert. Der Passant wird von den Jugendlichen auf den Boden geworfen und brutal zusammengeschlagen.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer reagieren aber gefasst. Unisono wird eine deeskalierende Vorgehensweise gewählt. Eine Teilnehmerin schnappt sich den alten Mann, redet auf ihn ein und hält intensiven Blickkontakt. «Hören sie auf, das kann gefährlich für Sie werden», sagt sie und versperrt ihm den Weg.

Theaterpädagoge Witschi gibt anschliessend Feedback: «In der Interaktion ist die Nervosität aller Teilnehmer spürbar und vor allem echt, hier geht es um Adrenalin pur. Und ja, ich habe mich tatsächlich auf die Frau eingelassen und mich dann beruhigt – gut gemacht also.»

Betrunkene im Park

Letzte Szene: Eine junge Frau wird im Park von zwei betrunkenen Männern belästigt, sie wirkt verunsichert. In Sekundenschnelle ist sie umzingelt. Hier tritt eine Teilnehmerin als Retterin in der Not auf und erklärt der jungen Frau: «Schau, die sind betrunken, du kannst einfach weiterlaufen.» Und ein anderer Teilnehmer setzt sich kurzerhand zu den Betrunkenen hin und sucht das lockere Gespräch mit ihnen. Perfekt deeskaliert.

Stadtrat Hanspeter Schmid (Die Mitte) nimmt ebenfalls am Rundgang teil. Die Kampagne «Dübi schaut hin» sei ein Erfolg. «Wir haben mit der Kampagne viel erreicht. In Dübendorf treten die Leute viel schneller ins soziale Gespräch, das motiviert und zeigt eine gewisse Sensibilisierung.»

Auch Polizeikommandant Schürch ist zufrieden: «Die Polizisten werden in Dübendorf vermehrt nach Rat gefragt, das deutet auf ein verbreitetes Bewusstsein in Sachen Zivilcourage hin.»

Alexandra Fink, Projektverantwortliche von «Dübi schaut hin», zieht ebenfalls eine positive Bilanz: «Wir haben mehr Anmeldungen für den Rundgang erhalten als erwartet.» Dass im nächsten Jahr wieder ein Rundgang stattfindet, sei nicht ausgeschlossen.

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